Zurzeit erlebt ein Thema, dessen Grundidee Jahrhunderte alt ist, eine Renaissance in der gesellschaftlichen Diskussion und politischen Auseinandersetzung: die Debatte um so genannte Commons, im Deutschen oft mit Allmende oder Gemeingüter übersetzt.
Die vielfältigen Krisen, denen wir uns in den letzten Jahren gegenüber konfrontiert sahen, führen zu einem wachsenden Bedürfnis zahlreicher Menschen, nach Alternativen zur derzeitigen Wirtschafts- und Sozialordnung zu suchen. Zur Lösung von Problemen oder als Ausweg aus der Krise werden in der öffentlichen und politischen Debatte zumeist nur zwei Wege gesehen: staatliche Regulierung und/oder Wettbewerb.
Das Konzept der Commons wird hierbei oftmals vergessen, könnte jedoch neue Türen öffnen, um einen Ausweg aus der Krise zu finden. Vor allem bietet das Konzept der Commons auch eine Alternative zu dem Trend, der sich spätestens seit dem Aufkommen des Neoliberalismus durchsetzte: In den letzten Jahrzehnten wurde fast alles, was wir zum Leben brauchen, privatisiert, zur Ware gemacht und einer , unterworfen. Dass dies häufig auf Kosten von Gesellschaft und Umwelt geht, zeichnet sich immer deutlicher ab. Das Konzept der Commons bietet einen Gegenentwurf, der sowohl den Bedürfnissen der Menschen als auch der Erhaltung natürlicher Ressourcen Rechnung trägt.
Was meint der Begriff der Commons überhaupt?
Commons unterscheiden sich von Gütern und Nicht-Gütern, die sich in Privatbesitz befinden und beispielsweise über den Markt organisiert werden, aber auch von solchen Gütern und Nicht-Gütern, die vom Staat bereitgestellt werden. Commons bilden einen Bereich jenseits von Markt und Staat, in dem Menschen ihre Lebenswelt gestalten und das, was sie zum Leben brauchen, selbst herstellen. Dadurch bietet das Konzept mehr Entfaltungsmöglichkeiten für den Einzelnen und bessere Lebensbedingungen für alle. Commons stehen aber nicht «gegen» Markt und Staat oder für deren Überwindung. Es geht vielmehr um ein neues Verhältnis zwischen Markt, Staat und solidarischen Wirtschafts- und Lebensformen. Was als Common gelten kann und was nicht, ist dabei nicht abhängig von der Art des Gutes oder Nicht-Gutes, sondern von dessen Nutzung. Es handelt sich um eine spezifische Art von Beziehung zwischen Menschen oder zwischen Menschen und Dingen. Bei diesen Beziehungen geht es vor allem um die kollektive Nutzung gemeinsamen Eigentums als Alternative zu Privatbesitz. Ressourcen werden dabei dauerhaft gemeinsam genutzt, anstatt sie anderen vorzuenthalten. Die Beziehung ist dabei geprägt durch die Idee, beizutragen anstatt zu tauschen. Dadurch wird die unsere Gesellschaft sonst oft prägende Logik überwunden, nach der nur dann etwas geleistet wird, wenn dafür direkt etwas genommen werden kann.
Voraussetzung
Voraussetzung für die Existenz von Commons ist die Community, die NutzerInnengemeinschaft, die die Commons herstellt, pflegt und erhält, anstatt sie der Freibeuterei zu überlassen. Dieses kollektive Handeln wird als commoning bezeichnet und weist darauf hin, dass Commons nicht von selbst existieren und ohne die aktive Beteiligung der NutzerInnen nicht bestehen können. Commons können weder ge- noch verkauft werden, man muss sie herstellen und pflegen. Auch ist es die NutzerInnengemeinschaft selbst, welche die Regeln der Nutzung festlegen und deren Einhaltung kontrollieren. Der Umgang mit den Ressourcen ist damit weitgehend selbstorganisiert, anstatt fremdbestimmt. Es gibt also nicht «das eine Modell» der Commons, sondern kann durch die NutzerInnen beliebig gestaltet werden. Auch öffentliche Institutionen und Unternehmen können einbezogen werden. Im Gegensatz zum Konkurrenzdenken der Marktwirtschaft ist das commoning geprägt von Kooperation: Bezüglich der Gestaltung und Pflege der Ressourcen, aber auch bezüglich des Nutzens, der sich durch das Konzept der Commons verteilt, anstatt sich zu konzentrieren. Dies stärkt den sozialen Zusammenhalt und hat positive Auswirkungen auf soziale Beziehungen und damit auf die soziale Qualität einer Gesellschaft.
The tragedy of the commons
Das von KritikerInnen häufig kreierte Horrorszenario der «tragedy of the commons» erweist sich dabei als unbegründet. Dieses Szenario setzt Gemeingüter fälschlicherweise mit Niemandsgütern gleich, die sich in einem regellosen Raum befinden und für die sich niemand zuständig fühlt. Dies zielt jedoch an der Idee der Commons vorbei und spiegelt zudem ein Bild des unmündigen, lethargischen Bürgers, der ausschließlich an der Maximierung seines eigenen Nutzens interessiert ist, wider, welches grundsätzlich in Frage zu stellen ist. Auch die Angst, dass die eigene Freiheit durch die Freiheit anderer zwangsläufig eingeschränkt wird, ist unbegründet, da doch gerade die Entfaltung aller die Bedingung für die Entfaltung des Einzelnen ist.
Das Leben in die eigene Hand zu nehmen
In der Natur finden sich Commons beispielsweise in Form von Boden, Wasser, Wälder, Artenvielfalt und Luft. Jeder Mensch hat einen Anspruch auf Teilhabe an diesen Dingen, ist aber auch dafür verantwortlich, diese zu pflegen und zu erhalten. Ebenso müssen soziale und kulturelle Gemeingüter von Menschen aktiv gepflegt werden, etwa öffentliche Plätze und Parks, Feiertage und -abende, Sprache, Erinnerung, Gebräuche und Wissen. Das Konzept der Commons erfordert damit auch ein Umdenken: An die Stelle der Anspruchshaltung, etwas über den Markt oder Staat zur Nutzung zu Verfügung gestellt zu bekommen, tritt die Aufgabe, diese Ressourcen selbst herzustellen, zu gestalten und zu erhalten. Während öffentliche Güter eine starke Rolle des Staates erfordern, bedürfen Gemeingüter vor allem mündige BürgerInnen. Das Konzept der Commons zu leben bedeutet vor allem, das Leben in die eigene Hand zu nehmen. Dabei ist jede und jeder aufgefordert, die Verantwortung als NutzerIn und MitbesitzerIn wahrzunehmen, um Freiheit und Gemeinschaftlichkeit zu gewinnen. Und um die vielen großen und kleinen Dinge des alltäglichen Lebens so zu gestalten, dass wir alle darin ein gutes Leben führen können.
Dieser Text ist auf der Webseite der Grünen Bildungswerkstatt Wien im Juni 2010 erschienen.
Informationen rund um Commons
finden sich auf der Homepage von
Brigitte Kratzwald