Über 400 Menschen aus verschiedenen Kollektiven, Bewegungen und Zusammenhängen aus aller Welt haben sich diese Woche (29.Juli -5.August) für den Kongress des Europäischen Bürgerforums (FCE) in der Nähe von Forcalquier versammelt. Hiermit protestieren wir auf das heftigste gegen die Ereignisse der letzten Tage an der französisch-italienischen Grenze.
Seit Monaten verstärken sich die Repressionsmaßnahmen gegen Geflüchtete, vor allem in Ventimiglia (Italien). Die Überquerung der französisch-italienischen Grenze wird immer schwieriger und die Solidarität mit den Geflüchteten immer mehr kriminalisiert. Die Situation ist sehr angespannt und hat sich noch verschärft:
In der Nacht des 4. August 2016, haben ungefähr 300 Geflüchtete beschlossen, das Lager des italienischen Roten Kreuz zu verlassen, um zur Grenze zu laufen. Sie wollten kollektiv die Öffnung der Grenze bewirken sowie die Freilassung eines Genossen, der in ein Gewahrsamlager im Süden Italiens gebracht wurde.Obwohl die italienische Polizei sie gewaltsam räumte, gelang es mehr als 200 Menschen, ihnen zu entkommen. Sie überquerten die Grenze zu Fuß oder schwimmend, unter Tränengasbeschuss der französischen Polizei, die Italienische Polizei im Rücken auf der anderen Seite. Nach einer Menschenjagd in mehreren benachbarten Städten auf französischer Seite wurden mehr als 144 Geflüchtete wieder festgesetzt und in Kontainern der Grenzschutzpolizei (PAF) aus Menton Garavan in Gewahrsam genommen bzw. gezwungen, nach Italien zurückzukehren.
Die französische Polizei hat Journalist*innen des Senders France 3 und andere Presseorgane am fotografieren gehindert, sowie Teile ihres Materials zerstört, um zu verschleiern, dass sie vorrübergehend die Kontrolle über die Grenze verloren hatte. Im Laufe der Ereignisse wurden auf beiden Seiten der Grenze 17 der angereisten Unterstützer*innen verhaftet, deren Absicht es war, den Geflüchteten, die in der Mittagssonne zusammengekommen waren, Wasser zu bringen. Dieses Vorgehen wird immer häufiger angewendet, mit dem Ziel die Solidarität zu brechen. Zwei der Festgenommenden wurden Auflagen bezüglich ihres Aufenthaltsortes erteilt: Einreiseverbot für die 16 Kommunen der Provinz Ventimiglia für einen Italienischen Staatsbürger sowie fünfjährige Einreiseverbote nach Italien für mehrere Ausländer*innen. Außerdem kritisieren die Medien und einige Politiker*innen die No Borders - Organisator*innen für ihre Unterstützung der Geflüchtetetn und beschuldigen sie zudem der Revolte (Überquerung der Grenze) einen Rahmen gegeben und sie entfacht zu haben.
Als Kongress des Europäischen Bürgerforums und den anwesenden Menschen und Kollektiven, die an der Seite von Geflüchteten und Migrant*innen stehen, wollen wir unsere Solidarität bekunden mit denen, die gerade festgehalten oder gejagt werden, auf beiden Seiten der Grenze. Außerdem möchten wir einige Dinge klarstellen:
Im Gegensatz zu gewissen widerlichen reflexartigen Annahmen, sind die Geflüchteten sehr wohl in der Lage, sich autonom zu einem Grenzübergangsversuch zu organisierieren und ihre Rechte einzufordern.
Sie haben schlechthin keine andere Wahl, nachdem sie unglaubliche Risiken auf sich genommen haben um bis hierher zu kommen. Sie entkamen Kriegen, Armut und den Umweltschäden, die postkoloniale und marktorientierte Politiken mit sich bringen. Diese Woche ist die Polizei an der Grenze von einer kollektiven Initiative der Geflüchteten überrannt worden. Es war nicht das erste Mal in Ventimiglia und es ist ein kleiner Sieg über die Verstärkung der rassistischen und sicherheitsstaatlichen Maßnahmen, die Geflüchtete besonders hart treffen.Die Kriminalisierung der No Borders - Organisationen in diesem Kontext dient offensichtlich dazu, die Eigeniniative der Geflüchteten unsichtbar zu machen. Seit einem Jahr nehmen die Festnahmen und Aufenthaltsverbote deutlich zu und machen es immer schwieriger und riskanter, sich solidarisch zu verhalten.
Wir rufen trotzdem auf, weiterhin die Forderungen der Geflüchteten zu unterstützen:
gegen Grenzen und für Freizügigkeit, für die Möglichkeit, da zu leben wo man möchte und bei seinen Liebsten und nächsten Freunden und Freundinnen.
gegen Kontrollen, Verfolgungen und Gewahrsamnahme und die Ausübung von staatlichem Rassismus
gegen kriegerisches Gedankengut, Militarisierung und die wirtschaftliche Politiken, die diese verursachen.Wir rufen in erster Linie zu Demonstration auf, die diesen Sonntag in Ventimiglia um 15 Uhr stattfindet.