Mitglieder des Bündnisses Climate Justice Now !, dem weltweit mehr als 160 Organisationen angehören, haben vom 1. bis 12. Dezember 2008 in Poznan die UN-Klimaverhandlungen aus der Nähe verfolgt. Hier ihre Stellungnahme:
Die Dringlichkeit der Klimagerechtigkeit Wir werden den Klimawandel nicht aufhalten, wenn wir die neoliberale und auf der Macht der Konzerne beruhende Wirtschaftsordnung nicht ändern. Sie hindert uns daran, nachhaltige Gesellschaftssysteme aufzubauen. Wir müssen die konzerngesteuerte Globalisierung beenden. Die nördlichen Industrieländer tragen die historische Verantwortung für den überwältigenden Anteil an Treibhausgasen. Obwohl die Hauptverantwortung des Nordens, Emissionen zu reduzieren, in der Konvention anerkannt wird, gefährden seine Produktionsmethoden und sein Konsumverhalten weiterhin das Überleben der Menschheit und der Biodiversität. Der Norden muss dringend zu Wirtschaftsformen mit niedrigem CO2 -Ausstoß finden. Damit der Süden nicht den Weg des zerstörerischen, kohlenstoffintensiven Modells der Industrialisierung einschlägt, hat er während der Übergangszeit Anspruch auf Ressourcen und Technologie.
Wir sind der Meinung, dass jede «gemeinsame Vision» zur Klimakrise mit Klimagerechtigkeit und einem radikalen Überdenken des vorherrschenden Entwicklungsmodells beginnen muss.
Indigene Völker, bäuerliche Dorfgemeinschaften, Fischer und insbesondere Frauen in diesen Gemeinschaften leben seit Jahrtausenden harmonisch und nachhaltig mit der Natur. Sie sind nicht nur vom Klimawandel, sondern auch von den falschen Antworten auf jenen am meisten betroffen: Agrotreibstoffe, Riesenstaudämme, Gentechnik, Baumplantagen und die Programme der CO2 –Kompensation. Ihre Methoden nachhaltiger Praxis müssen wir als Angebot wirklicher Lösungen zum Klimawandel sehen.
UNFCCC in der Krise Die Regierungen und die internationalen Institutionen müssen zugeben, dass die Mechanismen von Kyoto versagt haben: Sie reduzieren die Treibhausgase nicht.
Die Prinzipien der UNFCCC-Konvention (United Nations Framework Convention on Climate Change) – gemeinsame aber differenzierte Verantwortung, Gerechtigkeit zwischen den Generationen und die Haftbarkeit der Verschmutzer – wurden durch Markt-Mechanismen untergraben. Die drei wichtigsten Säulen des Kyoto-Abkommens – der Mechanismus für saubere Entwicklung, die gemeinsame Umsetzung und die Programme des Emissionshandels – haben die Emissionen keineswegs reduziert, bleiben aber dennoch im Zentrum der Verhandlungen.
Kyoto beruht auf Emissionshandel, der es den nördlichen Ländern erlaubt, wie gewohnt fortzufahren, indem sie für «saubere Entwicklungsprojekte» in Entwicklungs- und Schwellenländern bezahlen. Absichtlich erlaubt dieses Programm den Verschmutzern, in ihren Ländern die Emissionen nicht zu reduzieren. Die Projekte der «sauberen Entwicklung», die eigentlich eine «nachhaltige Entwicklung» unterstützen sollten, umfassen Infrastrukturprojekte wie große Staudämme, Kohlekraftwerke und Baumplantagen in Monokultur. Diese Projekte reduzieren keineswegs die Treibhausgase und beschleunigen zusätzlich die Privatisierung und die Unterjochung der Natur durch Konzerne - zum Nachteil der Dorfgemeinschaften und der indigenen Völker.
Die Vorschläge, die in Poznan auf dem Tisch lagen, gehen in die gleiche Richtung.
Bei den laufenden Verhandlungen agieren die Industrie-Länder weiterhin nur im Eigeninteresse. Sie nutzen ausgefeilte Verhandlungstaktiken, um ihren Verpflichtungen nicht nachzukommen, die da wären: Treibhausgase reduzieren, Anpassungen und Kompromisse finanzieren und Technologie in den Süden transferieren.
Viele südliche Länder wollen Wachstum um jeden Preis und verscherbeln bei den Gesprächen die Rechte ihrer Bevölkerung und ihre Ressourcen. Ein Klima-Abkommen darf aber kein Handels-Abkommen sein.
Die wichtigsten Vertreter der Klimastabilität - indigene Völker, Frauen, Bauern und Bäuerinnen, Fischer und Gemeinschaften, die in Wäldern leben - werden systematisch ausgeschlossen. Trotz wiederholter Anfragen dürfen indigene Völker nicht als offizielle Vertreter an den Verhandlungen teilnehmen. Auch die Stimmen der Frauen und Fragen der Geschlechter-Gerechtigkeit spielen in diesem Prozess keine Rolle.
Gleichzeitig umkreisen private Investoren die Gespräche wie Geier, bereit, bei jeder Gelegenheit, die neue Profite verspricht, zuzuschlagen. Geschäftsleute und Lobbyisten der Konzerne haben ihren Einfluss in Poznan ausgeweitet und beherrschten die Konferenz. Mindestens 1.500 Lobbyisten der Industrie waren anwesend, entweder als Vertreter von NGOs oder als Mitglieder von Regierungs-Delegationen.
Das Wald-Programm REDD (Reducing Emissions from Deforestation and Forest Degradation) könnte zum größten Schlupfloch der Klimaverhandlungen werden und den nördlichen Verschmutzern eine weitere Möglichkeit bieten, sich vom Emissionsabbau freizukaufen. Dieses Programm, in dem weder die Biodiversität noch die Rechte der indigenen Völker Erwähnung finden, bietet einen enormen Anreiz für die Regierungen, ihre Wälder zu verkaufen, Indigene und Dorfgemeinschaften zu vertreiben und Wälder in Baumplantagen unter Konzernkontrolle zu verwandeln. Doch Baumplantagen sind keine Wälder. Privatisierungen und Enteignungen durch das REDD oder andere Mechanismen müssen beendet werden. Dieser Mechanismus dient wieder einmal den Interessen privater Firmen und verwandelt die Wälder in Waren.
Die Weltbank versucht, sich in den internationalen Klimaverhandlungen einen Platz zu schaffen. Das ist unakzeptabel, denn die Bank finanziert weiterhin verschmutzende Industrien und treibt die Zerstörung der Wälder voran, indem sie industrielle Holzwirtschaft und Agrotreibstoffe fördert. Der Klima-Investmentfond, welcher kürzlich von der Bank geschaffen wurde, hintertreibt Regierungsinitiativen gegenüber den Vereinten Nationen und fördert verschmutzende Industrien wie die der Kohle. Er drängt die Entwicklungsländer in die zutiefst ungleiche Beziehung von Geber und Em-pfänger. Mit ihrem System der «Partnerschaft» will die Weltbank das REDD-Programm finanzieren. Diese Entwicklungen waren zu erwarten. Die Markt-Ideologie hat die Klimagespräche vollständig durchdrungen, und die Verhandlungen der UNFCCC sind nun wie Handelsmessen, auf denen Investment-Möglichkeiten geboten werden.
Die wirklichen Lösungen Die Lösungen für die Klimakrise werden nicht von den Industrieländern und nicht aus der Business-Welt kommen. Wirksame und nachhaltige Lösungen sind von jenen zu erwarten, die die Umwelt bisher geschützt haben – indigene Völker, Bauern und Bäuerinnen, Fischer, Gemeinschaften, die in Wäldern leben, Junge und marginalisierte Gemeinschaften im globalen Süden und Norden. Zu diesen wirklichen Lösungen zählen:
Wirtschaftsformen mit niedrigem CO2-Ausstoß verwirklichen, ohne in Ausgleichsmechanismen zu flüchten oder in falsche Lösungen wie Atomenergie und «saubere Kohle». Die Rechte derer, die in der Übergangszeit besonders gefährdet sind, müssen geschützt werden, insbesondere die der ArbeiterInnen.
Die fossilen Brennstoffe in der Erde lassen.
Die Ernährungs- und Energiesouveränität der Völker umsetzen.
Die Gemeinschaftskontrolle über die Natur-Ressourcen garantieren.
Die Produktion und den Konsum relokalisieren; lokale Märkte haben Priorität.
Die Rechte der indigenen Völker, der Bauern- und Dorfgemeinschaften vollständig anerkennen.
Saubere, erneuerbare Energieversorgung demokratisch kontrollieren.
Die Erhaltung der Ressourcen soll auf Rechten begründet sein, die indigene Landrechte und die Souveränität der Völker stärkt. Energie, Wälder, Saatgut, Land und Wasser sollen öffentliches Eigentum bleiben oder wieder dazu werden.
Entwaldung und alles, was dazu führt, beenden.
Den exzessiven Konsum der Reichen im Norden wie im Süden beenden.
Massiv in den öffentlichen Verkehr investieren.
Die Geschlechter-Gerechtigkeit absichern, indem die bestehenden Geschlechter-Ungerechtigkeiten anerkannt und Frauen in Entscheidungsprozesse eingebunden werden.
Illegitime Schulden, die nördliche Länder und internationale Finanzinstitute fordern, streichen. Diese Schulden werden von den historischen, sozialen und ökologischen Schulden des Nordens gegenüber dem Süden weit übertroffen.
Wir stehen am Scheideweg. Wir fordern eine radikale Änderung der Richtung, damit in Zukunft Gerechtigkeit und die Rechte der Völker im Zentrum der Klimaverhandlungen stehen.
In der Zeit bis zur 15. Vertragsstaatenkonferenz im Dezember 2009 in Kopenhagen und danach wird das Bündnis Climate Justice Now! die Regierungen beobachten und die sozialen Kräfte im Süden und im Norden mobilisieren, um Klimagerechtigkeit zu erlangen.
Für mehr Information über CJN: Nicola Bullard oder Juana Camacho.