ALMERIA: Im magischen Quadrat der Ablehnung des anderen

von Spitou Mendy (Gewerkschafter der SOC-Almeria), 12.01.2011, Veröffentlicht in Archipel 188

«Um die Menschen zu lieben, muss man zutiefst verabscheuen, was sie unterdrückt» J.P. Sartre

Jeder Augenblick der menschlichen Geschichte ist geprägt von Ängsten und Illusionen, die er hervorgerufen hat, und nicht nur durch die materiellen und immateriellen Umwandlungen, die er durchgesetzt hat. Ist die Theorie, dass «Die Menschen frei und gleich an Rechten geboren werden ...» nicht eine Traumvorstellung hochentwickelter, moderner Menschen? Symbolisiert sie nicht unsere Ratlosigkeit in einer Welt, in der alles in Frage gestellt wird: das System der Grenzen, der Werte ...?
Fremdenfeindlichkeit und die Ablehnung des anderen verstärken sich durch das von ökonomischen Krisen verursachte Elend. In der Einwanderungspolitik und den Nord-Süd Beziehungen sind die Länder der Europäischen Union seit dem Zweiten Weltkrieg ihre eigenen Wege gegangen. Einige Länder wie Spanien, Portugal und Italien, früher von einer starken Abwanderung betroffen, sind heute zu Aufnahmeländern von Einwanderern geworden. Ihre Haltung bestätigt die Prophezeiung des senegalesischen Dichters Leopold Sedar Senghor, der in seinem Gedichtzyklus «Schwarze Hostien» folgendes Gebet an Frankreich und den Westen richtete: «Aber ich weiß sehr wohl, dass das Blut meiner Brüder den gelben Orient wieder rot färben wird, an der Küste des Pazifischen Ozeans, der von Stürmen und Hass heimgesucht wird...(...) Ja, Herr, verzeih Frankreich, das seine Bewohner hasst und mir auf so belastende Weise aufzwingt, hier zu wohnen... Oh! Ich weiß sehr wohl, dass dieses Land auch zu Europa gehört, und dass es mir meine Kinder geraubt hat, wie die Räuber im Norden Rinder stehlen, um seine Böden mit Zuckerrohr und Baumwolle zu bereichern; denn Negerschweiß ist Dünger... Oh Herr, entferne aus meinem Gedächtnis dieses Frankreich, das nicht Frankreich ist, diese Maske der Engstirnigkeit und des Hasses auf dem Angesicht Frankreichs...»
Senghor war Infanterist in der französischen Armee und wurde im Juni 1940 gefangengenommen. Er war Professor, Minister und Berater des Kabinetts der französischen Regierung im Juli 1959, und am 5. September 1960 wurde er der erste gewählte Präsident des unabhängigen Senegal. Er setzte sich sehr für den interkulturellen Dialog ein. 1977 publizierte er «Négritude et Civilisation de l’Universel». Der Autor bemüht sich, Dinge zu beweisen, die eigentlich für jedermann einleuchtend sind, die jedoch aus politischen und ideologischen Gründen nicht anerkannt werden. So zum Beispiel was die Kultur betrifft: «... die Kultur ist der menschliche Ausdruck einer gegebenen Situation, oder auch die Anpassung an eine geographische, historische und biologische Situation, um diese dem Menschen dienstbar zu machen.»
Dank diesem berühmten Dichter wurde neben Deutsch auch Englisch, Russisch, Arabisch, Griechisch und Spanisch im Senegal unterrichtet. Für ihn «ist der Mensch vor allem das Produkt einer Mischung, woher er auch kommt. Diese kann biologisch oder kulturell sein. Das heißt aber nicht, dass er keine Wurzeln hat. Der veredelte Baum besitzt immer noch die gleichen Wurzeln, aber er gibt bessere Früchte. Es ist eine Bereicherung.»
Ökonomischer Krieg
Die Geschichte ist eigentlich ein permanenter Dialog der Kulturen. Deswegen appellieren wir an Angela Merkel, Nicolas Sarkozy, José Luis Rodriguez Zapatero und Berlusconi, an dieses magische Quadrat des Hasses gegen Einwanderer. Diese vier Spitzenpolitiker, die sich mit düsteren Realitäten und den noch dunkleren Perspektiven herumschlagen, machen die Einwanderer zu Freiwild.
In einer Zeit, in der die Völker einander nicht mehr ignorieren können, in der das Massenelend ein Skandal für die Menschheit bedeutet, in der der technologische Fortschritt es ermöglicht, die Reichtümer des Planeten zu nutzen, wie soll da die Geringschätzung der mächtigen Nationen gegenüber den Verarmten der Dritten Welt interpretiert werden? Auch sind die Wunden des vergangenen Jahrhunderts noch lange nicht verheilt.
Alles ist so, als ob die industrielle Revolution nicht mit gestohlenen Rohstoffen aus der Dritten Welt versorgt worden wäre, als ob die heutige Einwanderung überhaupt nichts zu tun hätte mit der Spaniens, Frankreichs und Englands in Lateinamerika, Asien und Afrika.
Heute wohnen die Unterdrückten und die Unterdrücker im gleichen geographischen Raum.
Globalisierung, Wettbewerb, Krise, Ausgrenzung – es herrscht ein ökonomischer Krieg. Wir müssen versuchen zu verstehen, was sich hier abspielt. Warum soviel Arroganz, Egoismus und Missachtung der Menschenrechte vom alten Kontinent der übrigen Welt gegenüber?
Die zahlreichen Verstöße gegen die Rechte der Einwanderer müssen geahndet werden. Auf der ganzen Welt organisieren sich die in ihrem Stolz verletzten Minderheiten. Kann den internationalen Organisationen, die in einem vereinten Europa gegen Diskriminierung kämpfen, noch Glauben geschenkt werden?
Jene, die leiden, die in Hütten aus Karton schlafen, nach unendlich langen Arbeitsstunden unter Plastikdächern mit einer Temperatur zwischen 40 und 50 Grad, die ständig von der Grenzpolizei gejagt werden, die ihren Lohn nicht erhalten, die wie Wegwerfobjekte behandelt werden, denen die Aufenthaltsbewilligung entzogen wird, weil sie ihre Sozialversicherung nicht bezahlen (die Arbeitgeber verweigern offizielle Verträge), sie alle würden mit nein antworten.

In Spanien

In Almeria gibt es weder den Willen noch den Mut, um Verbesserungen der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Immigranten zu erreichen. Die träge Zivilgesellschaft reagiert nur langsam auf diesen Cocktail von Missständen.
Die SOC, andalusische Gewerkschaft der Landarbeiter, bemüht sich, die Arbeiter, die durch das Ausmaß der Grausamkeiten wie gelähmt sind, zu begleiten, auszubilden und zu informieren. Die Aufgabe ist schwierig und voller Tücken. Die Behörden übernehmen die Argumentation des gemeinen Mannes (der gemeinen Frau,Anm.der Red.) um alternative Gewerkschafter mit Sätzen abzuspeisen wie «Wir sind hier in Spanien, wenn ihr mit unseren Institutionen nicht zufrieden seid, geht nach Hause und ersetzt eure korrupten Politiker... Wer bei uns illegal ist, muss ausgewiesen werden...».
Wie schön wäre es doch, wenn die Präsidenten all dieser Länder gegen die westliche Welt den Mut von Evo Morales hätten ...
Die Immigranten werden hier wie Arbeitstiere behandelt. Sie müssen Dutzende von Kilometern mit dem Fahrrad zurücklegen und unbezahlte Überstunden auf sich nehmen, wenn sie arbeiten wollen. In der Nacht müssen sie sich in ihrem Ghetto verbergen, um bis zum nächsten Morgen möglichst nicht aufzufallen. Die Blitzausweisungen der Regierung von Zapatero zwingen sie dazu. Die Wirtschaftskrise braucht Sündenböcke, die Behörden greifen auf die sozial Schwächsten zurück: die Einwanderer. Und die Europäische Union nickt dazu. Frontex ist die Erfindung der Zivilisierten gegen die Eindringlinge aus dem Süden.
Almeria ist der Gemüsegarten Europas. Aber ohne Vorgaben geht das Kapital dorthin, wo die größten Profite sind und nicht dorthin, wo es am nötigsten wäre. Von hier fahren Tag für Tag Hunderte von Lastwagen in den Norden, beladen mit Tomaten, Zucchini, Auberginen ..., produziert in unzähligen Arbeitsstunden von rechtlosen Immigranten. Weil der Wille und politische Mut zur Verbesserung von Lebens- und Arbeitsbedingungen nicht vorhanden ist, müssen in allen europäischen Ländern, in denen diese von Sklaven hergestellten Produkte gekauft werden, Netze des sozialen Widerstandes geknüpft werden.