Feministin, Indígena, Regimekritikerin. Ein Dorn im Auge der Staudammfirmen und des honduranischen Staates. Berta Cáceres wurde aus vielerlei Gründen bedroht. Ihre Ermordung am 2. März bedeutet den Verlust einer der wichtigsten Umwelt- und Menschenrechtsaktivist_innen Lateinamerikas.Angst und Bedrohung begleiteten Berta Cáceres, seit sie denken konnte. Seit dem Militärputsch von 2009 hat sich die Menschenrechtslage in Honduras deutlich verschlechtert. 150 Morde an Menschenrechtsverteidiger_innen wurden allein zwischen 2012 und 2014 dokumentiert, unter ihnen 111, bei denen die Opfer die Rechte auf Land, Gemeingüter und natürliche Ressourcen verteidigt hatten.
Geboren im Jahr 1973 als Tochter der örtlichen Hebamme, wuchs Berta inmitten der linken Umbrüche Zentralamerikas auf. Als junge Frau unterstützte sie im nahen El Salvador die dortige Revolution. Berta widmete ihr gesamtes Leben dem Einsatz für Gerechtigkeit, ging keinem Konflikt aus dem Weg und ließ sich auch durch die vielfachen Morddrohungen nicht abschrecken. Sie kannte die Todesliste der Armee, auf der sie ganz oben stand, und sie wusste um die systematische Straflosigkeit in Honduras. Drei ihrer vier Kinder leben schon seit Jahren im Exil. Um Bertas Schutz zu gewährleisten, hatte ihr die interamerikanische Menschenrechtskommission besondere Sicherheitsmaßnahmen gewährt. 2015 erhielt sie mit dem Goldman Environmental Prize eine der bekanntesten Auszeichnungen für Umweltengagement. Dass Berta trotz ihrer internationalen Bekanntheit ermordet wurde, ist ein Schock für die sozialen Bewegungen Lateinamerikas und für viele Beobachter_innen weltweit.
1993 gründete Berta mit anderen den Zivilen Rat der populären und indigenen Organisationen von Honduras, COPINH. Die Organisation steht seither für den Kampf der bäuerlichen Lenca-Bevölkerung für ihr Recht auf Land und auf ein selbstbestimmtes Leben. Durch tagelange Fußmärsche in die Hauptstadt Tegucigalpa, durch Besetzungen, Straßenblockaden und andere gewaltfreie Aktionen konnte die indigene Basisbewegung Waldrodungen, Bergbauprojekte oder neue Privatisierungswellen verhindern und erreichte unter anderem die Ratifizierung der indigenen Menschenrechtskonvention in Honduras. Ein Frauenhaus, ein eigenes kommunales Radio oder auch Weiterbildungen im Gemeindezentrum «Utopía» sind Beispiele für die erfolgreiche Entwicklung eigenständiger Alternativstrukturen. Ohne Berta wäre all dies nie möglich gewesen.
In der Nacht vom 2. auf den 3. März wurde sie von Auftragsmördern in ihrem Haus in La Esperanza ermordet. Am 2. März hatte ein Kongress zum Thema «Alternative Energien aus der Lenca-Vision» begonnen. Der angereiste mexikanische Menschenrechts-verteidiger Gustavo Castro Soto befand sich in der Mordnacht in Bertas Haus, er wurde angeschossen und überlebte nur durch Zufall. Als einziger Zeuge, der die Täter identifizieren kann, befindet er sich seither selbst in Gefahr und konnte nach mehreren Wochen endlich aus Honduras ausreisen. Durch seine Aussagen wurde der offensichtliche Plan der staatlichen Ermittler durchkreuzt, die vorerst die COPINH-Mitglieder selbst des Mordes bezichtigten, statt als erstes die lokal bekannten Auftragskiller, die insbesondere in Zusammenhang mit dem Staudammprojekt Agua Zarca stehen, zu vernehmen.
Von sauberer Energie kann keine Rede sein
«Energie ist mehr als eine technische Debatte, sie sollte ein Menschenrecht, sollte Teil des Gemeinguts der Lenca-Gemeinden sein. Wir sollten darüber mitentscheiden dürfen», forderte Berta noch am Tag ihrer Ermordung auf dem COPINH-Kongress. Allein im Lenca-Territorium, welches im Südwesten des Landes liegt, sind derzeit rund 40 private Wasserkraftwerke umgesetzt oder in Planung. Sie verbauen die noch frei fließenden Gewässer, führen zur Zerstörung von Subsistenzflächen und werden fast ausnahmslos auf autoritäre und gewaltsame Art durchgesetzt – ohne dass die rechtlich verankerte Befragung der indigenen Bevölkerung stattfinden würde, ohne dass die vielzähligen Versprechen eingehalten würden. «Von sauberer Energie kann keine Rede sein», sagt COPINH und stellt sich gegen den «CO2lonialismus» und damit dagegen, dass Klima- und Umweltschutzprogramme dieselben kolonialen Muster aufweisen und zur Privatisierung und Finanzialisierung der Natur führen.
Doch es ist keine Leichtigkeit, für den Widerstand gegen erneuerbare Energie und «grüne» Projekte Legitimität zu bekommen. Seit 2013 setzte sich Berta mit den betroffenen COPINH-Basisgemeinden gegen die Errichtung des Wasserkraftwerks Agua Zarca am Río Gualcarque im Bundesland Intibucá ein. Im August desselben Jahres wurde der erste lokale Staudammgegner von Militärs erschossen, es folgten weitere Morde und die Kriminalisierung vieler COPINH-Mitglieder. Dennoch zogen sich die beteiligten Firmen und Banken, darunter Siemens, Voith Hydro, die holländische sowie die finnische Entwicklungsbank, nicht aus dem Projekt zurück. Es sei ein Erfolgsmodell für nachhaltige regionale Entwicklung, hieß es. Erst nach der Ermordung Bertas und eines weiteren COPINH-Mitglieds wenige Tage später sowie massivem Druck internationaler Organisationen legten sie die Finanzierung – vorerst – auf Eis.
COPINH ist mit Mitgliedern in über 100 Lenca-Gemeinden eine der größten indigenen Organisationen von Honduras – und sicherlich eine der radikalsten. In einer Erklärung von Bertas Mutter sowie ihrer Kinder heißt es: «Wir wissen mit absoluter Sicherheit, dass die Motivation für ihre niederträchtige Ermordung ihr Widerstand und ihr Kampf gegen die Ausbeutung der natürlichen Gemeingüter und die Verteidigung der Lenca war. Ihr Mord ist ein Versuch, den Einsatz der Lenca gegen jegliche Form der Ausbeutung und Vertreibung auszulöschen. Ein Versuch, den Aufbau einer neuen Welt zu verhindern. (…) Sie kämpfte nicht nur für die natürliche Umwelt, sondern für einen Systemwandel, gegen den Kapitalismus, gegen Rassismus und gegen das Patriarchat.»
Anscheinend viele Gründe, um Berta zum Schweigen zu bringen. Die Hoffnung bleibt, dass COPINH auch ohne sie die wichtige Arbeit fortführen kann und dass der globale Aufschrei zu mehr Sicherheit für andere Regime-kritiker_innen führt.
Magdalena Heuwieser
Magdalena Heuwieser ist in der deutsch-österreichischen Solidaritätsgruppe HondurasDelegation aktiv, die COPINH seit Jahren begleitet. In ihrem 2014 veröffentlichten Buch Grüner Kolonialismus in Honduras beschreibt sie den Einsatz von COPINH gegen das Land Grabbing im Namen des Klimaschutzes, darunter auch gegen das Staudammprojekt Agua Zarca.