Am 4. März 2018 wird in der Schweiz über die «No-Billag-Initiative» abgestimmt, die von der rechten Schweizer Volkspartei (SVP) initiiert wurde. Sie richtet sich vor allem gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk (SRG), hat aber weitreichende Folgen für die Medienvielfalt insgesamt.
Billag nennt sich jene Agentur, die in der Schweiz die Rundfunkgebühren eintreibt. Die Annahme der Initiative hätte ein Subventionsverbot für Radio und Fernsehen zur Folge. Die Schweiz – ehemaliges Musterland für Medienvielfalt – würde alle öffentlich-rechtlichen Sender verlieren, die bis zu 75 Prozent über die Gebühren finanziert werden. Aus den Gebührengeldern fliessen jährlich ca. 70 Mio. SFr. an regionale und lokale Rundfunkbetreiber, darunter die 18 nicht-kommerzorientierten Lokalradios mit Sendungen in mehr als 20 Sprachen. Eine Annahme der Initiative wäre auch das Aus für diese Sender. Die Folgen wären nicht nur für die vielen Medien mit öffentlichem Auftrag fatal, sondern für die Medien- und Meinungsvielfalt, sowie für die sprachliche und kulturelle Vielfalt insgesamt und damit für das Funktionieren der Demokratie.
Abschaffung der Demokratie mit demokratischen Mitteln
Angesichts des Medienwandels und der sich verändernden Formen der Mediennutzung durch das Internet und die Allgegenwärtigkeit der mobilen Endgeräte (Smartphones oder Tablets) wird in vielen Ländern über die Sinnhaftigkeit von Rundfunkgebühren diskutiert. Wer soll Beiträge bezahlen und für welche Aufgaben der öffentlich-rechtlichen und anderer Medien sollen diese Mittel als Finanzierungsanteil dienen? Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg hat in einem Grundsatzurteil 1993 die Verantwortung des Staates als letztlichen Garanten für Medienvielfalt festgehalten – daran hat sich nichts geändert. Medienvielfalt nur über die Mechanismen des Marktes herzustellen, hat nie funktioniert und funktioniert heute mit den vielfältigen digitalen Medienplattformen noch weniger. In der digitalen Ökonomie nimmt die Medienkonzentration weiter zu und immer weniger Akteure entscheiden darüber, welche Themen, Stimmen und Meinungen vermittelt werden. Am Ende des Tages stünde der Schweiz das Szenario der amerikanischen Medienlandschaft bevor, wo der öffentliche Rundfunk nur mehr eine Randerscheinung ist und lokale Medieninhalte oft alleine noch von engagierten Bürgermedien angeboten werden, die sich über Spenden oder Stiftungen finanzieren.
Rundfunkgebühren und Medieninhalte im öffentlichen Interesse
Die Rundfunkgebühren sind in der Schweiz mit derzeit ca. 450 SFr. jährlich pro Haushalt die höchsten von ganz Europa, das mag viele Bürger·innen schmerzen. Das hat allerdings auch damit zu tun, dass die Schweiz, etwa im Verhältnis zu Deutschland, viel weniger Haushalte hat, aber drei Vollprogramme in Deutsch, Französisch und Italienisch sowie eingeschränkt in Rätoromanisch gestaltet. Auch die Verbreitung ist aufgrund der Topografie – viele Bergregionen, ähnlich wie in Österreich – aufwendig. Der öffentliche Auftrag verpflichtet nicht nur zur Vielfalt, sondern auch zur nahezu flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung. Kommerziell ausgerichtete Rundfunkbetreiber konzentrieren sich auf Ballungsräume, wo sie mit wenig Aufwand viele Menschen erreichen können. So sorgt die Rundfunkgebühr in Verbindung mit dem Versorgungsauftrag der SRG, aber auch mit dem öffentlichen Auftrag vieler lokaler Sender, dafür, dass die Finanzierung der Medienvielfalt für benachteiligte Regionen oder jene ausserhalb der deutschsprachigen Schweiz nach einem solidarischen Prinzip auch aus den Abgaben in den Ballungsräumen unterstützt werden. Die Stimmen für den Erhalt der Medienvielfalt werden lauter und Initiativen wie «Nein zu no-billag» kämpfen heute nicht nur um den Erhalt der Medienvielfalt, sondern für die Grundwerte der Demokratie. Die Forderung, dass sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk in der Schweiz – wie auch in anderen Ländern – künftig noch viel klarer von den Angeboten kommerzieller Sender unterscheiden muss, bleibt auch nach Ablehnung der Initiative aufrecht und eine Herausforderung.*