DOSSIER FRONTEX : Von Biometrie bis Satelliten

von Matthias Monroy, 14.02.2012, Veröffentlicht in Archipel 200

Von den neuen Technologien profitiert neben der «Grenzschutzagentur» Frontex vor allem der Industriesektor Homeland Defence, dem hohe Wachstumsraten prognostiziert werden.

Die Datensammlungen der Europäischen Union und ihrer 27 Mitgliedstaaten bedeuten beträchtliche Investitionen in Speichersysteme, Netzwerktechnik oder langjährige Wartungsverträge.
Im Oktober nahmen beispielswei-se deutsche Konsulate in Nordafrika die EU-Datenbank VIS in Betrieb, mit der bei jedem Visumsantrag biometrische Daten erfasst werden. Auch die Einführung biometrischer Passdokumente innerhalb der EU verlangt die Anschaffung neuer Fingerabdruck-Scanner zu ihrer Erstellung sowie zum Auslesen bei Polizeikontrollen.
Zusammen mit dem Upgrade des Schengener Informationssystems (SIS II) und der Fingerabdruckdatenbank (Eurodac) wird das VIS bald von einer eigens hierfür errichteten IT-Agentur verwaltet. Hinzu kommt die Installation eines biometriegestützten Ein- und Ausreiseregisters. Damit soll die Zahl sogenannter «Overstayer» buchhalterisch erfasst werden, also MigrantInnen, die zur temporären Arbeitsaufnahme in die EU eingereist sind und länger bleiben. Gleichzeitig können sich «Vielreisende» vorab registrieren lassen: Durch die freiwillige Aufgabe von Privatheit erkaufen sich «Drittstaatsangehörige mit niedrigem Risikoprofil» das Privileg, an «automatischen Kontrollgates» zukünftig schnell und diskret in die EU einreisen zu können.
Grenzübergänge an den Landgrenzen werden gleichzeitig gegen unerwünschte «Drittstaatsangehörige» aufgerüstet. Beschafft wird milliardenschweres High-tech border surveillance equipment, darunter Wärmebildkameras, Röntgengeräte zum Durchleuchten von Lastkraftwagen, Patrouillenboote oder Helikopter. Auch der Grenzverlauf wird militarisiert: Damit beispielsweise Rumänien die Kriterien zur Aufnahme in den Schengen-Verbund erfüllt, hat der Rüstungskonzern EADS die über 3.000 Kilometer lange Land- und Seegrenze mit einem Grenzsicherungssystem ausgerüstet. Enthalten sind Informationstechnologie, kabelgebundene Kommunikation, Daten- und Sprachkommunikation, mobile Geräte, Funkstationen, logistischer Support, Trainings für Spezialisten und Endnutzer sowie die Administration der Systeme.
Längst ist auch die Satellitenaufklärung zum automatisierten Erkennen langsam fahrender Boote mit Flüchtlingen auf dem Mittelmeer in die Migrationsabwehr integriert. Frontex unterhält Forschungsprogramme für den Einsatz robotischer Fahrzeuge und fliegender Kameras zur Überwachung der Landgrenzen.
Ab 2014 werden zuerst die Seegrenzen der EU innerhalb des Grenzüberwachungssystems EUROSUR zusammengeschaltet. Nach und nach sollen die Landgrenzen folgen. Sämtliche relevante Aufklärungsdaten fließen dann im Hauptquartier der EU-Grenzschutzagentur Frontex in Warschau zusammen.
In Deutschland wird über die begehrte digitale Technik auf dem Europäischen Polizeikongress gehandelt, der jedes Jahr im Berliner Congress Center stattfindet. Diese «größte internationale Fachkonferenz für Innere Sicherheit in Europa» kostet die aus- richtende Verlagsgruppe des Behörden-Spiegel nichts, denn sie wird von der Industrie finanziert. Die Hersteller von biometrischen Werkzeugen, Drohnen, Wärmebildkameras, Röntgengeräten oder ganzer Monitoring Centres kaufen sich Redezeit und preisen ihre Produkte an, zu deren Vorführung sie an den Verkaufsstand einladen.