Nach unserem Aufenthalt in Griechenland letzten Mai berichteten wir bereits kurz über den Widerstand gegen die Privatisierung der lokalen Wasserversorgung in Thessaloniki (siehe Archipel 216). Damals lernten wir Kostas Nikolaou* kennen, einer der Koordinatoren und Sprecher der Initiative 136. Er schildert uns die aktuelle Situation.
Ich bin in der Bewegung für eine soziale und solidarische Ökonomie engagiert. Dazu gehört auch die IInitiative 1366, die den Kampf gegen die Privatisierung der Wasserverwaltung und der Behandlung der Abwässer im Raum von Thessaloniki führt. Unser Projekt ist, diese mittels Kooperativen der Bevölkerung zu übergeben. Thessaloniki ist die zweitgrösste Stadt Griechenlands mit über einer Million Ein-wohner_innen.
Diese Privatisierung ist Teil eines weit verbreiteten Phänomens im heutigen Griechenland, das nicht nur das Wasser oder die Gemeindeverwaltung betrifft. Es geht um verschiedenste Sektoren die staatlich verwaltet werden sollen, wie zum Beispiel die Evaluierung der Umweltschädlichkeit einer Fabrik oder eines Hotels vor deren Baubeginn. Bis jetzt wurde diese Arbeit von Staatsbeamten durchgeführt, aber nun sollen private Unternehmen diese Verantwortung übernehmen; das ist total unakzeptabel.
Das öffentliche Unternehmen Eyath, welches das Wasser in Thessaloniki verwaltet und verteilt, ist mit einem Umsatz von 75 Millionen Euro und einem jährlichen Profit von ungefähr 20 Millionen sehr rentabel. Es bekommt keine staatlichen Subventionen. Wo ist das Problem? Das Unternehmen funktioniert gut. Es gehört zu 75 Prozent dem Staat und zu 25 Prozent dem Privatsektor. Jetzt will die Taiped1 51 Prozent von Eyath verkaufen. Die Frage ist: «Warum?» Der Kaufpreis wird auf 80 bis 100 Millionen Euro, das ist der Gewinn von einigen Jahren, geschätzt - die Investition ist also sehr interessant für ein Privatunternehmen. Erst recht, wenn der Wasserpreis erhöht wird, wie das von diesen Gesellschaften meistens gemacht wird. Überall auf der Welt führt die Privatisierung zu Preiserhöhungen und meistens zu einer Verminderung der Qualität. Sobald es sich nicht mehr um ein öffentliches Unternehmen handelt, verlieren manche Familien den Zugang zum Wasser. Außerdem wird ein Teil der Belegschaft sicher entlassen werden.
Die Initiative 136 Die Initiative entstand im Jahr 2011. Zuerst um die Privatisierung anzuprangern und dann, als die Regierung nicht davon abkam Eyath verkaufen zu wollen, abzusichern, dass die Wasserverwaltung in die Hände der Bürger_innen kommt, in Form einer Union von nicht gewinnorientierten Kooperativen, die alle Bürger_innen vereinigen. Wenn jeder Haushalt 136 Euro beisteuert, gibt das die Summe des Kaufpreises; daher der Name 136.2
Wir sind dabei, in jeder Gemeinde der Stadtregion von Thessaloniki Kooperativen zu gründen, die wiederum die «Union der Bürger_innen für das Wasser» gebildet haben. Diese Kooperativen sollen das Unternehmen kaufen. Da wir kein Geld zur Verfügung haben, fanden wir in den Vereinigten Staaten, Großbritannien, Deutschland, Frankreich, Italien, Dänemark und Norwegen, 22 Finanzinstitutionen3 mit ethischen Grundsätzen, die einverstanden sind, uns das Geld vorzustrecken, wenn der Staat unseren Vorschlag annimmt. Sie gewähren den Familien, die sich am diesem Kauf durch das Volk beteiligen möchten, aber nicht die nötigen Mittel haben – was aufgrund der Krise der Fall von sehr vielen ist - Mikrokredite von 136 Euro. Auf diese Weise verschulden sich die Kooperativen nicht durch den Kauf; das ist sehr wichtig. In der Tat gewähren diese Institutionen den Bürger_innen das Geld direkt in Form eines Mikrokredits. Es gibt eine Gruppe von Berater_in-nen, die in solchen Sachen bereits Erfahrung haben, in England und auch anderswo. Sie haben Programme, mit denen das verwaltet werden kann.
In der Tat sind es diese Institutionen, die Kontakt mit uns aufgenommen haben, weil sie von unserem Kampf für die Beibehaltung der öffentlichen Kontrolle über die Wasserverwaltung beeindruckt waren. Wir sind Teil einer europäischen Bewegung gegen die Privatisierung, sind also auch außerhalb Griechenlands bekannt. Sie haben angeboten, uns zu helfen.
Bis jetzt gibt es vier Kandidaten für den Kauf: Suez mit einer griechischen Gesellschaft, ein griechisch-russisches Unternehmen, eine israelische Gesellschaft und die Initiative 136.
Effiziente Arbeitsweise Unser Vorschlag ist, das Unternehmen Eyath, so wie es jetzt ist, beizubehalten, mit seinen Angestellten, seinen Technikern und Ingenieuren und mit denselben Direktoren, weil dieses Team gut zusammenarbeitet. Wir denken, dass es möglich ist, es sogar noch effizienter zu verwalten und so die Kosten zu senken. Die Prinzipien, nach denen wir arbeiten würden, sind hohe Wasserqualität, niedrige Preise, Umweltschutz, demokratische Vorgehensweise und soziale Gerechtigkeit.
Diese Herangehensweise ist neu für Griechenland und auch für den Rest von Europa, ja selbst auf der ganzen Welt wenig bekannt: eine neue soziale und solidarische Wirtschaft. Die Initiative136 ist gegen die Privatisierung des Wassers, meint aber auch, dass der Staat und die Regierung diese Arbeit nicht gut machen und es auch darum besser wäre, wenn das Volk sie übernehmen würde. Das Gleiche gilt für die städtische Abfallversorgung und könnte auch für die Ernährungspolitik gelten. Wenn wir das Rennen gewinnen, wäre das die weltgrößte Agglomeration mit einer Verwaltung durch die Bürger_innen. Es gibt jedoch zahlreiche kleinere Gemeinden, die so ein Verwaltungssystem bereits integriert haben. Umfragen zeigen, dass 75 Prozent der Bevölkerung dem Vorschlag der Initiative 136 positiv gegenüberstehen. Außerdem sind alle Gemeinden von ganz Thessaloniki gegen die Privatisierung und unterstützen unsere Idee, wenn Eyath verkauft werden soll. Ich glaube, dass die Geschichte dieses Kampfes um das Wasser dazu beitragen wird, die soziale und solidarische Herangehensweise an wirtschaftliche Projekte zu fördern.
Der Kampf geht weiter Zurzeit schließt die Taiped die Initiative 136 von der zweiten Phase des Wettkampfes aus, ohne diese Entscheidung zu begründen. Das ist unakzeptabel. Aber unser Kampf ist nicht zu Ende. Wir führen ihn sowohl auf rechtlicher als auch auf gesellschaftlicher Ebene weiter. 1.500.000 Bürger_innen Europas haben eine Petition gegen die Privatisierung des Wassers unterschrieben, woraufhin die Europäische Kommission verkündet hat, dass sie nicht eine Politik betreibt, die den Mitgliedstaaten die Privatisierung des Wassers aufzwingt.
Die Initiative 136 ist dabei, in allen Stadtteilen und Gemeinden von Thessaloniki Kooperativen zu gründen (bis heute gibt es sechs), aber auch «Solidarität 136», eine weitere Kooperative, bei der jede Person, die in einem anderen Teil von Griechenland oder in einem anderen Land lebt, solidarische_r Aktionär_in werden kann.
Informationen unter: www.136.gr und www.europeanwater.org
*Kostas Nikolaou ist Professor für Umweltwissenschaften an der Universität Paris VII, arbeitet für Landschaftsplanung und Umweltschutz in Thessaloniki und unterrichtet Stadtplanung an der offenen Universität von Griechenland.
- Eine anonyme Gesellschaft, die von der griechischen Regierung und der Troïka (Europäische Zentralbank, Europäische Kommission und Internationaler Währungsfonds) gegründet wurde, um ein Privatisierungsprogramm der staatlichen Güter durchzuführen, das zur Verminderung der Staatsschulden beitragen soll.
- Die Zahl der Wasserzähler wird auf 520.000 geschätzt.
- Unter anderen die Crédit Coopératif in Frankreich, die Banca Etica in Italien, die GSL Gemeinschaftsbank in Deutschland, die Cooperative Banking Group und die Ecology Building Society in Großbritannien…