ÖSTERREICH / MIGRATION: Angriff auf die Zivilgesellschaft

von SOS Balkanroute Österreich, 17.06.2023, Veröffentlicht in Archipel 326

Im letzten Archipel berichteten wir über das Abschiebelager in Lipa in Bosnien-Herzegowina. Gebaut wurde es vom «Internationalen Zentrum zur Entwicklung von Migrationspolitik» (ICMPD) unter österreichischer Leitung. Das ICMPD klagt nun gegen die Hilfsinitiative SOS Balkanroute wegen Kreditschädigung beim Handelsgericht Wien. Hier die Mitteilung von SOS Balkanroute:

«Die SLAPP Klage[1] vom ÖVP-nahen Institut ICMPD (International Centre for Migration Policy Development) gegen uns ist nicht nur ein österreichischer Präzedenzfall und ein politischer Einschüchterungsversuch, wie man diese sonst aus Ungarn, Russland oder Serbien kennt. Es ist auch ein Angriff auf die gesamte österreichische Zivilgesellschaft», sagt Petar Rosandić, Obmann der SOS Balkanroute, zur angekündigten Klage des Instituts, das von Michael Spindelegger, ehemals österreichischer Vizekanzler und ÖVP-Vorsitzender, geleitet wird. Die Vertretung der kleinen Wiener NGO, die seit Jahren vor Ort humanitär Geflüchteten hilft und Grenzgewalt dokumentiert, wurde mittlerweile von der profilierten Medienanwältin Maria Windhager übernommen. «SLAPP- Klagen gegen NGOs häufen sich. Wichtig ist, sich nicht einschüchtern zu lassen, für Öffentlichkeit zu sorgen und sich gegenseitig zu unterstützen», schrieb Windhager auf Twitter.

ICMPD wollte eigenen Bau leugnen

«Als wir das Gefängnis in Lipa aufdeckten, wies das ICMPD jegliche Vorwürfe zurück und wollte nichts mit dem Bau von Haftzellen im bosnischen Lipa zu tun haben. Nachdem wir die Fotos und die schriftlichen Beweisstücke der Öffentlichkeit vorgelegt hatten, musste Leiter Michael Spindelegger in den österreichischen TV-Nachrichten Zeit im Bild (ZIB) zugeben, dass sie doch für den Bau verantwortlich sind. Das alleine sagt schon jeder/m, dass der Fisch vom Kopf her stinkt, abgesehen davon, dass der illegale Gefängnisbau bis heute weder eine Baugenehmigung, noch eine Rechtsgrundlage in Bosnien hat. Dies haben sowohl der kantonale Premierminister, der Bürgermeister der Stadt Bihać als auch der Menschenrechtsminister Bosnien-Herzegowinas in öffentlichen Statements bestätigt. Alle erwähnten Personen bezeichneten das Objekt öffentlich auch als das, was es ist: ein Gefängnis,» erklärt SOS Balkanroute und Rosandić erinnert in diesem Zusammenhang daran, dass die NGO sich an den Aussagen und Schriftstücken höchster Verantwortungsträger·innen und Behörden vor Ort orientiert hat.

Klagen statt Klarheit und Transparenz

«Anstatt endlich, wie auch von der Nationalratsabgeordneten Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne) gefordert, das Gefängnis für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen und für Klarheit und Transparenz in Österreich und Bosnien-Herzegowina zu sorgen, schmeisst das vom Innenministerium mit österreichischen Steuergeldern geförderte ICMPD weiter öffentlich Nebelgranaten und versucht vom eigentlichen Skandal abzulenken und kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen. Wir werden uns aber nicht mundtot kriegen lassen», kündigt Rosandić an. Er erinnert in diesem Zusammenhang auch an die veröffentlichten Erkenntnisse aus der Anfrage von Steffi Krisper (NEOS), die erneut nicht nur die ÖVP-Nähe des Instituts belegen, sondern auch viele Fragen punkto Sinnhaftigkeit der mit Steuergeldern geförderten Projekte aufwerfen. Unter anderem geht es dabei auch um ein mehr als nur umstrittenes Projekt vom ICMPD, das die Steuerzahlenden mit 270.000 Euro bezahlten und welches 33 abgewiesene nigerianische Asylwerber·innen zur Rückkehr bewegen sollte, wovon allerdings nur einer der Rückkehr zustimmte. (...)

SOS Balkanroute ruft zu Spenden auf, um sich die drohenden Prozesskosten leisten zu können. Die Wiener NGO bittet um Geldspenden: «Wir werden und müssen gewinnen, weil es nun um viel mehr geht als um das Skandal-Gefängnis in Lipa selbst. Es geht nun auch darum zu verhindern, dass in Österreich Zustände wie in autokratisch geführten Ländern wie Ungarn, Serbien und Russland salonfähig werden», so Rosandić .

Rückfragen & Kontakt: team@sos-balkanroute.at

1.SLAPP (engl. strategic lawsuit against public participation (Strategische Klage gegen öffentliche Beteiligung; engl. Slap: Ohrfeige, Schlag ins Gesicht) ist ein Acronym für eine rechtsmissbräuchliche Form der Klage, die den Zweck hat, Kritiker·innen einzuschüchtern und ihre öffentlich vorgebrachte Kritik zu unterbinden.