UKRAINE: Eine Medienschule als Beitrag zur Konfliktlösung

von Nailya Ibragimova, EBF Ukraine, 10.02.2022, Veröffentlicht in Archipel 311

Der Konflikt in der Ostukraine, von dem drei Millionen Menschen in der Ostukraine direkt betroffen sind, verstärkt eine seit Jahren künstlich geschürte Kluft (Ost+Süd versus West+Nord) in der ukrainischen Bevölkerung. Traumatische und unverarbeitete Erfahrungen führen zu einer Polarisierung der Meinungen. In einem grossen Teil der ukrainischen Öffentlichkeit gelten Luhansk und Donezk als mental rückständig und „prorussisch“ und die Regionen selbst werden in erster Linie in einer Chronik von Kriegsgeschehen wahrgenommen. Die menschliche Dimension des Konflikts gerät in den Hintergrund.

Transkarpatien, am anderen, westlichen Ende der Ukraine, ist ebenfalls das Opfer tiefsitzender Vorurteile. Die Region gilt als anfällig für Separatismus und wird ansonsten bloss als Tourismusdestination wahrgenommen – mit einer Bevölkerung, die „unpatriotisch“ dauernd im Ausland auf Arbeitssuche ist. Unser Projekt einer Medienschule konzentriert sich auf die Ausbildung von aktiven jungen Menschen aus den westlichen und östlichen Teilen der Ukraine. Es geht darum, Erfahrung im Aufbau lokaler, nicht-kommerzieller Medien zu sammeln, die dazu beitragen, der Hassrede („hate-speech“) im öffentlichen Raum entgegenzuwirken, gesellschaftspolitische Zusammenhänge zu verdeutlichen und die Probleme gefährdeter Gruppen sichtbar zu machen. Die Zielgruppen der Ausbildung sind Student⸱inn⸱en und junge Leute aus Uzhhorod (Transkarpatien), Severodonetsk (administrativer Hauptort des Teils vom Oblast Luhansk, der unter der Kontrolle der ukrainischen Regierung steht), sowie aus den von Separatisten besetzten Gebiete Luhansk und Donetsk.

Das angestrebte Projektziel ist die Schaffung kleiner unabhängiger Medien, die sich den kulturellen und historischen Besonderheiten der Regionen widmen und über aktuelle soziale Probleme berichten. Menschen, die im Donbas auf beiden Seiten der Demarkationslinie oder in der Westukraine leben, sollen damit eine Stimme erhalten.

Im Rahmen der Schule wollen wir die Teilnehmer⸱innen mit den Erfahrungen von Medienschaffenden in Konfliktregionen von verschiedenen Ländern konfrontieren. Referent⸱inn⸱en aus dem In- und Ausland werden dazu eingeladen. Welche Rolle spielen unabhängige Medien in Konfliktsituationen, und welche Rolle spielt einseitige, hetzerische Berichterstattung? Wir untersuchen, inwiefern militärische Konflikte Diskriminierung in den betroffenen Gesellschaften verstärken oder sichtbar machen. Das Projekt soll in diesem Jahr in Gang kommen und bis 2024 dauern. Die ersten Seminare sollen zuerst in Nyzhne Selyshche in Transkarpatien und dann in Severodonetsk stattfinden. Leider ist momentan nicht absehbar, wie sich die aktuelle Kriegsbedrohung auf unser Vorhaben auswirken wird.

Nailya Ibragimova, EBF Transkarpatien