Nach dem tödlichen Unfall eines Atomgegners setzten sich die Medien in Bewegung. Gruppen und Vereine, die zitiert wurden, erklärten, dass der junge Mann keines ihrer Mitglieder war, dass sie zumindest wüssten, wie man zivilen Ungehorsam organisiert. Einige waren auch gegen diese Art von Aktionen. Uns schien es angebracht, hier die Freundinnen und Freunde von Sebastien Briat zu Wort kommen zu lassen.
Dieser Bericht ist unsere erste und einzige Darstellung der Fakten. Wir wünschen uns, dass sie in unserem und im Namen der Familie respektiert wird.
Am 7. November 2004 ist Sebastien, 22 Jahre, gestorben, überfahren von der Lokomotive eines Castor-Transports auf der Fahrt nach Deutschland.
Mehrere Wochen vorher hatte er sich mit einigen von uns entschieden zu handeln, um die Unsicherheit eines solchen Transports öffentlich zu denunzieren. Die Tatsache, dass er gestorben ist, darf nicht in den Hintergrund rücken, dass es eine geplante, gewaltlose, überlegte und freiwillige Aktion war. Im Gegenteil zu dem, was dieses Drama vermuten lassen könnte, war unsere Aktion in keiner Weise unverantwortlich und hoffnungslos.
Unser Engagement ist die Frucht grundliegender Überzeugungen, welche die Gefahr der Atomkraft seit langem darstellt. Diese Aktion wurde gemeinsam gründlich geplant, einschließlich der Erkundung vor Ort und der üblichen Maßnahmen. Wir haben lange alle Möglichkeiten überdacht, auch dass der Transport nicht hält. Auf Grund unserer Platzierung am Ende einer Kurve und der schlechten Sicht mussten wir damit rechnen, die Schienen sehr schnell verlassen zu müssen. Wir lagen zu viert auf den Schienen, jeder mit einem Arm in einem Stahlrohr, das unter die Schienen geschoben war, dies ermöglicht im Notfall ein schnelles Verlassen. Wir waren nicht angekettet und konnten uns schnell aus diesen Rohren befreien.
Leider hat die Gruppe, die damit beauftragt war, den Zug 1500 m vorher zu stoppen, nicht reagieren können. Der Bewachungshubschrauber, der ständig dem Transport voraus fliegt, war abwesend bzw. «Kerosin holen geflogen» , doch die Gruppe rechnete mit diesem Helikopter, um die Ankunft des Zuges anzukündigen. Unserer Absprache nach gaben die Stopper es auf, den Transport anzuhalten, da er von Polizeiautos in hoher Geschwindigkeit begleitet wurde, die sie von den Schienen trennten. Nach Aussage des Staatsanwaltes fuhr der Zug mit einer Geschwindigkeit von 98km/h, da er weder vom Hubschrauber noch von den Aktivisten vorgewarnt werden konnte. Aus diesen Gründen hatten die Personen auf den Schienen sehr wenig Zeit festzustellen, dass der Zug nicht angehalten worden war und daher seine Geschwindigkeit nicht reduziert hatte. Wir hatten eine sekundenschnelle Evakuierung trainiert.
Sebastien wurde gerammt als er die Schienen verließ, sein Arm war nicht in dem Rohr blockiert. Durch die Schnelligkeit des Geschehens konnten wir ihm nicht zu Hilfe kommen. Vor diesem Ereignis hatten wir uns während zehn Stunden am Waldrand versteckt, 30 m von den Schienen entfernt, steif gefroren vor Kälte.
Während dieser Wartezeit wurden wir nicht entdeckt: weder von den15 km entfernten Wachposten, die uns den Zug ankündigen sollten, noch von den Stoppern und auch nicht von den Blockierern, die gegen 5 Uhr morgens die Rohre installiert haben. Es ist klar, dass die Verantwortung eines jeden Protagonisten geklärt werden muss. Auch die unsrige. Zur Stunde befinden wir uns in einem der schlimmsten Momente unseres Lebens. Im Gegensatz zu dem, was viele Menschen meinen, hatten wir wichtige Gründe, dort zu sein. In erster Linie die Rettung unseres Planeten, dessen Untergang wir Jahr um Jahr beiwohnen, aber auch die Ablehnung dieses monolithischen Staates, der jede Infragestellung verweigert. Es ist nicht Unreife oder Abenteuerlust, die uns veranlasst haben, diesen Zug zu stoppen. Man muss in diesem Land leider zu solchen Mitteln greifen, um eine so grundlegende Frage endlich auf den Tisch zu bringen. Sebastien ist durch den Unfall gestorben, er hat es sich nicht ausgesucht und es war von niemandem gewünscht. Er ist nicht betrunken am Steuer seines Autos auf dem Heimweg von der Disko gestorben, sondern während dem Versuch, seinen Überzeugungen Gehör zu verschaffen. Für uns wird sein Tod niemals eine Nebensächlichkeit sein.
In dieser Situation, in der wir uns sehr verloren fühlten, haben wir nicht mit so viel Unterstützung gerechnet. Wir bedanken uns vor allem bei den Freunden und Verwandten, den zahlreichen Vereinen, aber auch bei den Tausenden von Deutschen und Franzosen, die Demon-strationen und Gedenkfeiern organisiert haben. Das Ausmaß an Solidarität berührt uns. Am wichtigsten scheint es uns, um einen Bruder zu trauern und die Familie zu unterstützen, und ihn nicht als Bild zu instrumentalisieren. Sebastien war sicher auf der Suche nach einer weniger verrückten Welt, vor allem aber war er ein junger, lebensfröhlicher, energischer Mann, der die Menschen liebte. Dieser Text ist weder eine Beichte noch eine Aggression, wir wollen durch ihn nur die Wahrheit der Fakten wiedergeben.
Die Freundinnen und Freunde von Sebastien