WALD UND FELD: Neuigkeiten vom Widerstand in Bure

von Einige aus dem französischen Osten, 06.09.2016, Veröffentlicht in Archipel 250

Der Widerstand in Bure gegen die Endlagerung von Nuklear-abfällen wird fortgesetzt und ständig neu erfunden. Angesichts der kommenden Verseuchung eines ganzen Gebietes durch Atommüll stellen sich Fragen über die Zukunft von Landwirtschaft und Wald.

Neben der kontinuierlichen Informationsarbeit über Kernenergie bilden sich eine Erweiterung und neue Perspektiven des Widerstandes heraus. Die Bindung und Verankerung im Herzen dieser ländlichen Gebiete ist ebenfalls eine zentrale Frage. Sie drohen zu ausschliesslichen Produktionszonen für die Städte zu werden, jeglichen Lebens entleert.
Am Dienstag, den 17. Mai 2016, haben die Senatoren einen Gesetzesvorschlag geprüft, der die Beschleunigung der Inbetriebname des Zentrums für die Endlagerung von Nuklearabfällen CIGEO in Bure (Meuse/Haute Marne) als «Pilotprojekt in der Forschungsphase» anstrebt. Wenn dieses neue Gesetz in Kraft tritt, wird uns – ohne Abstimmung – ein gigantisches Atommüllprojekt aufgezwungen. Vor uns: Berge von Risiken, ein sich abzeichnendes finanzielles Desaster und der programmierte Tod eines ganzen Gebietes.
Strahlende Aussaaten, keine verstrahlten Felder
Trotz Regen, schwarzem Himmel und der lehmigen Erde, die an den Stiefeln klebte, haben am Sonntag, den 17. April 2016, Hunderte von Menschen Kartoffeln gepflanzt und einen Hektar Gerste und Hafer auf einem Gelände der ANDRA1 per Hand ausgesät. Bei schöner Atmosphäre zwischen Akkordeonklängen, dem Bau einer Hütte und dem Duft eines Bratens am Spiess. Die Teilnehmer_innen tauchten ihre Hände in die Erde des Feldes, an dessen Rändern verschiedene Fahnen im Wind wehten: «BureStop», «Confédéderation Paysanne» und die schwarze Fahne «Strahlende Aussaaten, keine verstrahlten Felder!»
Im Dezember 2007 hat die ANDRA mit dem Erwerb von Land in Privatbesitz im Departement Meuse und der Region Haute-Marne begonnen. Inzwischen sind um die 3‘000 Hektar in ihrem Besitz, davon 1‘000 Hektar Ackerland und 2‘000 Hektar Wald. Seit dem antiautoritären, antikapitalistischen VMC-Camp (benannt nach Vladimir Matenko) im Sommer 2015, hat sich bei einer Diskussion das Kollektiv «Terre de Bure» («Erde von Bure») gebildet. Dieses Kollektiv beschäftigt sich mit der Grundeigentumspolitik der ANDRA und mit der Frage der Entwicklung des landwirtschaftlichen Bodens. Es organisiert Treffen mit anderen Kollektiven, Bäuerinnen und Bauern von hier und anderswo, Landwirtschaftsgewerkschaften etc., um den Kampf über die Atomfrage hinaus zu erweitern. Es geht dabei auch um den Alltag der Bewohner_innen von Bure und Umgebung, die seit September 2015 dem Verschwinden landwirtschaftlich genutzter Flächen zusehen müssen, auf denen jetzt die vorbereitenden Bauarbeiten für CIGEO durchgeführt werden. Nach einer ersten Aussaat hinter zwölf Traktoren bei Sonnenschein am 15. November 2015 auf einem Feld unterhalb der technologischen Abteilung des Laboratoriums von ANDRA, hat auch am 16. und 17. April 2016 ein landwirtschaftliches Wochenende stattgefunden. Jetzt kommt noch das Häufeln der Kartoffeln und später deren Ernte auf uns zu.
Der Kampf um den Wald
Im Osten Frankreichs, bekannt für seine enthemmte Nuklearlobby, die sich im ganzen Gebiet festsetzt, kann sich ein wahnwitziges Projekt hinter einem anderen genauso wahnsinnigen Projekt verstecken. Die Besorgnis um die Wälder ist schon gross, angesichts der Tatsache, dass die ANDRA 2‘000 Hektar Wald erworben hat, obwohl das Projekt CIGEO nur 600 Hektar Bodenfläche benötigt. Dazu kommt jetzt noch die Fabrik von SYNDIESE, ein vom CEA (Kommissariat der Kernenergie) geleitetes Projekt in Saudron, einige Kilometer von Bure entfernt, in der aus Holz-Biomasse Diesel hergestellt werden soll. Unser Widerstand betrifft beide Projekte. SYNDIESE wird nicht nur eine umweltverschmutzende Fabrik mit einer katastrophalen Energiebilanz sein, sondern zusätzlich jedes Jahr mindestens 90‘000 Tonnen Rohholz verschlingen. Allein um ihr Funktionieren zu gewährleisten, bräuchte die Fabrik diejenige Menge Strom, welche dem Verbrauch einer Stadt mit 30‘000 Einwoh-ner_innen gleichkäme und dies, um lediglich 3‘000 Autos pro Jahr «Bio»- Diesel zu liefern. Dieses vollkommen absurde Projekt dient einzig und allein dem CEA als experimentelles Forschungsprojekt für verschiedene Formen von Energieproduktion und um die Position Frankreichs in diesem Sektor zu festigen. Es geht hier um eine neue Verwertung der Wälder, mit dem Ziel ihren Marktwert zu steigern. Die zügellose Industrialisierung der Holzbranche ist angesagt.
Natürlich gibt es Reaktionen von Seiten der Bevölkerung auf die Machenschaften der ANDRA. Die Bewohner_innen von Mandres-en-Barrois (ein paar Kilometer von Bure entfernt) wehren sich z.B. dagegen, dass ihr Gemeindewald zugunsten der ANDRA gegen einen anderen Wald getauscht werden soll. Mit der Unterstützung von mehreren Vereinen organisieren sich die Bewoh-ner_innen, um diese Entscheidung rückgängig machen zu lassen. (Aktueller Stand Ende Juni: Der Wald ist besetzt von den Wiederständischen, Anm.d.Red.). Im Bezug auf SYNDIESE hat, neben Mahnwachen und Informationsarbeit, auch eine erste Blockade der Bauarbeiten im März 2016 stattgefunden. Die Frage um die Entwicklung der Wälder hat uns auch dazu motiviert, für den 19. und 20. März ein Treffen mit Kollektiven und Einzelpersonen im Kampf gegen die Zerstörung der Wälder zu organisieren. Bei diesem Treffen ging es vor allem um die Gefahren, die den Wäldern drohen: Holzzentralen, Kahlschläge, industrialisierte Aufforstung, sogenannter grüner Tourismus... Wir überlegten zusammen, wie man über diese Probleme informieren könnte, um den Widerstand bekannter zu machen und um gemeinsame Perspektiven ins Auge fassen zu können. Wichtige Verbindungen knüpften sich zwischen den Gegner_innen der verschiedenen Projekte. Es ist erfreulich: Die Widerstandskräfte wachsen zusammen.
Lokale Verankerung
Ein wichtiger Ort für unsere Aktivitäten ist das Haus des Widerstandes gegen das Atommülllager von Bure, das seit elf Jahren Momente des Beisammenseins, kämpferische Sitzungen sowie durchreisende Menschen empfängt, die sich einfach nur über die Nuklearindustrie informieren oder sich sogar dauerhaft einbringen möchten. Hier ist ein Schnittpunkt für alle Facetten des Kampfes, aber auch der Geselligkeit – eine Möglichkeit, sich auf eine andere Art zu organisieren und zusammen zu leben.
Einige Kilometer weiter entfernt befindet sich der ehemalige Bahnhof von Luméville-en-Ormois. Von hier aus wird seit einigen Jahren die Mobilisierung gegen die Nuklearabfallanlage organisiert. Hier fand letzten Sommer auch das VMC-Camp statt. Es handelt sich um ein privates Gelände, das sich auf der Trasse der Bahnstrecke befindet, welche die ANDRA wieder reaktivieren will. Seit September 2015 setzen sich Kollektive dafür ein, es wieder zu beleben. Regelmässig werden hier Baustellen organisiert. Im März 2016 sind z.B. Leute aus Roybon gekommen, um ein Gebäude nach traditionelle Bauart zu errichten, in dem Diskussionsrunden und Feste stattfinden können. Eine Gruppe aus Redon wird eine Turbine zum Pumpen von Brunnenwasser anbringen. Leute aus Paris organisieren ein Punkkonzert, ausserdem wird sich ein Super-8-Kino-Kollektiv ein paar Tage niederlassen, um einen postapokalyptischen Zukunftsfilm zu drehen. Solche Initiativen beleben diesen Ort im Alltag, der auf Perspektive auch ein Ausgangspunkt für Mobilisierungen sein soll. Vorläufig sind verschiedenste Projekte geplant, unter anderem ein Brotbackofen und eine Werkstatt. Wir wollen auch mehr Verbindung zu der ansässigen Bevölkerung herstellen, die Menschen zu Hause besuchen, Gelegenheiten für Geselligkeit organisieren.
Teilnahme und Unterstützung
«Was können wir aus der Entfernung für euch tun?» Diese Frage kommt immer wieder während unserer Info-Touren. Wir denken jede und jeder kann seinen Platz gemäss seinen/ihren Erfahrungen finden. Für Einige hat es mehr Sinn, an einer kollektiven Baustelle teilzunehmen oder eine vorzuschlagen, für Andere wieder, auf grosse Mobilisierungen aufmerksam zu machen und dafür Autos und Busse zu organisieren, oder Filme vorzuführen und Informationen zu vermitteln. Es gibt regelmässig Aufrufe zu dezentralen Aktionen. Generell sind alle Proteste gegen die Kernenergiebranche eine Unterstützung.
Und natürlich: kommt! – jederzeit, egal ob ihr für ein paar Tage im Haus des Widerstandes vorbeischaut, für eine Mobilisierung anreist oder für eine der kollektiven Baustellen im ehemaligen Bahnhof von Luméville.

  1. ANDRA: Nationale Agentur für die Verwaltung radioaktiven Abfalls.