Gemäss dem italienischen Gesetz 185, Artikel 6, aus dem Jahr 1990, das Rüstungsunternehmen dazu verpflichtet, bei der Regierung Ausfuhrgenehmigungen zu beantragen, und die Lieferung von Waffen an Länder in bewaffneten Konflikten verbietet, ist es in Italien illegal, Waffen an Länder zu verschiffen, in denen Krieg herrscht. Die Hafenarbeiter in Genua bekämpfen den illegalen Handel und den illegalen Transit von Waffen.
Das C.A.L.P. (Colletivo Autonomo Lavoratori Portuali» prangert seit Jahren den illegalen Transit und Handel an, der nicht nur über den Hafen von Genua, sondern auch über andere zivile Häfen in Italien und Europa abgewickelt wird, und leistet Widerstand dagegen.
Kriege werden über Häfen geführt, in Italien vor allem über den Hafen von Genua, der zu einem Logistikzentrum für den internationalen Handel mit ausländischen Waffen geworden ist. Auf einer typischen Route fahren die Waffen von den USA nach Europa, insbesondere nach Genua, und dann weiter nach Ägypten, einem der Hauptabnehmerländer für Waffen. Die Schiffe legen dann in der Türkei im Hafen von Iskerderun an, der etwa 80 Kilometer von der Nordgrenze Syriens entfernt liegt. Andere Schiffe fahren nach Saudi-Arabien. Etwa alle zwanzig Tage laufen die Schiffe der staatlichen saudi-arabischen Reederei «Bahri» den ligurischen Hafen an. In ihren Frachträumen befinden sich Panzer, Hubschrauber, Bomben und andere in den USA geladene Waffen, die für den Konflikt im Jemen bestimmt sind. Ein Konflikt, der von den Vereinten Nationen als Schauplatz einer riesigen humanitären Katastrophe bezeichnet wird, für die Saudiarabien einer der Hauptverantwortlichen ist. Die Schiffe des israelischen «ZIM»-Schifffahrtunternehmens passieren ebenfalls den Hafen von Genua und transportieren Waffen, die von den USA, Europa und Israel verkauft werden. Wieder andere fahren nach Libyen. Alles in allem gibt es einen kontinuierlichen Schiffsverkehr von Genua in die bekanntesten Kriegsgebiete.
Eine ethische Frage
Die Hafenarbeiter in Genua haben eine lange Geschichte im Kampf gegen den Waffenhandel, und ihre Praxis der Solidarität ist nicht neu – wie zum Beispiel zur Zeit des Vietnamkriegs oder der Pinochet-Diktatur in Chile. Sie gehören zu einer maritimen Kultur, in der Hilfsbereitschaft und Gastfreundschaft grundlegende Werte sind. Deshalb kämpfen sie gegen die Regierung, welche die Häfen für Menschen schliesst, die vor Kriegen, Diktaturen und Hunger fliehen, sie aber gleichzeitig für den Waffenhandel offenlässt.
Die Friedenskämpfer, wie sie sich selbst gerne nennen, führen regelrechte antimilitaristische Blockaden durch, um den Waffenschmuggel im Hafen anzuprangern. Sie blockieren Schiffe und weigern sich, Waffen zu verladen, die für Konfliktgebiete bestimmt sind. Dank der aufmerksamen Überwachung durch die Hafenarbeiter findet das Be- und Entladen von Waffen und militärischer Ausrüstung im Hafen von Genua nicht mehr statt, aber der Transit von mit Waffen beladenen Schiffen wird fortgesetzt. Für die Mitglieder des C.A.L.P. ist das Blockieren von Waffenladungen nicht nur eine juristische sondern vor allem auch eine ethische Frage: Sie wollen nicht zu Komplizen von Kriegen und Massakern werden.
Das C.A.L.P. wurde 2011 von Arbeitern im Hafen von Genua gegründet – mit dem Ziel, das Kollektiv der Hafenarbeiter wiederzubeleben. Die Mitglieder gehören alle der Gewerkschaft U.S.B. (Unione Sindacale di Base) an. Die ursprüngliche Gewerkschaftsstruktur war die C.G.I.L. (Confederazione Generale Italiana del Lavoro), mit der jedoch die politischen Differenzen immer offensichtlicher geworden waren. Die Hafenarbeiter solidarisierten sich mit Arbeitnehmer·innen mit geringer Verhandlungsmacht, mit der antifaschistischen Bewegung, mit Student·inn·en und pazifistischen Gruppen. Sie tragen den Rechtsstreit über den Hafen hinaus bis zum Europäischen Parlament. Sie organisieren internationale Konferenzen, um ein Netzwerk gegen den illegalen Waffentransit aufzubauen, stehen in Verbindung mit Arbeitern und Arbeiterinnen in anderen nationalen und europäischen Hafenanlagen wie Livorno, Marseille und Bilbao, mit denen sie transnationale Streiks initiiert haben, und sie arbeiten auch mit verschiedenen Bürger·innen-Initiativen wie dem «Rete Pace Disarmo» (Netzwerk für Frieden und Abrüstung) und der Waffenbeobachtungsstelle «Weapon Watch» zusammen.
Licht ins Dunkel
Einer der Kämpfe bestand darin, die Hafenbehörden von Genua auf die immensen Sicherheitsrisiken für die Arbeiter·innen und die Bevölkerung aufmerksam zu machen, die durch den Umgang mit Sprengstoffen und Waffen in einem Hafen in einem dicht besiedelten städtischen Umfeld wie dem Stadtteil Sampierdarena entstehen. Waffenladungen werden nicht nur nicht identifiziert und gekennzeichnet, wie es bei gefährlichen Gütern der Fall sein sollte, sondern sie sind manchmal auch unbekannter Herkunft. Diese unklare Logistik stellt unter anderem einen Verstoss gegen Artikel 11 der italienischen Verfassung dar, der den Militärexport regelt. Im Wesentlichen lässt der italienische Staat unter dem Vorwand des freien Warenverkehrs Schiffe, die mit Waffen beladen sind, ungehindert passieren. Tatsächlich handelt es sich nicht um Schiffe, die speziell für den Waffenhandel bestimmt sind, da diese sicherlich leichter zu identifizieren wären, sondern um «normale» Schiffe, die eben auch Waffen transportieren. Die Verhinderung dieses illegalen Transits ist für die C.A.L.P. die natürliche Fortsetzung des Kampfes, der vor langer Zeit von einem Teil der Arbeiterklasse, die sich internationalistisch ausrichtete, begonnen worden war.
Dank des Engagements der «Camalli» (Hafenarbeiter im genuesischen Dialekt) kam allmählich Licht in die Illegalität der Waffentransporte. Die wichtigsten Aktionen waren die tatsächliche Blockade des Hafens und der Streik im Jahr 2019, um gegen die Genehmigung der italienischen Regierung für die Durchfahrt saudischer Schiffe zu protestieren. Durch ihre Mobilisierungen trugen sie dazu bei, dass das Europäische Parlament im Januar 2021 den Kauf und Verkauf von rund 19.000 Raketen durch RWM (italienisches Unternehmen des deutschen Waffenherstellers Rheinmetall) zur Bestückung von Drohnen blockierte, die von Saudi-Arabien im Jemen eingesetzt werden. Im Mai 2021 versuchten sie, eine für Israel bestimmte Waffenlieferung zu blockieren, indem sie mit den Häfen von Livorno und Neapel zusammenarbeiteten. Eine Aktion, die zu diplomatischen Problemen zwischen Italien, Israel und den USA führte. An Versuchen, das C.A.L.P. und seine Aktionen zu kriminalisieren, fehlt es nicht. Im Jahr 2021 durchsuchte die Polizei in Genua ihre Büros und mehrere Wohnungen. Gegen fünf Aktivisten ermittelte die Staatsanwaltschaft Genua im Zusammenhang mit antimilitaristischen Demonstrationen. Diese wurden wegen Bildung einer «kriminellen Vereinigung» angeklagt, wobei die Straftaten vom Widerstand gegen die Staatsgewalt über das Zünden von Rauchbomben und das Werfen gefährlicher Gegenstände bis hin zur Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit des Verkehrs reichten. Die schwersten Anklagen wurden jedoch fallen gelassen.
Mit dem Ruf «Legt die Waffen nieder und erhöht die Löhne» rief das C.A.L.P. am 25. Februar 2023 zu einer landesweiten Demonstration auf. Die Hafenarbeiter blieben bei dieser Aktion nicht allein, sondern erhielten Unterstützung von einem bedeutenden Teil der Zivilgesellschaft. Rund zehntausend Menschen marschierten durch den genuesischen Hafen, so viele wie noch nie zuvor. Es war ein sehr symbolträchtiger, partizipativer und kämpferischer Zug, in dem Transparente wie «Stoppt den Waffenhandel in den Häfen», «Stoppt die Waffen im Hafen von Genua», «Keine Toten mehr bei der Arbeit» und «Häfen für den Krieg geschlossen, Häfen für Migrant·inn·en geöffnet» mit grosser Leidenschaft hochgehalten wurden.
Ungebremster Waffenhandel
In den letzten Jahren hat der Kampf des C.A.L.P. gegen den militärisch-industriellen Komplex eine immer breitere Dimension angenommen. Das Kollektiv prangert die NATO an, die seiner Meinung nach zur wichtigsten Kriegstreiberin der Welt geworden ist, und fordert deren Rückzug aus Italien. Tatsächlich hat die NATO Sardinien seit den 1950er-Jahren in ein riesiges Militärgebiet verwandelt, dessen Infrastruktur von den USA kontrolliert wird. Militärische Versuche verursachen enorme Schäden an der Umwelt auf der Insel und im Meer sowie an der menschlichen Gesundheit und führen durch die Freisetzung von Nanopartikeln, die mit Thorium und Uran 238 verseucht sind, zu schweren Missbildungen und Leukämie in der Bevölkerung.
Diese Informationen sollen die Stimmen derjenigen verstärken, die sich gegen die Beteiligung Italiens an neuen Konflikten aussprechen. Der Waffenhandel ist seit 2003 ungebremst gewachsen, und Italien ist der viertgrösste Waffenexporteur der Welt. Die Vereinigten Arabischen Emirate, die Türkei und Algerien sind die Nationen, für die Italien am meisten produziert. Die jährlichen Militärausgaben des Landes werden auf rund 26 Milliarden Euro geschätzt (Zahlen von 2017) und steigen jedes Jahr. Dies entspricht etwa 70 Millionen Euro pro Tag. Die Ausrichtung des militärischen Industriesektors, nur auf die «Verteidigung» zu reduzieren, scheint unmöglich. Ebenso undenkbar ist es, den Verkauf von Rüstungsgütern zu begrenzen, ohne beschuldigt zu werden, die Wirtschaft und damit das Gemeinwohl bremsen zu wollen.
Italien wird seine Militärausgaben bis 2028 auf 2 Prozent des BIP anheben (derzeit liegen sie bei 1,54 Prozent): ein Weg, der laut Verteidigungsminister Guido Crosetto sehr schnell zurückgelegt werden muss, da die Ausgaben für die Modernisierung des Militärs bis 2022 um keinen einzigen Euro gestiegen sind. Waffen sind schnell veraltet und müssen eingesetzt werden, damit neue Waffen produziert und verkauft werden können. Das ist die Logik des Marktes. Der einfachste Weg, alte Waffen loszuwerden, ist der Krieg – das Ziel, für das sie schliesslich bestimmt sind. Und genau auf diesem Punkt beharrt Minister Crosetto: «Die Hilfe, die wir der Ukraine in den letzten Monaten gewährt haben, zwingt uns dazu, die Bestände, die wir für die Landesverteidigung brauchen, wieder aufzufüllen.»
Guido Crosetto war Vorsitzender der «Federazione Aziende Italiane per l’Aerospazio, Difesa e la Sicurezza» (AIAD), des Verbandes der italienischen Unternehmen für Luft- und Raumfahrt – Verteidigung und Sicherheit, und der «Confindustria» (Allgemeiner Verband der italienischen Industrie). Gleichzeitig war er Waffenhändler als Vorsitzender von «Orizzonte Sistemi Navali», einem Unternehmen, das sich auf die Planung und den Bau von militärischen Marineeinheiten, insbesondere Korvetten, Fregatten und Flugzeugträger, spezialisiert hat. Als Verteidigungsminister setzt er sich für die Lieferung von Waffen an die Ukraine ein. Die Entscheidung der italienischen Regierung war es, die ursprünglich nur bis Dezember 2022 geplanten Lieferungen bis zum 31. Dezember 2023 zu verlängern. Dies löste eine breite Debatte in der Öffentlichkeit und in verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen aus.
Im Jahr 2022 demonstrierten das C.A.L.P. und die U.S.B., um eine Waffenlieferung nach Saudi-Arabien zu blockieren, und arbeiteten zusammen, um eine als humanitäre Hilfe getarnte Waffenlieferung aufzuhalten, die den Flughafen von Pisa in Richtung Ukraine verlassen sollte.
Die Deutung des aktuellen Krieges in der Ukraine bleibt schwierig. Über die politischen und militärischen Entscheidungen, welche die europäischen Regierungen als Reaktion auf die russische Invasion getroffen haben, gehen die Meinungen auseinander. Soll der Ukraine die Möglichkeit gegeben werden, ihr Recht auf Selbstverteidigung auszuüben, oder sollen die Waffenlieferungen gestoppt werden, um den Krieg nicht noch intensiver, ausgedehnter und tödlicher zu machen? Wäre es angebracht, die Wirtschaftssanktionen gegen Russland zu verschärfen, insbesondere in Bezug auf Öl und Gas? Aber wie ist das möglich, ohne die italienische und europäische Wirtschaft zu schädigen? Wäre die vermehrte Ausrichtung auf Diplomatie als Alternative zu der dramatischen Entwicklung nicht zu fördern? Diese Fragen sollten im Bewusstsein der internationalen politischen, geopolitischen und wirtschaftlichen Interessen, die auch mit der Waffenproduktion verbunden sind, analysiert werden.
Valentina Malli