LAND - WIRTSCHAFT: Die EU beschließt kleines Pestizidverbot

von Heike Schiebeck Imkerin, Longo maï, 06.11.2013, Veröffentlicht in Archipel 219

Anfangs waren nur die Imker_innen auf den Barrikaden. Das massive Bienensterben führen sie unter anderem auf die Anwendung von Saatgutbeizmitteln zurück. Die sogenannten Neonicotinoide enthalten Nervengifte. Das nun von der EU erlassene Verbot ist ein Teilerfolg, jedoch kein Grund zum Jubeln.

Das mit Neonicotinoiden gebeizte Saatgut der Chemiekonzerne Bayer, BASF und Syngenta ist 7000mal so schädlich wie DDT, wenige Nanogramm töten eine Biene. Noch kleinere Mengen bereiten Bienen und anderen Insekten schon Orientierungsschwierigkeiten. Sie finden nicht mehr in ihre Stöcke zurück und ihre Kommunikation ist durch die Nervengifte massiv gestört. Das EU-Verbot tritt am 1. Dezember 2013 in Kraft und gilt für die drei Pestizide Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam beim Anbau von Mais, Sonnenblumen, Raps, Ölkürbis, Mohn sowie Baumwolle für zunächst zwei Jahre. Vorerst erlaubt bleiben soll der Gebrauch der Chemikalien für Wintergetreide und Pflanzen, die keine Bienen anziehen. Das Verbot ist sehr beschränkt, denn etwa 80 Prozent der Flächen, die mit neonicotinoidgebeiztem Saatgut bestellt werden, sind nicht betroffen.

In Österreich hatte der amtierende Landwirtschafts- und Umweltminister Nikolaus Berlakovich vergangenes Frühjahr im EU-Agrarministerrat zweimal gegen das Teilverbot der Pestizide gestimmt. Das hatte im Umwelt-Musterland mit 20 Prozent Biolandbau einen Sturm der Entrüstung ausgelöst.
Täglich erschienen Zeitungsartikel zur Verteidigung der Bienen und mit Rücktrittsaufforderungen an den Minister. Mitarbeiter_in-nen einer Supermarktkette trugen gelbe T-Shirts mit dem Aufdruck «Wir lieben die Bienen». Die Imker_innen, unterstützt durch einige große Umweltverbände und die Medien, zwangen «Gift-Niki» schließlich zum Einlenken. Weite Teile der Bevölkerung sind nun aufgeklärt, was es mit den Neonicotinoiden auf sich hat. Die Bienen genießen in Österreich große Popularität. Allein unsere Gemeinde Eisenkappel in Südkärnten mit 2300 Einwohnern zählt 80 Imker_innen.
Unter dem Druck der Öffentlichkeit beschloss das österreichische Parlament vor der Sommerpause ein dreijähriges Verbot der bienengiftigen Saatgut-Beizmittel auch für Wintergetreide, womit die österreichische Regelung über das Moratorium auf EU-Ebene hinausgeht. Gleichzeitig wurde eine Einschränkung der Anwendung von Glyphosat, das im Totalherbizid Roundup enthalten ist, verabschiedet. Und zwar wurde das Totspritzen von Nutzpflanzen kurz vor der Ernte, die sogenannte Sikkation, verboten, weil in zunehmendem Maße Rückstände des hochgiftigen Glyphosats in Lebensmitteln gefunden wurden.

Wie wirken Neonicotinoide auf die Bienen?

Schon seit Jahren beobachteten Imker_innen in agrarisch intensiv genutzten Gebieten während der Rapsblüte und zur Maisaussaat auftretende Bienenschäden. Viele Flugbienen kehrten nicht zurück und auf den Bodenbrettern der Bienenkästen wurden täglich flugunfähige, verendende Bienen gefunden.
In Bayern und Baden Württemberg starben im Frühjahr 2008 tausende Bienenvölker, oder sie wurden stark geschwächt. In Slowenien halbierte sich der Bienenbestand. Chemische Analysen von Bienen- und Pflanzenproben ergaben eindeutig, dass der Wirkstoff Clothianidin aus der Gruppe der Neonicotinoide die Verluste verursachte. Das Gift ist im Saatgutbeizmittel «Poncho» der Firma Bayer enthalten. Es wird zum Beizen des Mais- und Rapssaatguts verwendet und wirkt in der heranwachsenden Pflanze als Kontakt- und Fraßgift. Neonicotinoide sind systemische Insektizide, die über die Wurzeln aufgenommen, in die Stängel und Blätter transportiert und dort nur langsam abgebaut werden. Eingesetzt wird »Poncho» gegen Drahtwürmer und den Maiswurzelbohrer. Da die Maisanbauflächen für die Produktion von Agrosprit zunehmen, wird die Fruchtfolge häufig nicht mehr eingehalten. Der jährliche Wechsel des Anbaus von Mais auf andere Kulturarten unterbricht den mehrjährigen Entwicklungszyklus der Käferlarve, und es entstehen keine geschlechtsreifen Käfer mehr. So lässt sich dieser Käfer ganz ohne Chemie bekämpfen.
Was passiert den Bienen? Bei der Aussaat von Mais, der mit «Poncho» und ähnlichen Mitteln gebeizt wurde, verweht abgeriebener Beizstaub auf Raps, Löwenzahn und Obst, die zu dieser Zeit blühen. Die Bienen sammeln Nektar der Blüten und tragen das Insektizid in ihren Stock, wo sie damit andere Bienen vergiften. Sammlerinnen sterben häufig schon auf dem Flug. So werden die Völker im Frühjahr schwächer statt stärker. Die Bienen nehmen das Gift auch über Guttationswasser auf, das die jungen Maispflanzen bei reichlicher Wasserversorgung und hoher Luftfeuchte über Öffnungen an den Blattspitzen in Tropfenform abgeben. Die Bienen trinken diesen giftigen Cocktail. Außerdem gelangt das Neonicotinoid mit de gesammelten Pollen ins Bienenvolk, den die Bienen einlagern und oft erst am Ende des Winters an die Brut verfüttern, wenn draußen noch nichts zu finden ist. So sterben auch im Winter Bienen und Brut an den Bayerschen Giften.
All diese Vorgänge sind ausreichend erforscht und seit Jahren bekannt. In Frankreich haben aufgebrachte Imker_innen nach massenhaftem Bienensterben aufgrund der Beizmittel «Poncho» und «Gaucho» schon im Jahr 2003 ein Verbot der Pestizide durchgesetzt. In Deutschland hat sich Bayer 2008 beeilt, an die betroffenen Imker_innen mehr als zwei Millionen Euro Entschädigung zu zahlen, ohne Anklagen abzuwarten. Seither waren die Einfuhr, das Inverkehrbringen sowie die Aussaat von Maissaatgut, welches mit Clothianidin und ähnlichen Beizmitteln behandelt wurde, dort verboten. Italien und Slowenien hatten die Zulassung der Neonicotinoide ebenfalls ausgesetzt.
Die europaweiten Proteste fanden schließlich in Brüssel Gehör. Im Dezember 2012 veröffentlichte das Europäische Parlament einen Bericht, der bestätigt, dass die Bienengefährlichkeit der neonicotinoiden Beizmittel nicht allein durch ihre akute Giftwirkung verursacht wird. Vielmehr sei erwiesen, dass bereits kleinste subletale Mengen (das sind Mengen, die nicht sofort tödlich wirken) die Pestizide in Nektar, Pollen oder Wasser die Überlebensfähigkeit eines Bienenvolks entscheidend beeinträchtigen können. Sie seien nicht nur für Bienen eine Gefahr, sondern bedrohten unser gesamtes Ökosystem.
80 Prozent der Kulturpflanzen und ein Drittel unserer Lebensmittel hängen direkt von der Bestäubung durch die Bienen ab. Die katastrophalen Auswirkungen des Bienensterbens auf die Landwirtschaft lassen sich heute schon in Regionen der Welt beobachten, in denen Obstbau nur noch möglich ist, wenn Menschen manuell die Bestäubungsarbeit der verschwundenen Insekten bewerkstelligen.
Am schlimmsten ist eine Wissenschaft, die für Geld alles macht.
Die Firma Bayer versucht nun ihr Image bei den Imker_innen und in den Medien zu verbessern. Bei Veranstaltungen von Imkervereinen verteilen Vertreter der Firma Plüschbienen, Samentütchen für «Blühinseln» und Zettel mit der Aufschrift «Bayer – we care for bees». Sie wollen die geschädigten Imker_innen davon überzeugen, dass nicht die Bayerschen Gifte sondern die Varroamilbe Schuld am Bienensterben sei. Gegen die Varroamilbe empfehlen sie Produkte von Bayer, die auch das hochgiftige Coumaphos enthalten, welches Rückstände im Bienenwachs hinterlässt und den Honig kontaminiert. Die Mehrheit der österreichischen Imker_innen bekämpft den vor etwa 30 Jahren aus Asien eingeschleppten Parasit erfolgreich mit Brutentnahme, Ameisen- und Oxalsäure. Diese organischen Säuren hinterlassen keine Rückstände in Wachs und Honig.
Vermehrt sind Zeitungsartikel zu finden, in denen behauptet wird, dass Winterverluste von 30% der Bienenvölker der Durchschnitt seien und dass es kein Bienensterben gäbe. Dazu Josef Hoppichler, Wissenschaftler an der Bundesanstalt für Bergbauernfragen: «Pseudowissenschaftlich wird in den Medien versucht, Insektizide, die sich in der Umwelt akkumulieren, als harmlos für die Bienen und die Agrarökosysteme darzustellen. Neonicotinoide sind systemisch, sie verteilen sich in der gesamten Pflanze, sie verbleiben im Boden und schädigen nicht nur die Bienen sondern alle Insekten und über die Nahrungskette der Wildtiere insbesondere Vögel und Amphibien. Wenn beharrlich Imker_innen immer wieder ihre Bestände aufbauen und der Intensivlandwirtschaft ausweichen, so ist das kein Beweis, dass Insektizide harmlos sind. Systemische Insektizide sind schon von ihrem Konzept her ein Desaster, weil sie eine systematische Zerstörung der Ökosysteme mit sich bringen. Statt die Schäden an unseren Ökosystemen aufzuzeigen, biedern sich viele Forscher_innen aus materiellen Gründen der Industrie als Verharmloser an. Immerhin haben nicht all die vielen Insekten- und sonstigen Naturforscher_innen das Bienensterben entdeckt, sondern zahlreiche praktizierende Imker_innen, die wegen offensichtlicher Schäden über Jahre Alarm schlugen. War früher die Natur katastrophal, so ist es heute - spätestens seit dem Atomzeitalter - leider der Mensch. Und am schlimmsten ist eine Wissenschaft, die für Geld alles macht.»

BAYER: Konzerngeschichte im Dienste des Todes Wenn wir Bayer hören denken wir zuerst an Aspirin. Was viele nicht wissen: Bayer ist weltweit der zweitgrößte Hersteller von Pestiziden und der drittgrößte Anbieter von Gentechnik-Saatgut. Der Konzern mit Sitz in Leverkusen (Deutschland) hat 120.000 Angestellte und einen Jahresumsatz von 28 Milliarden Euro. Bayer hat in seiner Geschichte immer Profite über Menschenrechte und Umweltschutz gestellt. Während des Ersten Weltkrieges erfand das Unternehmen den chemischen Kampfstoff Senfgas. Bayer war ein Teil der IG Farben, die mit den Nazis eng zusammengearbeitet haben. Degesch, eine Tochtergesellschaft der IG Farben, produzierte das in den Gaskammern verwendete Zyklon B. Nach dem Zweiten Weltkrieg musste sich der Chemiekonzern andere Absatzmärkte suchen. Er fand sie in der aufkommenden industriellen Landwirtschaft. Die Agro-Chemikalien vergiften seither das Grundwasser, die Böden, Insekten und Menschen. Nach Angaben der WHO erleiden jedes Jahr mindestens drei Millionen Menschen Vergiftungen durch Agro-Chemikalien, von denen 200.000 tödlich verlaufen.
Quelle: Coordination gegen BAYER-Gefahren, www.CBGnetwork.com