ATOMSTAAT FRANKREICH: Der Staat braucht linke Übeltäter

von Luc S., 09.05.2021, Veröffentlicht in Archipel 303

Wie in vielen europäischen Ländern nutzt der Staat sein schärfstes Schwert gegen unliebsame Bewegungen. Überall werden „kriminelle“ Gruppen in unseren Reihen gebastelt, während Rechtsradikale mit Bewährungsstrafen davon kommen, wenn sie nicht gleich erfolgreich von Geheimdiensten und Polizei gedeckt werden.

In Bure hat sich der Widerstand gegen das geplante Atommüllendlager CIGEO seit 2015 verstärkt. Zahlreiche Demonstrationen und teilweise militante Aktionen wurden besonders in 2016 und 2017 zum Alltag in der Lothringer Provinz im südlichen Maastal. Die Antwort des französischen Atomstaates liess nicht lange auf sich warten. Im Zuge einer förmlichen Militarisierung des Landkreises mit der Stationierung von Gendarmerie-Hundertschaften verschärften sich Überwachung und Repression. Manch eine·r wurde wegen des Besitzes eines Tortenhebers festgenommen, doch es gab auch weit weniger amüsante Repressionsschläge. Viele tausend Stunden der Telefonate von Umweltaktivist·inn·en wurden abgehört, Verurteilungen wegen Nichtigkeiten durch das Gericht in Bar-le-Duc nahmen zu, und Aufenthaltsverbote, teils über mehrere Jahre, wurden in rund 50 Fällen verhängt.

Das Ganze gipfelte 2018 in der Eröffnung eines Verfahrens wegen „Bildung einer kriminellen Vereinigung“. Nach einem Dutzend Razzien im Juni desselben Jahres, wenige Tage nach der Demonstration von 3000 Atomkraftgegner·inne·n in der Hauptstadt des Departements 55, wurde schrittweise gegen zwölf Linke – Gärtner·innen, Student·inn·en, Arbeitslose, Lebenskünstler·innen, Arbeitende, Journalist·inn·en und ein Anwalt – ermittelt. Schon die Auflagen im Zuge der Ermittlungen, die bis Dezember 2020 andauerten, waren eine schwere Bestrafung. Die Betroffenen durften nicht zueinander in Kontakt treten, Teile der Region nicht betreten und Frankreich wegen angeblicher Fluchtgefahr nicht verlassen.

Repression wird und wirkt zunehmend grenzüberschreitend und überall ist das Muster dasselbe: Wenn es keine harten Fakten gibt, aber die Gesinnung zu deutlich wird, konstruiert der Staat kriminelle Vereinigungen. Landein-, Landaus suchen die politischen Ermittlungsbehörden Gründe, die Justiz auf den Plan zu rufen, die dann mit spektakulären Prozeduren den Alltag engagierter Aktivist·inn·en schikanieren und aus Silvesterraketen, Kloputzmitteln, Rangeleien, Flugblättern und ein paar leeren Flaschen Wein schnell mal „Terrororganisationen“ schmieden – egal ob es sich um Antifaschist·inn·en, Anarchist·inn·en oder Umweltschützer·innen handelt. Das Ziel ist die Einschüchterung, die Überwachung und letztlich wohl auch die Bestrafung, sei es für tatsächliche Handlungen oder die Vertretung von unliebsamen Meinungen.

Vom 1. bis 3. Juni 2021 findet nun gegen drei Personen aus dem Bure-Widerstand, die als „Übeltäterbande“ angeklagt sind, der Prozess statt. Gegen vier weitere wegen vermeintlichem Besitz von „Sprengmitteln“ oder/und der Beteiligung an nicht genehmigten Versammlungen im Jahr 2017. In Solidarität mit den sieben Beschuldigten wird zu zahlreichen Aktivitäten nach Bar-le-Duc eingeladen.*

Luc S, Kleinbauer und Journalist

*Mehr Informationen zum Verfahren findet ihr unter bureburebure.info und unter noussommestousdesmalfaiteurs.noblogs.org. Bei helloasso.com/associations/cacendr/collectes/en-soutien-au-proces-des-malfaiteurs-de-bure-1 wird zu Spenden aufgerufen.