Im Juni 2011 hat Kolumbien ein Gesetz für die Opfer der Landvertreibungen erlassen, mit dem diese ihre Rechte zurückerhalten und für die Ermordung ihrer Angehörigen entschädigt werden sollten und auch für den ökonomischen Schaden, der entstanden ist, weil sie alles zurücklassen mussten, um ihr Leben zu retten. Teil 2.
Das Gesetz wurde leider nicht wirklich umgesetzt, was zum Einen an der schwachen Struktur der Justizbehörden lag, aber auch an deren mangelndem politischen Willen und der Gewalt, die von paramilitärischen Gruppen auf dem Land ausgeübt wird. Diese Gruppen wurden von Alvaro Uribes Regierung amnestiert, und heute wenden kriminelle Nachfolgeorganisationen die gleiche Gewalt wieder an.
Die Organisation «Human Rights Watch» hat diese Tatsache am 17. September 2013 in einer Erklärung ihres Direktors für Lateinamerika, José Manuel Vivanco, bestätigt: «Enteignungen und Bedrohungen werden in Kolumbien nicht bestraft». In den zwei Jahren seit der Verabschiedung des Gesetzes wurden in Kolumbien 71 Anführer der Bewegung für die Rückerstattung des Bodens von paramilitärischen Gruppen ermordet. «Wenn Kolumbien die Verfolgung dieser Verbrechen nicht garantiert, sind die Betroffenen auch in Zukunft von Mordanschlägen bedroht», fasst Vivanco zusammen.
Die Rückerstattung von rund sieben Millionen Hektar Land an 5,5 Millionen Personen wird von Vielen in Anbetracht der langsamen Funktionsweise der Justiz und der Drohungen von Großgrundbesitzern und Drogenhändlern als hoffnungslos betrachtet . Nach Angaben von Human Rights Watch konnte nur eine Familie im Zeitraum dieser zwei Jahre nach einem Gerichtsurteil auf ihr Land zurückkehren. Alirio Uribe von dem Rechtsanwaltskollektiv «Jose Alvear Restrepo», das seit 35 Jahren die Opfer des Krieges in Kolumbien vertritt, erklärte dazu: «Was die Regierung für die Rückerstattung des Bodens und die Entschädigung der Opfer unternimmt, ist bedenklich: Bei der heutigen Umsetzung wird der Prozess 40 Jahre dauern. So lange die Opfer nicht auf der politischen Agenda stehen, wird es keinen Frieden in Kolumbien geben. Viele befürchten, dass ein Friedensvertrag mit den FARC auf ihre Kosten geschlossen wird. Die Geheimverhandlungen gefährden jegliche Garantie für die Umsetzung ihrer Rechte.»
Keine Veränderung
Wie es aussieht, ist Kolumbien nicht auf dem Weg, seinen Landwirtschafts- und Bodenkonflikt zu lösen. Einerseits kündigt die Regierung Maßnahmen zum Schutz der Kleinbauern, der Indios, der schwarzen Bevölkerungsgruppen und der Opfer des kolumbianischen Krieges an, andererseits reicht sie großzügig die Hand den Großgrundbesitzern, den multinationalen Konzernen und den Landräubern. Dies trifft auch auf die letzten zwei Jahre zu, in denen die illegalen und blutigen Landvertreibungen angeprangert wurden, der Boden aber dennoch an Großgrundbesitzer verkauft wurde, wobei die Regierung einfach wegschaute. Ein Beispiel dafür ist die «Hacienda Bellacruz» wo der ehemalige Botschafter Kolumbiens bei der EU mehr als 600 Bauern mit Gewalt und Feuer vertrieben hat. Als er daraufhin durch den Druck belgischer Organisationen seines Amtes enthoben wurde, hat er einen Teil dieses Landes an den Besitzer der größten kolumbianischen Luftfahrtgesellschaft, German Efromovich verkauft, der angesichts der Forderungen der Opfer erklärte, dass «sein Land die Menschenrechte nicht verletzt.»
Es ist nur einige Monate her, dass der kolumbianische Botschafter in den Vereinigten Staaten und persönliche Freund des Präsidenten Santos, Carlos Uribe, ebenfalls zurücktreten musste, nachdem der Abgeordnete der Linkspartei «Partido Democratico», Wilson Arias, denunziert hatte, dass dessen Anwaltsbüro und er selbst vor seiner Amtsübernahme den kolumbianischen Staat um 42.000 Hektar Land zugunsten des Konzerns Cargill beraubt hatte. Dieses Land war per Gesetz den landlosen Bauern zugesprochen worden. Alles weist darauf hin, dass der Kongress ein Gesetz vorbereitet, um dieses Delikt zu legalisieren, «damit die großen Investoren sich auch weiterhin in Kolumbien engagieren».
Gegen die Bevölkerung
Was der nationalen und internationalen Öffentlichkeit über Kolumbien gesagt wird, ist etwas anderes als das, was in Wirklichkeit geschieht. Der Staat ist in der Hand von Menschen, die einzig im Interesse des großen Kapitals regieren und Gesetze erlassen, wobei sie vollständig die Bevölkerung übergehen. Die Landvertreibungen und der Agrarkonflikt, die seit ungefähr zwei Jahrhunderten andauern, können nicht in kurzer Zeit beendet werden, so lange keine Agrarreform stattfindet, die die Achtung aller Rechte der Landbevölkerung garantiert. Auch mittelfristig ist keine Lösung in Sicht, nachdem die Regierung Santos mit allen Mitteln die massive Ausbeutung der natürlichen Reichtümer des Landes vorantreibt, wodurch die Bevölkerung ganzer Regionen entwurzelt und der Konflikt zusätzlich angeheizt wird, selbst wenn es zu einem Friedensvertrag mit den FARC kommt. So lange Kolumbien die Bevölkerung übergeht und sie in ihren Rechten behindert, während gleichzeitig gewalttätige Gruppen straflos töten und rauben, wird die Verletzung der Menschenrechte ungebremst weitergehen. Kolumbien ist bereits das Land, in dem am meisten Gewerkschafter ermordet wurden und in dem die Anzahl der Verschwundenen höher ist als in Chile oder Argentinien zur Zeit der Diktaturen.
(1) Kolumbianische Journalistin, Spezialistin für Menschenrechte, Pressesprecherin der Organisation Oidhaco und Mitglied des Komitees Daniel Gillard