Das Europäische BürgerInnen Forum (EBF) schickte dieses Jahr zwei Mal eine Delegation zur Prozessbeobachtung nach Andalusien. Arbeiterinnen hatten die Gemüseverpackungsfirma Biosol wegen ihrer Entlassung verklagt. Der erste Gerichtstermin wurde vor Ort kurzfristig verschoben. Der zweite Termin fand am 11. September 2015 statt.
Zur Erinnerung: Biosol ist eine landwirtschaftliche Firma im Plastikmeer von Almería mit einigen hundert Angestellten in der Produktion, der Verpackung und Kommerzialisierung von biologischem Obst und Gemüse. Ein vierjähriger Kampf der marokkanischen Landarbeiterinnen gegen ungerechtfertigte Entlassungen führte im Juli 2012 zu einem Abkommen zwischen Biosol und der Gewerkschaft SOC-SAT.
Im Juli 2014 entliess das Unternehmen mit fadenscheinigen Begründungen fünf Festangestellte, alles Gewerkschaftsmitglieder, darunter auch die Gewerkschaftsdelegierte. Einen genauen Bericht gibt es auf unserer Homepage nachzulesen oder in der Juniausgabe des Archipels.
Schon ein paar Tage vor dem Gerichtstermin vom 11.September 2015 fuhr ich nach Almería und wurde sehr herzlich von unseren Freund_innen vor Ort aufgenommen. Seit nun mehr als 15 Jahren unterstützt das EBF die Land-arbeiter_innen Gewerkschaft SOC-SAT und es haben sich mit der Zeit viele freundschaftliche Bande geknüpft.
Ein Blick ins Plastikmeer
Doch trotzdem ist der Anblick jedes Mal wieder schockierend. Plastik soweit das Auge reicht, Berge von Müll aus der industriellen Gemüseproduktion in den Ramblas (Strassenalleen). Kanister, deren Aufschrift ein Chemiestudium erfordern, um verstanden zu werden. Nach einem heftigen Gewitter in der ersten Nacht kam es zu Überschwemmungen in Adra und El Ejido. Das Regenwasser konnte durch die über und über versiegelten Flächen und die verstopften Ramblas nicht abfliessen und als wir am nächsten Tag durch das Plastikmeer fuhren, sah ich zu meinem Erstaunen zig Baustellen von nagelneuen Gewächshäusern. Mit der zunehmenden Konkurrenz aus extremen Niedriglohnländern, wie zum Beispiel Marokko, glaubten wir nicht mehr an eine rentable Zukunft der Landwirtschaft in El Ejido. Ich erkundigte mich und erfuhr, dass sich seit der wirtschaftlichen Krise in Spanien einiges geändert hätte. Zum Beispiel gibt es in Almería kaum noch klassische Immobilienagenturen. Die meisten Ländereien sind jetzt in den Händen von Banken, die eine Finanzierung der Fläche und des Gewächshauses für zehn Jahre ohne Zinsen anbieten. So pusten die Banken noch einmal das Feuer an, auf dass wirklich jeder Quadratmeter in dieser einst so wunderschönen Gegend zerstört wird.
Die Gerichtsverhandlung
Der Prozess fand vor dem Arbeitsgericht in Almería statt, unter der strengen Aufsicht des neuen Königs, präsent auf einem leicht schief hängenden Wandgemälde. Wie bei Konflikten in der Arbeitswelt üblich, pochte der Richter auf eine aussergerichtliche Lösung, die für die Arbeiterinnen aber nicht in Frage kam. Sie fühlen sich derartig schlecht behandelt von dem Unternehmen, in dem sie seit über 10 Jahren arbeiten, dass sie es ablehnten, eine sogar überdurchschnittlich hohe Ablösesumme zu akzeptieren. Zurzeit stehen die entlassenen Frauen auf einer schwarzen Liste der örtlichen Unternehmen. Es geht ihnen nicht um die ausstehenden Löhne, es geht ihnen darum, die erlebte Ungerechtigkeit von einem Gericht bestätigt zu bekommen. Sie wollen ihren beschädigten Ruf wieder rehabilitiert wissen. Das endgültige Urteil ist bis Redaktionsschluss noch nicht gefällt worden. Wir sind nach den Anhörungen aber optimistisch und werden darüber im Archipel zu einem späteren Zeitpunkt informieren.
Bedanken will ich mich im Namen des EBF bei allen Menschen, die uns bei dieser Aktion unterstützt haben: durch Briefe an Biosol, durch die Teilnahme an den verschiedenen öffentlichen Veranstaltungen in der Schweiz und nicht zuletzt finanziell.