Die Bewegung für die Erhaltung des Bergmassivs Svydovets in den Waldkarpaten wächst und kann erste Erfolge verzeichnen.
Wie wir im Dezember1 berichteten, soll in den ukrainischen Karpaten ein riesiges Skizentrum entstehen. 60 Hotels, die 28‘000 Tourist·innen gleichzeitig beherbergen können, und 230 km Skipisten sind geplant.
Ökolog·innen warnen vor der Abholzung von 14‘000 ha Wald, da das Bergmassiv Svydovets eine wichtige Rolle für den Wasserhaushalt der Karpaten spiele. Erdrutsche und katastrophle Hochwasser, auch in den Nachbarländern, wären die Folge. Nun gibt es – zum Teil gute – Neuigkeiten von den Projektgegner·innen.
Am 10. Januar fand der Prozess statt, den die Aktivist·innen des Dorfes Lopukhovo gegen den geplanten Tourismuskomplex angestrengt hatten. Am Prozesstag verlief, entgegen unserer Befürchtungen, alles ruhig. Wir von #free Svydovets waren zahlreich erschienen, von der anderen Seite hingegen tauchte niemand auf. Auch die Vertreter der Distriktverwaltungen von Tyatchiv und Rakhiv liessen sich nicht blicken. Hingegen filmten mehrere nationale und regionale Fernsehstationen, sowie die Doku-Gruppe von #free Svydovets den Prozess.
Worum ging es in dem Prozess? Einige Aktivist·innen des Bergdorfes Lopukhovo, unterstützt von einer jungen Juristin, hatten wegen Verfahrensfehlern der Distriktverwaltungen beim Verwaltungsgericht Einspruch erhoben. Bei den vorgeschriebenen Informations-Veranstaltungen für die Bevölkerung hatten die Distriktverwaltungen keinen offiziellen Geländeplan für das Projekt vorgelegt, sondern nur eine Skizze. Die drei Richter gaben der klagenden Partei Recht und hoben die Dekrete der Präfektur auf. Dieser Gerichtsentscheid ist für die Ukraine eine Sensation und aussergewöhnlich, denn im Normalfall ist die Justiz korrupt. Er kam wohl auch durch die starke Medienpräsenz und die Anwesenheit zahlreicher Sympathisant·in-nen im Gerichtssaal zustande. Die sehr minoritäre Position der Projektgegner·innen im Dorf Lopukhovo erfährt durch dieses Urteil eine Stärkung. Die beklagte Partei kann noch während 30 Tagen Einspruch erheben.
Wir feiern den Erfolg, wissen aber auch, dass der Kampf nicht zu Ende ist. Der Investor kann einen neuen Antrag stellen, diesmal mit einem rechtsgültigen Geländeplan. Dafür muss er neue öffentliche Versammlungen organisieren.
Repressalien
Der Investor hat sich endlich zu erkennen gegeben, er tauchte bisher auch juristisch nirgends auf. Es handelt sich um Ihor Kolomoïsky, einen der größten Oligarchen des Landes, dem auch die Skistation Bukovel, die bekannteste Skistation in der Ukraine, gehört. Dort gibt es zuwenig Wasser, wie uns ein befreundeter Hydrologie berichtete, weshalb sich der Investor nun auf dem Svydovets-Massiv ausbreiten will. Für das geplante Projekt wären 6‘000 000 Liter Wasser täglich erforderlich. Seine rechte Hand, Olenxandre Schewtschenko, sitzt für die Partei Ukrop im Parlament, die dem Block Petro Poroschenkos angehört. In einer privaten Versammlung, die am 20.12.2017 bekannt wurde, zeigte Schevtschenko sich zum ersten Mal öffentlich mit dem stellvertretenden Direktor der nationalen Forstbehörde der Ukraine und den Forstbehördenchefs der Regionen Transkarpatien und Iwano-Frankiwsk. Bisher sind die meisten Wälder staatlich, wir sind gespannt, wie sie die Umwidmung und Privatisierung bewerkstelligen wollen. In einem Kommuniqué erklärt Schevtschenko, dass sie für die Skistation 16 Brunnen bohren und eine Kläranlage mit einer Kapazität von 12‘000 m³ Schmutzwasser pro Tag bauen wollen. Er erwähnt auch die Projektgegner·in-nen, also uns, mit denen er eine Arbeitsgruppe bilden will, um Kompromisse zu finden und Missverständnisse zu vermeiden.
Das können wir nicht ernst nehmen, denn die Wirklichkeit sieht anders aus: Mit massiven Repressalien wird versucht, Mitglieder unseres Komitees zum Schweigen zu bringen. Bei einem unserer Aktivisten gab es eine äusserst merkwürdige Steuerprüfung, die eine Strafe von Euro 10‘000 zur Folge hatte. Wir haben für ihn einen guten Steueranwalt gefunden, und er legt Berufung ein. Eine Journalistin, die in unserem Sinne berichtet, wurde zu ihrem Chef bestellt. Er drohte, ihr die Pressekarte zu entziehen, falls sie weiter im Namen der Zeitung Informationen über das Tourismusprojekt einholt.
... aber auch Unterstützung
Unterstützung bekommen wir von Wissenschafter·innen des Ökologie-Instituts der Karpaten. Sie haben gut argumentierte Publikationen für den Schutz des Bergmassifs herausgebracht und in den sozialen Netzen verbreitet. Sie erstellen Spezialkarten des Svydovets-Massivs, die sie uns zur Verfügung stellen werden. Wissen-schafter·innen der Universität Taras-Chevtchenko in Kiew, betreiben auf dem Svydovets-Massiv eine Forschungsstation genau dort, wo die Hotels gebaut werden sollen. Sie sind gegen die Skistation und haben sich unserem Komitee angeschlossen. Eine junge Filmemacherin möchte eine Dokumentation über unseren Kampf drehen. Sie hat bereits eine Gruppe von Kameraleuten gefunden und begonnen zu filmen.
Gleich nach dem Prozess haben wir aufgrund der grossen Medienpräsenz weitere Verstärkung erhalten: Der WWF Ukraine schliesst sich #free Svydovets an. Genauso wie der Club für Wandertourismus, der uns ausserdem bei den Übersetzungen unserer Publikationen ins Tschechische und Ungarische helfen wird. Für Anfang Februar haben wir eine Pressekonferenz in Kiew geplant.
Wir werden uns weiter einsetzen für:
- die Schaffung eines grossen Naturreservats, um die Seen und die Quellen der Theiss (Tisza) zu schützen;
- ein Ende der illegalen Kahlschläge;
- eine breite Mobilisierung von Einzelpersonen und NGOs gegen die Verstädterung der Karpaten.
Bitte verbreiten Sie diese Informationen und unterstützen Sie unsere Bewegung, indem Sie beim Präsidenten der Ukraine, Petro Poroschenko gegen die geplante Ski-station protestieren. Ein Musterbrief lag dem Archipel vom Dezember bei.
Komitee #free Svydovets, den 12. Januar 2018
free.svydovets(at)gmail.com
- Archipel Nr. 265, «Das Bergmassiv Svydovets retten!»