COSTA RICA: Ein Staudammprojekt und indigene Landrechte

von Christoph Campregher(Auslandsdiener Finca Sonador/Costa Rica), 20.01.2006, Veröffentlicht in Archipel 132

Aneinander grenzend liegen die drei Territorium im Brunca-Gebirge des Kantons Buenos Aires. Buenos Aires beheimatet nicht nur sechs Indigena-Territorien und damit die größte Anzahl an indigener Bevölkerung in Costa Rica, sondern ist gleichzeitig auch einer der ärmsten und wirtschaftlich am wenigsten entwickelten Kantone des Landes.

Costa Rica gelangte im letzten Jahr vor allem durch Korruptionsskandale immensen Ausmaßes in die internationalen Schlagzeilen. Gegen die letzten drei Präsidenten der mittelamerikanischen Vorzeigedemokratie wurden, neben ande-ren politischen Funktionären, Korruptionsvorwürfe erhoben. Der traurige Höhepunkt bisher war der Rücktritt Miguel Angel Rodriguez als Präsident der Organisation Amerika-nischer Staaten (OAS) und seine darauf folgende Verhaftung am Flughafen San Josés im vergangenen Oktober. Die Tageszeitung La Nación ortet die „größte politische Krise seit dem Bürgerkrieg“ . Und diese ist symptomatisch. Das seit dem Bürgerkrieg im Jahr 1948 sozialdemokratische Entwicklungsmodell Costa Ricas förderte die intensive Verstrickung von staatlichen Institutionen und der nationalen Wirtschaft und konzentrier-te die ökonomische und politische Macht in den Händen weniger mächtiger politischer Familien rund um die zwei Großparteien PLN und PUSC1. Mitte der 1980er Jahre musste Costa Rica auf Druck des IWF und der Welt-bank umschwenken und fährt seitdem einen neoliberalen Wirtschaftskurs. Viele der führenden Politiker, die seitdem Privatisierungen staatlicher Unternehmen und Abbau von Sozialleistungen durchgeführt haben, sind heute Aktienhalter und Teilhaber großer costaricanischer Unternehmen, die genau davon profitierten.

Die derzeitige Regierung unter Präsident Pacheco nimmt eine führende Rolle in der Umsetzung neoliberaler Politik in Mittelamerika ein. Die aktuellen wirtschaftspolitischen Großprojekte für Mittel-amerika heißen PPP und TLC. Der Entwicklungsplan Plan Puebla Panamá ging von Mexiko aus. Er soll Zentralamerika durch drei Korridore verbinden, die ursprünglich von Puebla, Mexiko bis Panama reichen sollten. Korridor I sieht den Ausbau von großen Verbindungsstras-sen sowie der Infrastruktur vor, um Fabriken arbeitsintensiver Industrien anzu-siedeln und den Transport von Rohstoffen und Exportprodukten zu erleich-tern. Korridor II zielt auf die systematische Erschließung der Biodiversität Zentralamerikas. Der dritte Korridor soll die Energieversorgungsnetze der einzelnen Länder verbinden und mehrere Wasserkraftwerke errichten, um den Energieexport zu fördern. Komplementär dazu soll ein Freihandelsvertrag (Tratado de Libres Comercios) zwischen den mittel-amerikanischen Staaten, Mexiko und den USA große Investitionen ermöglichen und den Handel mit Waren, Energie und Patenten schützen.

Vorsicht ist immer dort geboten, wo ökonomisch starke Nationen mit kleineren einen Freihandelsvertrag eingehen. Und so wehrt sich die costaricanische Zivilbevölkerung bisher dagegen.

Im Rahmen des PPP verspricht sich nun auch die staatliche Elektrizitätsgesellschaft ICE ausländische Investitionen, um den größten Stausee zur Elektrizitätsgewinnung in Zen-tralamerika zu bauen.

Das „Proyecto Hidroelectrico Borúca“ (PHB) ist schon seit 40 Jahren beim staatlichen costaricanischen Energiemonopol in Diskussion. In mehreren Phasen wurden Anläufe unternommen und Studien durchgeführt, das Projekt aber immer wieder aufgrund fehlender Investiti-onen auf Eis gelegt. Von der Regierung Calderón Fournier wurde die Idee 1992 wieder aufgenommen.

Inzwischen befindet sich das Projekt wieder einmal in der Evaluierungsphase. Die Chance auf Durchführung gibt das ICE mit 75 Prozent an. Der Staudamm soll am Río Grande de Térraba errichtet werden und in seiner Maximalversion von 225 Metern Höhe ein Gebiet von 173 km² unter Wasser setzen. 1600 Personen müssten umgesiedelt werden, darunter 500 zu indigenen Gruppen Zugehörige.

Das größte Problem scheint allerdings der Widerstand der lokalen Bevölkerung zu sein. Und das nicht ohne Grund: Umsiedlungen und die Migration von Arbeitskräften, die zur Konstruktion benötigt würden, hätten verheerende Folgen für die lokale Bauernbevölkerung, vor allem die indigenen Gemeinschaften der Teribes und Bruncas. Die Errichtung des Stausees würden Ökologie und Klima der Region von Grund auf verändern. Mehrere von über 200 archäologischen Fundstätten wären unter den Wassermassen begraben. Dazu kommt, dass der Schauplatz zu den erdbebengefährdeten Gebieten zählt.

„Das ICE kommt zu uns und verspricht uns einen Entwicklungsplan für unsere Dörfer zu machen,“ meint Enid Rojas, Aktivistin aus Rey Curré. „Als ob wir nicht wüssten, wel-che Entwicklung für uns die beste sei. Das PHB be-deutet den Tod unserer Kultur, weil es uns die Grundlage unseres sozialen Zusammenlebens weg-nimmt“ . Dem Widerstand innerhalb der Gemeinden steht allerdings das Interesse nichtindigener Bodenbesitzer gegenüber, die sich in den letzten Jahrzehnten im Territorium angesiedelt haben und jetzt durch die Entschädigungszahlungen finanziellen Gewinn erhoffen. Das ICE versucht inzwischen durch Versprechungen von Arbeitsplätzen und Touristenströmen, den Widerstand zu spalten. Unterstützt durch NGOs und Rechtsberater setzt die aktive Opposition jedoch ihren Kampf fort.

Christoph Campregher

Auslandsdiener

Finca Sonador/Costa Rica

  1. PUSC: die „Konservativen“, christlich orientiert, für den Neoliberalismus sehr offen. PLN: die „Liberacionistas“, eine sich liberal verstehende Partei, näher bei den europäischen Sozialdemokratien. Tatsächlich ähneln sich die Positionen der beiden Parteien

Kontakt: campregher@gmx.at

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