FEMINISMUS / MIGRATION: Auf nach Nizza!

von Pinar Selek, 09.04.2021, Veröffentlicht in Archipel 302

Am 5. Juni findet eine transnationale feministische Aktion in Nizza statt. „In der Tat ist der Feminismus, wenn er richtig praktiziert wird, ein Zauberstab, der das Leben aller verändern könnte. Aber das kann nur geschehen, wenn wir es schaffen, unsere feministische Theorie immer wieder neu aufzubauen, indem wir mit anderen sozialen Bewegungen zusammenarbeiten.“ (bell hooks)

Wir begrüssen den Frühling mit einem Paukenschlag. In dieser militarisierten Welt, auf diesem, in ein grausames Warenlabor verwandelten Planeten, der unter der Zentralisierung des Reichtums, der Ausbeutung und der Kommodifizierung alles Lebendigen leidet, stellen die aktuellen feministischen Kämpfe eine der grossen Hoffnungen dar. Indem sie autonome Räume und unkontrollierbare Netzwerke schaffen, gelingt es ihnen, eine Vielfalt von Möglichkeiten zu erkunden und in vielgestaltigen Mobilisierungen neu zu konvergieren.

Das Zusammenspiel verschiedener Räume und Erfahrungen führt natürlich zur Vervielfältigung von Gruppen, Strategien, Allianzen und Debatten. Wir haben mehr Werkzeuge, mehr Erfahrungen, mehr Möglichkeiten zum Nachdenken und Kämpfen. Argentinische Feministinnen globalisieren den feministischen Streik, kurdische Frauen arbeiten an einem neuen autonomen Leben unter den Bomben, zapatistische Frauen bereiten ihre Boote vor, um ihr Feuer im Juli nach Europa zu bringen.

Und wir, die in Europa lebenden Feministinnen, bereiten die grosse transnationale feministische Aktion in Nizza am 5. Juni vor, um gemeinsam unseren Widerstand gegen die europäische Politik der Grenzschliessungen zum Ausdruck zu bringen und zu verstärken.(1) Da diese Politik auf europäischer Ebene organisiert ist, findet auch unsere feministische Aktion auf dieser Ebene statt.

Ja in Nizza. Ja, bald. Ja, eine grosse transnationale feministische Aktion. Ja, gegen die Grenzen! Wir, Feministinnen, die in Europa leben, aus allen sozialen Verhältnissen und allen Altersgruppen, unabhängig von unserer Herkunft, unseren Lebenswelten, wir erheben unsere Stimmen, um zu sagen: „Nein! Ihr repräsentiert uns nicht – wir wollen nicht mehr, dass uns eure Mauern umgeben! Denn politische Grenzen sind eine virile und militaristische Konstruktion, das Ergebnis von Kriegen und Morden.“

Am 5. Juni werden wir in mehreren Sprachen erklären, wie diese Politik der Kriminalisierung der Migration durch die Verstärkung des repressiven Arsenals nur die mafiösen Ökonomien entwickelt, in denen sich alle Formen der Gewalt gegen Exilierte, insbesondere Frauen und alle Menschen, die sich nicht der patriarchalen Ordnung anpassen, artikulieren. Wir werden sichtbar machen, was nicht sichtbar ist. Gemeinsam mit Zehntausenden von Feministinnen aus ganz Europa werden wir Tausende von Drachen in Richtung der Grenzen steigen lassen: für die Bewegungsfreiheit auf dem Planeten, für ein Europa ohne Mauern, für ein würdevolles Willkommen und die Anerkennung der Asylgründe speziell für Frauen, Lesben und alle Menschen, die nicht der patriarchalen Ordnung entsprechen. Wir werden singen, tanzen, uns ausdrücken.

Bereiten Sie diese schöne Aktion am 5. Juni mit uns vor. Seien Sie Teil dieser unglaublichen Erfahrung. Seien Sie Teil des Lebens, das widersteht.

Pinar Selek, Kämpferin der Poesie, Soziologin, Forscherin, Autorin, Universitätsprofessorin in Nizza