Am 24. November stimmt die schweizerische Bevölkerung über die sogenannte „SVP-Initiative gegen Asylrechtsmissbrauch" ab. Ihre Annahme, die nicht zu erwarten ist, käme einer Abschaffung des Asylrechts gleich, denn sie würde eine systematische Rückweisung aller Asylsuchenden erlauben, die über ein sogenannt sicheres Drittland in die Schweiz einreisen.
Bis zu gegenteiliger Interpretation durch den Bundesrat ist die Schweiz ausschließlich von sogenannt sicheren Drittstaaten umgeben (Italien, Frankreich, Deutschland, Österreich und das Fürstentum Liechtenstein). Demzufolge könnten alle Asylsuchenden direkt an der Grenze oder beim ersten behördlichen Kontakt im Landesinneren in das durchreiste Nachbarland zurückgeschickt werden. Einzige Ausnahme wären diejenigen Menschen, die mit dem Flugzeug die Schweiz erreichen würden (heute ca. 5 Prozent aller Asylsuchenden). Für diese Situation schlägt die Initiative eine härtere Bestrafung der Flugunternehmen vor.
Eine derart grobe Verachtung der Flüchtlingskonvention und des internationalen Rechts will die Mehrheit der politischen Parteien der Schweiz nicht propagieren. So erstaunt es nicht, dass sowohl auf der Linken, wie auch bei den bürgerlichen, sprich konservativen Parteien, die Ablehnung der Initiative empfohlen wird. Viel mehr als Lippenbekenntnisse und halbherzige Gegnerschaft ist aber nicht zu hören. Zu stark sind die Ängste der großen Parteien, potentielle WählerInnen zu brüskieren.
Zur Erinnerung
Bereits 1996 hatte die SVP eine rassistische Asylinitiative zur Abstimmung gebracht. Vielleicht erinnern sich einige LeserInnen noch an die umstrittenen Plakate, die einen sonnenbrillentragenden dunkelhäutigen Menschen nachzeichneten, der sich, mit einem Messer bestückt, von hinten durch eine Schweizerfahne durchdrückte. Das Hauptcredo im Abstimmungskampf waren auch damals die sogenannt kriminellen Ausländer. Die politische Konstellation war ähnlich: alle großen Parteien und Verbände empfahlen die Ablehnung der Verfassungsänderung. Trotzdem gaben 46 Prozent der Abstimmenden Ihre Stimme für diesen Unsinn!
Höchstwahrscheinlich ist jetzt mit einem ähnlichen Resultat zu rechnen. Aber selbst wenn die Vorlage unterliegt, muss man von einem doppelten Erfolg der Initiatoren ausgehen. Erstens wird der Prozentsatz der Ja-Stimmen wesentlich höher liegen als der Stimmenanteil der Partei (dieser liegt zwischen 20 und 25%). Der eigentliche Parteichef und Millionär Christoph Blocher und seine Vasallen werden dies propagandistisch zu nutzen wissen. Und zweitens, was wesentlich gefährlicher ist, passen sich große Teile der gemäßigten Konservativen dem fremdenfeindlichen Gedankengut und Sprachgebrauch der Rechtspopulisten an. Abgesehen von der Charakterlosigkeit, die sie damit beweisen, machen sie auch einen taktischen Fehler. Die Wähler und Wählerinnen, die auf demagogische Propaganda hereinfallen, werden ihre Stimme lieber dem Original als der Kopie geben.
Ein Beispiel einer schlechten Kopie ist Bundesrätin Ruth Metzler. Formell tritt sie öffentlich gegen die SVP-Initiative auf, in Wirklichkeit ist sie aber froh über deren Existenz. So kann sie eine erneute Asylgesetzverschärfung, die demnächst durch das Parlament durchgehen muss, als gemäßigt und rechtsstaatlich vertretbar verkaufen. Und dies, obwohl die Gesetzesrevision die wichtigsten Anliegen der SVP übernimmt. Während einer Pressekonferenz erklärte Frau Metzler, dass sie die restriktive Drittstaatenregelung an sich für eine gute Idee hält. Nur sei sie so nicht praktikabel. „Unsere Nachbarn wollen diese Leute doch auch nicht", sie wolle das Problem mit Rücknahmeabkommen lösen, international. Nur so würden wir die Leute wieder los!
Ein anderes Beispiel für den vorauseilenden Gehorsam gegenüber dem fremdenfeindlichen Gedankengut kommt direkt aus dem Bundesamt für Flüchtlinge (BFF). In den letzten Wochen heizten zahlreiche Medien und Rassisten die Stimmung gegen die schwarzafrikanischen Flüchtlinge auf. Der Grundtenor ist das alte Lied: Diese Männer versuchen unsere Jugend mit Drogenverkauf zu verführen. Sie lungern untätig in den Straßen unserer Großstädte herum, schauen unseren Frauen nach, entreißen Handtaschen, haben einen grimmig-bösartigen Gesichtsausdruck und ähnliches mehr. Dass es den meisten Asylsuchenden während der ersten Monaten ihres Aufenthaltes in der Schweiz verboten ist zu arbeiten, steht woanders geschrieben...
Wie alle paar Jahre wieder, hört man in solchen Momenten Stimmenjäger nach Internierungslagern verlangen. Mangels eigener Gedanken und zwecks Auflagensteigerung öffnen zahlreiche Medien diesen ideenlosen Politikern gerne ihre Spalten. Kritisch ablehnend reagierte hingegen das BFF auf den Vorschlag aus der FDP-Küche, die Entwicklungshilfe für diejenigen Länder zu streichen, die sich weigern, abgelehnte Asylsuchende zurückzunehmen: Man riskiere, die Herkunftsländer mit einem derartigen Vorgehen zu brüskieren und gar Trotzreaktionen zu provozieren, sie könnten sich erpresst fühlen. Doch dies waren dem Chef des BFF zu viel der Gefühle. Zwei Tage später, via Sonntagspresse, lässt der ehemalige Weltbankmann und jetzige BFF-Direktor Jean-Daniel Gerber verlauten, dass er „diese Forderung für bedingt tauglich hält. Sie ist für Länder wirksam, in denen wir tatsächlich Entwicklungshilfe leisten". Dort wo keine geleistet wird, dürfte es tatsächlich schwierig sein, sie zu kürzen!
Diese Art von Kniefällen vor demagogischem und fremdenfeindlichem Gedankengut sind gefährlich. Sie vergiften das politische Klima und gehören bestraft. Deshalb fordern wir alle Leser und Leserinnen in der Schweiz auf, am 24. November ein Nein in die Urne zu werfen und die in Bälde kommende Revision des Asylgesetzes und des Ausländergesetzes zu bekämpfen - damit die ewigen Verlierer nicht zu arrogant werden! Die Fremdenfeinde haben noch nie eine Volksinitiative durchgebracht.
Ein Faltprospekt des Komitees „NEIN zur Anti-Asyl-Initiative" liegt in der Schweiz diesem Archipel bei. Zusätzliche Informationen können bei „Solidarité sans Frontières Neuengasse 8 in 3011 Bern oder heruntergeladen werden.