Erstmals wird dieses Jahr eine Delegation der zapatistischen Bewegung aus Chiapas / Mexiko (EZLN) alle fünf Kontinente besuchen – zunächst Europa. Ziel ist die gegenseitige Stärkung ihrer und unserer Kämpfe von unten und links sowie deren Vernetzung. Es geht dabei um eine globale, emanzipatorische und kontinuierliche Organisierung gegen Kapitalismus und Patriarchat.
Der Aufstand der Zapatistas von 1994 in Chiapas richtete sich gegen Ausbeutung, Rassismus, Unterdrückung der Frauen und aller benachteiligten Geschlechter, gegen Militarisierung, Umweltzerstörung und die Marginalisierung der indigenen und ländlichen Bevölkerung durch die Herrschaft der Grossgrundbesitzer, der politischen Funktionäre und der mexikanischen und transnationalen Konzerne. Dagegen setzen die Zapatistas den Aufbau rebellischer autonomer Strukturen in den Bereichen Gesundheit, Bildung, Selbstverwaltung, Geschlechtergerechtigkeit, Produktion, Medien und Rechtsprechung. Seit ihrer Rebellion von 1994 konnten sie viele Verbesserungen für ihre soziale Basis und für die vieler anderer Bewegungen erreichen. Zudem inspirieren sie bis heute viele soziale Kämpfe – in Mexiko wie auch weltweit. Im Rahmen der Rundreise von 2021 möchten über 100 Delegierte, vor allem Frauen, zunächst per Schiff von Mexiko nach Europa segeln, um dann in verschiedenen Gruppen mehrere europäische Länder zu bereisen, um Gleichgesinnte zu treffen, sich mit ihnen auszutauschen, aber auch um auf ihre eigene, sehr schwierige Situation aufmerksam zu machen. Trotz massiver Angriffe der mexikanischen Regierung, konnte die indigene Bevölkerung niemals unterworfen werden.
Die Zapatistas wehren sich gegen die aggressive extraktivistische Politik der Multinationalen, die überall in ihrem Land praktiziert wird – Megaprojekte des Todes wie der Interozeanische Korridor in den Bundesstaaten von Oaxaca und Veracruz, das Integrale Projekt Morelos in den Bundesstaaten Morelos, Puebla und Tlaxcala, der Maya-Zug in den Bundesstaaten des Südostens von Mexiko oder der Internationale Flughafen von Mexiko-Stadt im Zentrum des Landes. Dazu gehören auch die zerstörerischen und kolonialistischen Windmühlenprojekte von EDF (Électricité de France) in der Landenge von Tehuantepec in Mexiko, welche die Rechte der indigenen Völker verletzen und kommunales Land illegal privatisieren sowie die Umsetzung einer Serie von Mechanismen, um den «Freihandel» unter der Vorherrschaft von den USA und Kanada fortzusetzen und gleichzeitig die Migration aufzuhalten. Die begleitende Repression versucht, die Organisierung und den Widerstand der indigenen Völker zu verhindern oder zumindest zu schwächen. Über einige der oben genannten Mega-Projekte und den Widerstand dagegen haben wir immer wieder im Archipel berichtet.
EZLN(1)-Sprecher Subcomandante Moisés erläuterte jüngst in einem Kommuniqué die Reisepläne: „Nach dem Bereisen verschiedener Winkel Europas von unten und links werden wir am 13. August 2021 in Madrid ankommen, der Hauptstadt Spaniens – 500 Jahre nach der angeblichen Eroberung (spanisch: Conquista) dessen, was heute Mexiko ist.“ Damit wird symbolisch die vermeintliche „Eroberung“ Lateinamerikas anti-kolonial konterkariert. Mit ihrer neuen Initiative wollen die Zapatistas die Resignation durchbrechen, Hoffnung säen und den Status quo des herrschenden Systems wieder einmal erschüttern. Sie wollen neue solidarische und ökologische Wege finden – gemeinsam mit uns. Sie sagen: „Wir sind Zapatist_inn_en, Träger_innen des Virus des Widerstandes und der Rebellion. Als solche werden wir die fünf Kontinente bereisen.“ Das europäische Solidaritätsnetzwerk organisiert und koordiniert die Reise nach Europa und innerhalb der europäischen Regionen. Für die Reisekosten und die Logistik ist viel Geld notwendig. Wir vom Europäischen BürgerInnen Forum werden ihr Kommen sowohl konkret als auch finanziell unterstützen und auch in den nächsten Archipel-Nummern Artikel über sie und von ihnen publizieren.
Constanze Warta
- EZLN: Ejército Zapatista de Liberación Nacional (Nationale Zapatistische Befreiungsarmee)
KASTEN: Aus der Januar-Botschaft der Zapatistas
Eine Erklärung für das Leben An die Pueblos, die Völker der Welt An die Menschen, die in den fünf Kontinenten kämpfen Geschwister und Compañer@s (…) Der Kampf für die Menschheit ist weltweit. So wie die laufende Zerstörung keinerlei Grenzen, Nationalitäten, Fahnen, Sprachen, Kulturen, Ethnien anerkennt, so ist der Kampf für die Menschheit überall und jederzeit. (...) Es sind viele Welten, die auf der Welt leben und kämpfen. Und jeder Anspruch auf Homogenität und Hegemonie verstösst gegen die Essenz der menschlichen Wesen: ihre Freiheit. Die Gleichheit der Menschheit liegt in der Respektierung der Differenz. In ihren Diversität liegt ihre Ähnlichkeit. (…) Nicht der Anspruch, unseren Blick, unsere Schritte, unsere Begleitungen, Wege und Ziele aufzuzwingen, erlaubt es uns voranzuschreiten, sondern das Hören und Sehen des Anderen, welches – verschieden und unterschiedlich – dieselbe Bestimmung zu Freiheit und Gerechtigkeit hat. (…) Wir haben vereinbart, Treffen, Gespräche, Austausch von Ideen, Erfahrungen, Analysen und Einschätzungen durchzuführen – zwischen uns, die wir – von verschiedenen Konzeptionen und unterschiedlichen Terrains aus – für das Leben kämpfen. Danach wird jede/r ihren/seinen Weg fortsetzen oder nicht. Das Andere zu sehen und zu hören, wird uns vielleicht helfen, auf unserem Weg – oder auch nicht. Das Andere zu kennen, ist jedoch auch Teil unseres Kampfes und Unterfangens – unserer Menschlichkeit. (…) Gesendet von einer der Brücken der Würde, welche die fünf Kontinente verbinden Nosotr@s – Wir Planet Erde 1. Januar 2021