Anfang Dezember 2012 kehrten wir, einige Mitglieder des EBF sowie eine Delegierte des Solifonds, einmal mehr ins Plastikmeer nach El Ejido und Almeria im Süden von Spanien zurück. Dieselbe Ernüchterung und Traurigkeit, wie vor fast dreizehn Jahren anlässlich der ersten internationalen Delegationen.
Das Pogrom gegen die marokkanische Bevölkerung in den Strassen von El Ejido hatte uns damals alarmiert, woraufhin wir mehrere internationale Delegationen organisiert haben, um die Ereignisse besser verstehen und dementsprechend handeln zu können. Wir trafen dann zum ersten Mal auf die Chabolas, diese Hütten aus Plastik- und Holzabfällen, in denen ein grosser Teil der immigrierten Marokkaner und Schwarzafrikaner lebten, die temporär für die Ernte angestellt werden - für hors-saison Gemüse, wie Tomaten und Paprika, die im Winter in den hiesigen Supermärkten angeboten werden. Die lokale und regionale Regierung sowie die Unternehmer hatten sich damals verpflichtet, Wohnungen für die LandarbeiterInnen zu bauen und ihre Lebensbedingungen zu erleichtern. Und trotzdem ist seither nichts geschehen. Die für den Wohnungsbau bewilligten Gelder der lokalen und regionalen Verwaltungen sind ohne sichtbare Spuren verschwunden. Ein grosser Teil der LandarbeiterInnen lebt weiterhin in diesen Chabolas, die inmitten der Plastiktunnelanlagen oft mehr als zehn Kilometer vom nächsten Dorf entfernt sind. Dort sind sie der Willkür der Unternehmer ausgeliefert, die ihnen, je nach Bedarf, tageweise Arbeit zu Hungerlöhnen anbieten. Was uns besonders bedrückte, war die Präsenz von mehreren Frauen und einem Kleinkind in den Chabolas. Seit einiger Zeit ist der Zugang zu vielen Gewächshauszonen in der Nacht mit Gittertoren versperrt. Tagelöhner können nachts nicht mehr in ihre Hütten zurück. Zudem haben die Unternehmer bewaffnete Milizen aufgestellt, die manchmal die MigrantInnen aus ihren Hütten vertreiben. «Zuvor hiess es, El Ejido sei ein Land ohne Gesetz. Das gilt jetzt für ganz Almeria» kommentiert Abdelkader Chacha, der Vertreter unserer Partnerorganisation vor Ort, der LandarbeiterInnengewerkschaft SOC. Er berichtet, dass der Bürgermeister von El Ejido alle Chabolas zerstören will, ohne den LandarbeiterInnen Lösungsvorschläge für ihre Wohnprobleme anzubieten. Unser Besuch hatte auch zum Ziel, die Zusammenarbeit mit unseren Partner_in-nen vom SOC zu koordinieren sowie mit den neuen Mitgliedern Kontakt aufzunehmen, im besonderen einer Gruppe von marokkanischen Frauen, die in den letzten zwei Jahren mit Erfolg gegen die unannehmbaren Arbeitsbedingungen beim Verpackungsunternehmen Bio Sol (siehe Archipel Nr. 195/207) gekämpft hatten. Als eine Journalistin in der Schweizer Presse über die skandalösen Arbeitsbedingungen informierte, wurde damit auch der Ruf von Bio Suisse, als Zertifizierungsorgan, sowie von Coop, als Importateur und Grossverteiler, angekratzt. Beide Unternehmen übten nun auf Bio Sol Druck aus und verlangten bessere Arbeitsbedingungen. Bio Sol wurde dadurch gezwungen den legitimen Forderungen der marokkanischen Frauengruppe stattzugeben.
Die europäischen Grossverteiler tragen eine grosse Mitverantwortung für die Aufrechterhaltung der skandalösen Produktionsbedingungen in der Früchte- und Gemüseproduktion im Plastikmeer von Almeria. Es handelt sich dabei nur um einen der Aspekte der Verschlechterung der sozialen Bedingungen in der Produktion unserer Nahrungsmittel. Die Industrialisierung der gesamten Nahrungsmittelkette hat schwerwiegende Folgen für Bauern und Bäuerinnen, Landarbeiter_innen, Angestellte in der Verarbeitung, der Verpackung und der Vermarktung der Lebensmittel. Die Preise für die Produzenten werden gedrückt, die Verarbeitung wird zentralisiert, Obst und Gemüse verliert seinen spezifischen Geschmack – nur die Grossverteiler profitieren.
Informationsabende in der Schweiz
Im Februar 2013 wird eine Delegation der SOC in die Schweiz kommen, um dieses Thema anzusprechen und um die Schweizer Öffentlichkeit über die Arbeitsbedingungen vor Ort zu informieren. Informations- und Diskussionsabende werden u. a.in Genf (4. Februar) und Zürich (5. Februar) stattfinden. Am 7. Februar organisieren wir mit anderen NGOs eine Tagung im UNIA-Gebäude in Bern über « die sozialen Folgen der Industrialisierung der Landwirtschaft » (siehe beiliegende Vorstellung, für die Schweiz). Wir laden Sie ein, an diesem Gedankenaustausch und den Informationsabenden teilzunehmen (Präzisionen zu Orten und Datum finden Sie auf www.forumcivique.org).