SPANIEN: Biologische Ausbeutung?

von Federico Pacheco SOC-Almeria, 04.08.2011, Veröffentlicht in Archipel 194

Die Andalusische Landarbeitergewerkschaft SOC hat vor kurzem ein erstes Ziel im Kampf gegen die Ausbeutung der ArbeiterInnen von Bio Sol, einem großen Unternehmen für biologische Obst- und Gemüseproduktion in Barranquete, in der Nähe von Nijar in der Provinz Almeria, erreicht.

Bio Sol Portocarro, ein wichtiger Produktions- und Handelsbetrieb, baut sein Obst und Gemüse sowohl auf dem eigenen als auch auf dem Gelände von fünfzehn weiteren Landwirten an. Insgesamt sind ca. hundert Hektar mit Plastiktunneln belegt; sechs davon sind mit den modernsten technischen Mitteln ausgestattet. Acht Prozent der Produktion, ungefähr 7.000 Tonnen, werden in die Länder der EU exportiert. Der aufeinander folgende Anbau von Tomaten, Paprika, Gurken, Zucchini, Auberginen sowie Wasser- und Honigmelonen garantiert eine über das ganze Jahr währende Rentabilität. Bio Sol erhält zahlreiche regionale und finanzielle Zuschüsse sowie Subventionen der spanischen Behörden und so manche Gelder aus Europa.

Unsichere Situation der Beschäftigten

Dieser Betrieb, der sich als Musterbeispiel für die Umweltqualität und seine Bio-Philosophie präsentiert, unterscheidet sich, was die schlechten Arbeitsbedingungen betrifft, leider nicht im Geringsten vom restlichen Landwirtschaftssektor in dieser Region. So wie in den konventionellen Betrieben wird die mittellose ArbeiterInnenschaft, die zum Großteil aus MigrantInnen besteht, ausgebeutet. Die Firma schafft für sie eine permanent unsichere Situation und versucht, sie von gewerkschaftlicher Unterstützung fernzuhalten. Auf diese Weise kann sie sich erlauben, einen geringen Lohn zu zahlen und ständigen Druck auf sie auszuüben. Die Arbeitstage sind lang; auf die Sicherheit und Gesundheit der ArbeiterInnen wird keine Rücksicht genommen. So gelang es dem Unternehmen in den letzten Jahren, die relativ «sichere» Situation der ArbeiterInnen in eine sehr prekäre umzuwandeln. Die Personen, die schon jahrelang für das Unternehmen arbeiten, werden dazu verpflichtet, jedes Jahr am Anfang der Saison ihren Arbeitsvertrag mit einer anderen rechtlichen Abteilung, die zum selben Betrieb gehört (Bio Sol, Econijar, etc…) zu schließen, obwohl sie auf demselben Posten bleiben – das ist natürlich gesetzeswidrig1. Alle zwei bis drei Jahre wird ein Grossteil der Beschäftigten gekündigt, ohne oder nur mit einer minimalen Entschädigung. Im Jahr 2008 hatte die SOC-Almeria aufgrund zahlreicher unrechtmäßiger Entlassungen mehrere Konflikte mit dem Betrieb. Das Gesetz erlaubt es, im Fall einer Verurteilung, zwischen einer Wiedereinstellung und einer Entlassung mit entsprechender Entschädigung auszuwählen. In den meisten Fällen ist es Bio Sol gelungen, sich mit einer Entschädigung der dienstältesten ArbeiterInnen zu entledigen. Auch andere Praktiken dieses Betriebs wurden bereits als Missbrauch erkannt. Zum Beispiel die Tatsache, dass Bio Sol die Entlassungen nicht rechtzeitig ankündigt, sodass die Betroffenen Zeit hätten, dagegen Einspruch zu erheben. Falls trotzdem jemand reklamiert, wird systematisch ein juristisches Verfahren eingeleitet um die Prozeduren zu verlängern, sogar indem sich der Betrieb auf unerlaubtes Beenden der Arbeit seitens der ArbeiterInnen beruft. So sind diese, aufgrund ihrer miserablen finanziellen Situation praktisch gezwungen, weniger Geld als das gesetzlich vorgeschriebene Minimum zu akzeptieren.

Angst erstickt die Beschwerden

Seit ihrem ersten Eingreifen im Jahr 2006, hält die SOC-Almeria einen permanenten Kontakt mit den ArbeiterInnen im Gemüsebau und in der Verpackungsabteilung von Bio Sol. Es gab zahlreiche Beschwerden bezüglich der «schwarz» oder unterbezahlten Überstunden, der Diskriminierung bei der Arbeitsaufteilung, der schlechten Behandlung und des korrupten Verhaltens der Verantwortlichen, der Schikanen und des Drucks dem die ArbeiterInnen ausgeliefert sind, um sich ja nicht ab und zu auszuruhen und schließ-lich der Mangel an Transportmitteln und an Sicherheitsvorkehrungen bei der Arbeit. Trotzdem wurden diese Anklagen aus Angst vor Kündigungen nicht laut. Die Arbeiter-Innen lehnten sogar einen Besuch der SOC im Betrieb ab, da ihnen von gewerkschaftlicher Betätigung unter Drohung abgeraten wurde. So konnte die SOC nur bei Entlassungen, wo es keine Chance auf Wiedereinstellung gab, intervenieren. Beim letzten Konflikt, im Herbst 2010, wurden dreizehn Arbeiterinnen, die seit fünf bis zehn Jahren für das Unternehmen gearbeitet hatten, missbräuchlich entlassen. Sie hatten jedoch die Gelegenheit ihre gemeinsamen Beschwerden einer deutschen Journalistin mitzuteilen, deren Artikel darüber am 21.Februar 2011 in der Schweizer Zeitung Tages Anzeiger erschien.2
Neue Strategien um die Bio-Ausbeutung zu bremsen
Die Veröffentlichung dieses Artikels und der Druck der Schweizer Konsumenten haben Bio-Suisse zum Reagieren gebracht. Diese Organisation, die Bio-Produkte zertifiziert, welche unter anderem von der Supermarkt-Kette Suisse Coop gekauft werden, beschloss Erklärungen von seinem Lieferanten Bio Sol zu fordern. Bio Suisse schlug vor, einzugreifen und zwischen denn Parteien zu vermitteln. Coop beschloss, seine Einkäufe bei Bio Sol bis zu einer zufriedenstellenden Antwort einzustellen. Sowohl der Zeitungsartikel als auch die Schweizer Reaktion sind inzwischen in Holland, Deutschland und anderen Ländern bekannt geworden.
Am Montag, den 14.März begaben sich Vertreter von Bio Suisse, Coop, Campina Verde (spanischer Bio-Lieferant) und Eurogroup (weltweite Einkaufszentrale) nach San Isidro um dort mit der SOC und den ArbeiterInnen zu sprechen. Sechs von ihnen waren bereits wieder eingestellt worden, ohne jedoch das ihnen noch zustehende Gehalt bekommen zu haben. Sie beschwerten sich über den Druck, der auf sie ausgeübt wurde. Der Betrieb teilte ihnen nur wenige Arbeitsstunden zu und schikanierte sie wegen ihrer Zusammenarbeit mit der Gewerkschaft. Die sechs anderen Frauen erzählten über die Situation, die sie im Betrieb erlebt hatten und bestätigten, dass sie weiter arbeiten wollten, wenn man ihnen den noch ausstehenden Lohn zahlte. Am Nachmittag fand eine Versammlung mit den Unternehmern von Bio Sol statt, jedoch ohne irgendein Ergebnis. Auch in den nächsten Tagen weigerte sich das Unternehmen, die suspendierten Frauen wieder einzustellen und schlug einzig eine Entschädigung von nur 50 Prozent der ihn zustehenden Summe vor. In derselben Zeit wurden, unter dem Druck der Arbeitsinspektion, im Einklang mit den gesetzlichen Vorschriften, einige fixe Verträge mit Frauen, die verschiedene Kampagnen gegen die Ausbeutung in der Landwirtschaft geführt hatten, abgeschlossen. Das war ein Triumph für die Arbeiterinnen, auch wenn sie wussten, dass, sobald die Gewerkschaft und die Repräsentanten der Supermärkte nicht mehr an Ort und Stelle sind, sie aufs Neue unterdrückt und auf die Strasse gesetzt werden können.
Die sechs entlassenen Frauen wurden massiv unter Druck gesetzt. Im Laufe der sechs Prozesse präsentierte das Unternehmen ein Dokument, das sie ins Unrecht setzt. Sie waren gezwungen worden dieses zu unterschreiben, ohne es gelesen zu haben und manche Unterschriften waren gefälscht worden. Bio Sol kündigte an, die Frauen, die deutsche Journalistin und die SOC wegen Verleumdung anzuklagen. All diese langen juristischen Verfahren waren zum Nachteil der Angestellten, die unter wirtschaftlichem Druck standen; es zeichnete sich ein für den Betrieb vorteilhaftes Urteil ab. Bio Sol versuchte sogar die Arbeiterinnen mit Entschädigungen zu ködern, wenn sie bereit wären, ein Dokument gegen die SOC zu unterschreiben. Das «Bio»-Unternehmen ging ein großes Risiko ein. Es konnte sowohl auf ökonomischer Ebene einbüssen, als auch das Prestige bei den Käufern verlieren. Das Wichtigste war ihm aber, dass die SOC sich nicht einmische und kein Präzedenzfall aufgrund des Drucks der Konsumenten geschaffen werde.
Nachdem die entlassenen Frauen keine entsprechende Antwort bekommen hatten, beschlossen sie, die Angelegenheit ans Tageslicht zu bringen und führten mehrere Aktionen durch, um ihre Wiedereinstellung zu bewirken oder die gesamte, ihnen legal zustehende Entschädigungssumme zu erhalten.

Ein erster Sieg

Dank des Kampfgeistes und der Widerstandskraft der marokkanischen Arbeiterinnen, unterstützt von der SOC und einer Protestwelle von Schweizer Organisationen und Konsumenten, sowie der entschiedenen und unnachgiebigen Haltung von Bio Suisse, musste das Unternehmen in Almeria schließlich nachgeben. Am 28.April unterschrieben Bio Sol, die SOC und die Arbeiterinnen eine Übereinkunft und beendeten so den Konflikt. Die sechs Frauen bekamen eine komplette Entschädigung und auf beiden Seiten wurden alle juristischen Verfahren eingestellt. Das Unternehmen erklärte sich bereit, die Angestellten von nun ab korrekt zu behandeln, den sozialen Dialog zu fördern und die gewerkschaftlichen Rechte zu respektieren. Der Betrieb und die ArbeiterInnen beschlossen, den Vorschlag von Bio-Suisse, die Funktion des Vermittlers im Fall von weiteren Konflikten zu übernehmen, zu akzeptieren.
Nichts desto trotz müssen wir wachsam bleiben, und zwar nicht nur gegenüber Bio Sol, der ja nur einer von zahlreichen Biogemüse-Massenproduktionsbetrieben ist. Es ist unakzeptabel, Betriebe mit Bio-Garantie auszuzeichnen, die weder das Arbeits- noch die sozialen Rechte ihrer Angestellten respektieren. Auf jeden Fall sind wir hier in einer neuen Strategie des Internationalistischen Kampfes, bei dem wir die Beteiligten, die in verschiedenen Bereichen agieren, dazu aufrufen, miteinander zu kommunizieren, in Netzwerken zusammen zu arbeiten, und gemeinsam Aktionen durchzuführen. Gewerkschaften verschiedener Länder, Konsumentenvereine, Bauern und nichtstaatliche Organisationen würden wahrscheinlich mehr erreichen, wenn sie neue Vorgangsweisen entwickelten und sich über die wichtigsten Ziele einig wären. Das ist für uns, in unserem widersprüchlichen und gleichzeitig dynamischen täglichen Leben, eine grosse Aufgabe.

Kontakt: socalmeria(at)yahoo.es, http://socalmeria.wordpress.com/ 1. Bericht des andalusischen Gerichtshofes in Granada vom 16.1.2009, in dem dieses betrügerische Vorgehen aufgedeckt wird.
2. www.tagesanzeiger.ch

Die SOC-Almeria arbeitet seit 10 Jahren daran, die harten sozialen- und Arbeitsbedingungen, denen die Arbeiterinnen und Arbeiter in dieser industriellen Landwirtschaft, die einen Grossteil des Gemüses für unsere Supermärkte liefert, ausgesetzt sind, bekannt zu machen. Mit der Hilfe von engagierten Journalisten und Forschern und mit Kampagnen, die vor Ort mit anderen Organisationen durchgeführt wurden (EBF, Gewerkschaften, Vereinen…), ist es ihm gelungen, diese, seit Jahren verdeckte Situation ans Tageslicht zu bringen und zum Thema zu machen. Einige Käufer forderten daraufhin von den Produzenten, sich auf gewisse soziale Normen untersuchen und sich vom BSCI oder GRASP1 ein Qualitätssiegel ausstellen zu lassen. Die SOC nahm an den Versammlungen dieser Organisationen teil und denunzierte die Begrenztheit dieser Art von Kontrollen, bei denen es meistens darum geht, das Image der Betriebe nach außen wieder zurecht zu rücken, nicht aber die Ausbeutung der ausländischen Arbeitskräfte in Frage zu stellen, geschweige denn zu verhindern2. Die SOC hat die Käufer aufgefordert, sich wirklich gegen die Menschenrechtsverletzungen einzusetzen. In den letzten Jahren hat sie bei zwei Unternehmen, die ihre Ware nach England und in die Schweiz exportierten, mit ihren Anklagen konkrete Ergebnisse erreicht. Es ist jedoch das erste Mal, dass eine Supermark-Kettet aufgrund eines Konfliktes und der Anschuldigung durch eine Arbeitergewerkschaft direkt die Wirtschaftlichkeit eines Unternehmens beeinflusst.

  1. BSCI (Business Social Compliance Initiative) und GRASP (Global Risk Assessment on Social Practices) stehen für einen von ihnen formulierten Verhaltenskodex, der eine gute soziale Praxis absichern soll. GRASP ist Mitglied der GLOBAL GAP Initiative, ein privater Verein, der Normen auf freiwilliger Basis aufgestellt hat, aufgrund derer man auf der ganzen Welt Landwirtschaftsprodukte mit einem Gütesiegel versehen kann. Dieses Siegel gilt als Referenz bezüglich der guten landwirtschaftlichen Praktiken (BPA). Es wird zurzeit in über 80 Ländern angewandt.
  2. Im Jahr 2010 ließ Bio Sol zweiunddreißig Betriebsprüfungen vom GRASP durchführen. Trotz all des Missbrauchs bei den Arbeitsbedingungen, konnten ihm diese zu einer Bestätigung für «gute soziale Praktiken» verhelfen.