Auf umfassende Weise – pädagogisch, politisch und kulturell – verteidigen die Zapatist·inn· en in Chiapas ihre Lebens- und Organisationsformen und versuchen ihren Widerstand auf eine breitere Basis zu stellen.
Überall auf der Welt müssen sich die indigenen Völker und bäuerlichen Gemeinschaften mit der Beschleunigung der Zerstörung ihrer Umwelt auseinandersetzen, mit dieser höllischen Spirale des Raubbaus, die ihre Territorien und natürlichen Ressourcen zerstört.
In Mexiko, in den Staaten Michoacan, Morelos, Oaxaca, Guerrero und Chiapas, lässt der Widerstand gegen die Pläne der neuen Regierung, umweltzerstörende Megaprojekte1 zu realisieren, nicht nach. In Chiapas kündigten die Zapatist·inn·en kürzlich die Vergrösserung der Organisation und der autonomen Regierungsführung sowie zukünftige grosse Treffen an. Zu den 27 autonomen Gemeinden, die seit 1994 bestehen, kommen vier neue dazu, und zu den fünf bereits geschaffenen Caracoles (autonome Regionen, Versammlungsorte) werden sieben neue hinzugefügt. Im Jahr 2003 wurde das zapatistische Gebiet in fünf Caracoles unterteilt. Der Caracol symbolisiert einerseits die Schnecke – das Tier, das langsam aber sicher vorangeht und sich bei Bedarf zurückzieht – als auch eine heilige Muschel, die Beschwörungskräfte in sich trägt. In den Caracoles finden die Versammlungen der Juntas de Buen Gobierno (Räte der guten Regierung) statt, welche die verschiedenen Bereiche des Gemeinschaftslebens koordinieren. Hier gibt es grosse Versammlungsräume, Gesundheitszentren, Werkstätten, Büros und Genossenschaftsläden.
Tzotzil und Kastilisch lernen
Im Caracol de Oventik, eine Stunde von San Cristobal de las Casas entfernt, ist auch eine Sekundarschule integriert und im Herzen dieser Schule befindet sich das Centro de Español y Lenguas Mayas Rebelde Autónomo Zapatista (CELMRAZ), eine Sprachschule, die Kurse für diejenigen anbietet, die das autonome Bildungssystem finanziell unterstützen wollen: «Das Sprachenzentrum ist ein Ort des Austauschs mit den Völkern und Kulturen der Welt. Mit dem Lernen von Tzotzil und Kastilisch (Spanisch) konkretisiert sich dieser Austausch, weil die Kurse im Kontext der Realität des Widerstands der indigenen Völker stattfinden.»
Die Kurse werden in kleinen Gruppen organisiert, je nach den anwesenden Personen, ihrem Sprachenniveau, ihren Erwartungen und den auftretenden Diskussionsthemen. Der Inhalt ist immer von den Elementen des kollektiven Aufbaus der zapatistischen Bewegung inspiriert; es gibt jeden Tag zwei Stunden Unterricht mit den Lehrer·inne·n und dann offene Aktivitäten sowie Momente der Interaktion mit den Schüler·inne·n in der Sekundarschule. Durch dieses Zusammentreffen trägt die Präsenz von internationalen Gästen zum Bildungsangebot der Schule bei.
Das Zentrum kann im Internat jeweils ein Dutzend Personen aufnehmen. Hier bietet sich die Gelegenheit, Tage voller Diskussionen zwischen Teilnehmer·inne·n aus der ganzen Welt zu verbringen, die jeweils über ihre eigene Geschichte, ihre eigenen Realitäten und Initiativen erzählen. Es geht darum, eine pädagogische, politische und kulturelle Erfahrung mit Menschen zu teilen, die schon ein wenig über die Geschichte der zapatistischen Bewegung wissen und über den täglichen Widerstand der Gemeinschaften in einem Klima eines ständigen, verdeckten Krieges informiert sind. Die Interessent·inn·en müssen sich der Situation bewusst sein und bestimmte Anweisungen befolgen; sie können sich daher nur über eine der vom Zentrum akkreditierten Organisationen anmelden. Es gibt zwei Möglichkeiten: Unterricht für eine Woche oder mehrere Wochen zu nehmen, oder eine Gruppe zu bilden und das CELMRAZ direkt mit einem Vorschlag ansprechen, einem Thema, das gemeinsam mit den Lehrer·inne·n bearbeitet werden soll: eine grossartige Gelegenheit, gemeinsam Gedanken zu vertiefen, indem sich verschiedene Weltanschauungen treffen.
Um diesen Ansatz fortzusetzen, gibt es auch das Centro indígena de Capacitación Integral (CIDECI) – die Universität der Erde. Sie befindet sich ausserhalb von San Cristobal und ist ein kostenloses autonomes Ausbildungszentrum, das Jugendliche und Erwachsene aus indigenen Gemeinschaften in Workshops und Kursen willkommen heisst und ausserdem Konferenzen, Buchpräsentationen und regelmässige Seminare anbietet sowie seit 1994 seine Türen für viele Veranstaltungen der Zapatist·inn·en geöffnet hat. Das CIDECI zählt heute zu den neuen Caracoles.
Seit Beginn ihres Aufstands haben die Zapatist·inn·en ständig Raum und Zeit für Treffen und Versammlungen geschaffen, um ein kollektives Denken und eine Analyse der Probleme zu entwickeln, die nicht nur die indigenen, sondern auch alle anderen Menschen betreffen, die unter Unterdrückung und Ausbeutung leiden. Und glücklicherweise machen sie in diesem Sinne weiter.
- Siehe Artikel in Archipel, September 2019: Hinter der Maske der Fortschritts. Weitere Informationen unter: http://serazln-altos.org, http://seminarioscideci.org