Am 19. Dezember 2016 geht das Mandat des kongolesischen Präsidenten Joseph Kabila zu Ende. An diesem Tag wird die Bevölkerung wieder massiv auf die Strasse gehen und seinen Rücktritt fordern. Die Verfassung verbietet ihm ein drittes Mandat, doch er scheut kein Verbrechen, um an der Macht zu bleiben.
Die 1990er Jahre, die das Ende des Kalten Krieges markierten, führten zu grossen politischen Umwälzungen innerhalb der Demokratischen Republik Kongo (R.D.C.), vormals Zaire. Dieses grosse und reiche Land wurde als Basis benutzt, um den kommunistischen Einfluss in Afrika zu stoppen.
Mobutu und die westlichen Mächte
Der Diktator Mobutu regierte das Land 32 Jahre mit eiserner Faust. Die westlichen Staaten hatten ihn an die Macht gebracht und unterstützten ihn während langer Zeit vorbehaltlos. Einerseits ging es ihnen darum, den Kommunismus in Afrika zu verhindern, und andererseits, ihren Zugang zu den Bodenschätzen im Kongo zu sichern.
Im Jahr 1990 begann eine neue Ära mit dem Fall der Berliner Mauer und der Rede von François Mitterand, der die Demokratisierung der afrikanischen Staaten als Voraussetzung für die weitere Zusammenarbeit forderte. Mobutu stellte für die westlichen Mächte keine ausreichende Garantie mehr dar. Seine externen «Freunde» liessen ihn fallen und das eigene Volk trieb ihn in die Enge, weil es sein autoritäres Regime satt hatte. Er war gezwungen, einen grösseren politischen Spielraum zu öffnen. So konnten mehrere politische Parteien aktiv werden.
In den Jahren 1991 und 1992 wurde eine «souveräne nationale Konferenz» organisiert, die 2‘850 Delegierte aus allen Provinzen, sozialen Schichten und Berufszweigen versammelte. Das Ziel dieser Konferenz bestand darin, die Geschichte des Landes neu zu beleuchten und eine selbstbestimmte Aussöhnung in der Bevölkerung zu fördern. Trotz der von Mobutu auferlegten Hindernisse schaffte es die nationale Konferenz, das Projekt einer demokratischen Gesellschaft auszuarbeiten. Die Anwesenden bestimmten einen Premierminister und beauftragten ihn, dieses Projekt zu tragen und das Land in Richtung freie und demokratische Wahlen zu führen.
Ein verschwiegener Krieg
Mobutu, der das Ende seiner Regentschaft ahnte, und einige Westmächte, die ihren Einfluss schwinden sahen, zettelten ein Chaos an, (so wie sie es schon 1960 getan hatten), um die neue Ordnung der «souveränen nationalen Konferenz» zu zerschlagen. Mobutu, unterstützt von seinen westlichen Freunden, enthob den Premierminister seines Amtes, löste das Übergangsparlament, den «Nationalen Hohen Rat der Republik», auf und kehrte so gewaltsam auf die internationale Bühne zurück.
Diese Rückkehr war jedoch nur von kurzer Dauer. Denn die Spannungen zwischen den frankophonen und angelsächsischen Mächten um die Kontrolle Zentralafrikas nach dem Ende des Kalten Krieges brachte die Angelsachsen dazu, einen eigenen Vertreter ihrer Interessen für den Kongo zu suchen. Sie stiessen auf Laurent Désiré Kabila, der zwar an der Seite Lumumbas gekämpft hatte, später aber zu einem Warlord wurde, der in den illegalen Rohstoffhandel verwickelt war. Die USA setzten ihn an den Kopf einer aus Ruandern, Burundis, und Ugandern zusammengesetzten Armee, um Mobutu von der Macht zu vertreiben.
Damals brach der so genannte «Befreiungskrieg» im Kongo aus. Dieser schleichende Krieg, der in groben Umrissen die «Balkanisierung» des Kongos anpeilte, erzeugte und erzeugt noch immer enorme menschliche und materielle Verluste: mehr als 6 Millionen Tote, 2,5 Millionen Kriegsvertriebene, Vergewaltigungen von Frauen und Kindern, die Plünderung der Bodenschätze des Landes… All dies geschieht unter dem Mitwissen und Schweigen der gesamten internationalen Gemeinschaft.
Im Jahr 2001 wurde Laurent Désiré Kabila ermordet, da er inzwischen bei seinen Mentoren wegen Gefährdung der westlichen Interessen in Ungnade gefallen war. In der Folge gelang es, einen wesentlich zahmeren Statthalter zu finden. Dieser nennt sich Joseph Kabila, in Wahrheit heisst er Kanambe. Der junge Mann von damals dreissig Jahren, ruandischer Nationalität, ohne jegliche Bildung, ohne Kompetenz und Erfahrung, um so ein grosses Land wie den Kongo zu regieren, wurde an die Spitze des Staates gestellt. Sein einziger «Verdienst»: Er ermöglicht den westlichen Mächten, den Kongo aus der Ferne zu lenken.
Manipulierte Wahlen
Im Jahr 2006 fanden Wahlen statt. Die Macht von Joseph Kabila sollte legitimiert werden. Dies geschah mit der finanziellen und logistischen Unterstützung der internationalen Gemeinschaft und der Europäischen Union. EU-Kommissare, unter anderem Louis Michel, tauchten regelmässig im Kongo auf und führten eine öffentliche Kampagne für Kabila, der von ihnen als Friedensstifter dargestellt wurde. Massive Unregelmässigkeiten und Betrügereien prägten diese Wahlen, die natürlich Kabilas Herrschaft bestätigten.
Dann, 2011, kam es erneut zu Wahlen. Laut den nationalen und internationalen Beobachter_innen ging Etienne Tshisekedi als Sieger dieser Abstimmung hervor. Präsident Kabila weigerte sich jedoch, die Regierungsgeschäfte abzugeben und massakrierte mit seiner Armee zahlreiche De-monstrant_innen, die auf die Strasse gegangen waren, um die Wahrheit über die Wahlen einzufordern.
Am 19. Dezember 2016 geht das Mandat des kongolesischen Präsidenten Joseph Kabila zu Ende. Seit 2001 ist er an der Macht und die Verfassung verbietet ihm ein drittes Mandat. Er hat jedoch alle Hebel in Bewegung gesetzt, um im Amt zu bleiben:
Im Januar 2015 versuchte er die Verfassung zu ändern, um sich ein drittes Mal als Präsidentschaftskandidat aufstellen zu lassen. Kabila ist davon überzeugt, dass er mit massiven Wahlfälschungen, wie in den Jahren 2006 und 2011, auch die kommende Wahl gewinnen würde. Sein Versuch, die Verfassung zu ändern, führte zu einem Volksaufstand, der von der Armee blutig niedergeschlagen wurde. Durch den Einsatz von scharfer Munition verloren mehr als 400 Menschen ihr Leben. Doch Kabila musste zumindest die Verfassungsänderung aufgeben.
In diesem Jahr
Am 19. September 2016 ging die Bevölkerung erneut auf die Strassen, um den Rücktritt Kabilas zu fordern. Die Regierung reagierte ein weiteres Mal mit harter Repression; hunderte friedliche Demonstrant_innen kamen in Kinshasa und Kananga ums Leben. Dies konnte geschehen, weil die internationale Öffentlichkeit kaum Notiz vom Schicksal der Menschen im Kongo nimmt.
Mit dem Ziel, sich nach dem 19. Dezember eine Legitimation zu verschaffen, hat Joseph Kabila daraufhin einen so genannten «Dialog» mit einigen Marionetten der Opposition initiiert. Diese «Dialoggruppe» hat die nächsten Wahlen auf das Jahr 2018 verschoben, aber die grosse Mehrheit der Bevölkerung und der wirklichen Opposition weigert sich, diese antikonstitutionelle Vereinbarung anzuerkennen.
Die Bilanz der 15-jährigen Herrschaft Kabilas ist finster und blutig: Unter seiner diktatorischen Regentschaft wurde der Menschenrechtsaktivist Floribert Tchabeya ermordet, es gab die Massaker an den Student_innen und an anderen Bevölkerungsgruppen; Kabila liess Oppositionspolitiker und Intellektuelle willkürlich verhaften und für lange Jahre ins Gefängnis werfen. Korruption bis auf höchster Ebene ist alltäglich, ebenso der Diebstahl und die Zweckentfremdung öffentlicher Güter.
Dringender Aufruf
Die Bevölkerung wird am 19. Dezember wieder massiv auf die Strasse gehen und den Rücktritt von Kabila fordern. Wir befürchten, dass es wieder zu einem Blutbad unter den Demonstrant_in-nen kommen könnte. Deshalb wenden wir uns an die internationale Öffentlichkeit, an die Medien und an humanitäre und politische Organisationen, damit sie als Zeug_innen das Augenmerk auf den 19. Dezember und die weitere Entwicklung im Kongo richten.*
Die Macht Kabilas geht nicht vom Volk der Republik Kongo aus, sondern von denjenigen Konzernen und Regierungen, denen er die Plünderung der Rohstoffe des Landes ermöglicht. Die Ausbeutung von Koltan, Gold, Uran, Kupfer, Kobalt, Diamanten, Erdöl, Zink, Eisen und anderen Erzen im Kongo ist ein wesentlicher Baustein für das Funktionieren des weltweit herrschenden Wirtschaftsystems. Wir brauchen Eure internationale Solidarität, um dieses menschenverachtende System und die blutige Herrschaft Kabilas zu beenden!
* Kontakt für konkrete Informationen: Deutschland: de(at)forumcivique.org,
Österreich: Dieter Alexander Behr, at(at)forumcivique.org,
Schweiz: ch(at)forumcivique.org