Danilo Gay ist am 3. Januar 2025 in Lausanne 81-jährig verstorben. «Even dead he is still organising donations for us in Sarajevo», sagte Ines Tanović von der Hilfsorganisation Kompas aus Sarajevo an der Beerdigung von Danilo, die im kleinen Tal «Vallée de Joux» stattfand, von wo er stammte.
Das kleine 1900-Seelen-Dorf wurde regelrecht überrannt; es kamen an die 400 Menschen von Nah und Fern. Danilo war gut vernetzt und wurde enorm geschätzt und geliebt. Die Kirche war gerammelt voll. Da war natürlich die zahlreiche Familie und die vielen Menschen aus allen Lebensphasen von Danilo – darunter viele Menschen mit Migrationshintergrund und deren Kinder.
Er wuchs in einfachen Verhältnissen in einer grossen Familie auf. Sein Vater war Uhrmacher, wie viele in dieser Region. Weil er in der Schule durch gute Leistungen auffiel, machte er eine kaufmännische Lehre bei der Kantonalbank, wo er ebenfalls Erfolg hatte. Allerdings fehlte ihm bei der Arbeit ein tieferer Sinn; er fühlte sich zu etwas ganz Anderem berufen. Mehr und mehr zog es ihn in missionarische Tätigkeiten, die ihn und seine Frau Lisette aus Genf in die weite Welt führten. So wurde er in vielen Ländern tätig. In den 1970er Jahren verbrachte er längere Zeit mitsamt seiner Familie als Missionar im Kongo und danach viele Jahre in Quebec. Später war er auch in Russland aktiv.
In der Zeit seiner Pensionierung fand er zu einer neuen Aufgabe: Lisette und er entschieden sich, ihre Lebensenergie fortan zu einem grossen Teil für Migrant·innen aufzubringen. So kam es, dass Danilo eine ehrenamtliche Arbeit als Spendenbeschaffer für die ARAVOH1 in Vallorbe begann. Vallorbe ist eine kleine Ortschaft, wo ein Erst-Empfangs-Zentrum für Asylsuchende des Bundes steht. Die ARAVOH koordiniert die zahlreichen ehrenamtlichen Freiwilligen, die versuchen, den tristen Alltag der Asylsuchenden etwas menschlicher zu gestalten.
Im November 2019 besuchten er, seine Frau Lisette, ihre Tochter Joëlle und Enkel Samuel eine Informations-Veranstaltung, die wir im Rahmen vom Europäischen Bürger:innen Forum in Bern organisiert hatten. Drei junge aktive Frauen aus Bosnien und Kroatien kamen und berichteten über die Gräuel, die den Geflüchteten in dieser Gegend angetan werden. Sie berichteten über hunderte Push-Backs, die im Auftrag der Festung Europa durch die kroatische Grenzpolizei stattfinden. Unsägliche Gewaltanwendungen und Erniedrigungen der Schutzsuchenden sind hier an der Tagesordnung. Bosnien-Herzegowina wurde dadurch seit 2015 und der de facto-Schliessung des Schengenraums zum neuen Durchgangs- und Lebensort für Tausende von Geflüchteten. Danilo, Lisette, Joëlle und Samuel waren so empört und berührt, dass sie entschieden, sich persönlich mit der Lage dort auseinanderzusetzen und reisten kurzum hin. Während dieser ersten Reise machte Danilo eher zufällig Bekanntschaft mit Ines Tanović von der Hilfsinitiative Kompas[2]; eine starke Freundschaft sollte daraus entstehen. Fortan sammelten er und seine Nächsten mehrere zehntausend Franken für die neu geschaffenen Anlaufstellen für Geflüchtete in Sarajevo und Bihać von Kompas. Danilo war unermüdlich, um neue Kreise für die Unterstützung dieser Arbeit zu finden.
Das aussergewöhnlichste Ereignis in diesem Zusammenhang, an das ich mich erinnern kann, ist ein Solidaritäts-Bankett, das er in der Militärkaserne von Bière im Kanton Waadt organisierte. In einem gediegenen Ambiente, in der von Wappen und altertümlichen Waffen geschmückten Offiziersmensa, wurde uns ein mehrgängiges Spitzenmenü von einem bekannten, begnadeten Koch und einem Freiwilligenheer aufgetischt. Die meisten Anwesenden befanden sich sicher zum ersten Mal in einem derartigen Raum. Der beachtliche Gewinn des Anlasses ging natürlich an Kompas und andere Hilfsinitiativen in Bosnien.
Danilo war unermüdlich in seinem Engagement und konnte sogar noch, nach Bekanntwerden seiner Krankheit, das Fortbestehen seiner Arbeit aufgleisen; seine Tochter Joëlle und andere werden sein Werk fortsetzen. Die nächste Solidaritäts-Delegation wird sich jetzt Anfang Februar nach Bosnien-Herzegowina begeben.
In der Todesanzeige rief die Familie dazu auf, statt mit Blumen des Verstorbenen zu gedenken, Spenden auf das Konto des Vereins «Aide aux migrants en Bosnie» [3] zu überweisen. Danilo wird uns fehlen; seine unerschütterliche Energie, sein liebevolles Wesen, vereint in seinem zutiefst humanen und politischen Engagement.
Claude Braun, EBF Schweiz
PS. Ende 2023 führte der bekannte pensionierte TV-Moderator Jean-Philippe Rapp ein berührendes Interview mit Danilo vor einer Alphütte in der Vallée de Joux. Hier finden Sie es: www.valtv.ch/danilo-gay
ARAVOH, Association auprès des Requérants d’Asile Vallorbe Œcuménique et Humanitaire
Die zivilgesellschaftliche Initiative Kompas in Sarajevo versorgt seit 2016 tausende Menschen, die sich auf der Flucht auf der Balkanroute befinden mit den notwendigen Lebensmitteln, Wäsche, Schlaf- und Duschmöglichkeit. Auch juristische Hilfe wird angeboten. Siehe Artikel «Fegefeuer für Unerwünschte» von Ines Tanović im Archipel Nr. 336, Mai 2024.
Sie können sich gerne daran beteiligen: «Aide aux migrants en Bosnie», Avenue de Préfaully 15a, 1022 Chavannes-près-Renens, IBAN : CH74 0900 0000 1642 4290 0.