LAUTSPRECHER SCHWEIZ: Strafe gegen Flüchtlingshelferin reduziert

von FCE, 10.12.2019, Veröffentlicht in Archipel 287

Nach der Berufungsverhandlung vom 10. September 2019 gegen die ehemalige Kantonsabgeordnete Lisa Bosia Mirra, wegen Beihilfe zum illegalen Grenzübertritt in zwanzig Fällen1, verkündete das Appellationsgericht in Locarno (Tessin) am 15. Oktober das Urteil. Lisa Bosia Mirra hatte im September 2016 vorwiegend unbegleiteten minderjährigen Migrant·inn·en aus Eritrea und Syrien über die Grenze in die Schweiz verholfen und zeitweise bei sich beherbergt. Die Strafe wurde im jetzigen Urteil stark reduziert. Das ursprüngliche Bussgeld von 8‘000 Schweizerfranken aus der ersten Instanz vermindert sich auf 2‘000 Franken. Die Flüchtlingshelferin wird vom Vorwurf der Begünstigung des illegalen Aufenthalts frei gesprochen und das Gericht hält ihr zu Gute, dass sie aus humanitären Motiven gehandelt hat. Das Gericht hält fest, dass es nicht strafbar sei, einen Menschen ohne Aufenthaltsgenehmigung ein paar Tage zu beherbergen, Nahrung anzubieten und einer ausländischen Person ohne gültige Papiere, die die Grenze überschreiten will, mit medizinischer Hilfe oder juristischer Beratung zur Seite stehen. So bleibt einzig die Verurteilung wegen Beihilfe zum illegalen Grenzübertritt gegen die ehemalige Kantonsrätin bestehen. Das Urteil ist ein Schritt in die richtige Richtung. Doch die Gerichte sollten gänzlich aufhören, Flücht-lingshelfer·innen zu verfolgen, die schutzsuchende Menschen aus humanitären Gründen unterstützen. Es gibt jetzt schon die Möglichkeit im Strafgesetzbuch, eine Strafe aufzuheben, wenn der/die Beschuldigte eine andere Person aus einer unmittelbaren, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leib und Leben retten wollte und/oder aus achtenswerten Beweggründen handelte. Für eine von Solidarité sans Frontières und Amnesty International lancierte Petition, welche die Abschaffung des «Solidaritätsdelikts» in der Schweiz verlangt, kamen über 20‘000 Unterschriften zusammen – ein gutes Zeichen dafür, dass viele Menschen nicht mehr akzeptieren, dass Hilfe für Schutzsuchende vor Gericht enden soll.

  1. Siehe Archipel, Oktober 2019