In Französisch-Guyana im Amazonas hat Frankreich ein grosses Gebiet für den Goldabbau zur Verfügung gestellt. Damit steht das Land im Widerspruch zu seinem deklarierten Willen, die weltweite Umweltverschmutzung zu bekämpfen.
Die «Grande Nation» Frankreich setzte sich Ende 2015 als «universelle Umwelt-Wächterin» an der UNO-Klimakonferenz von Paris in Szene. Frankreich sei die Nation, deren neuer Präsident Emmanuel Macron dafür sorgen will, dass ihre Grösse – im Gegensatz zu anderen Staaten, die sich nur auf ihre Landesgrenzen beschränken wollen – von neuem über den ganzen Planeten erstrahlen möge. Man will uns glauben machen, Frankreich sei auf einem Kreuzzug gegen die globale Umweltverschmutzung. Will man uns zum Narren halten?
Der Ruf des Goldes
Wagen wir einen Blick über den Atlantik: Frankreich wurde im Zuge der europäischen Kolonialgeschichte Eigentümer einer Fläche von 84‘000 km² amazonischen Waldes im heutigen Französisch-Guyana. Es eiferte den ersten spanischen Kolonisatoren nach und entschloss sich, einen Grossteil dieses Besitzes – erworben ohne Geld und Vertrag – einen Namen zu geben, auf den sogar Ferdinand der Katholische neidisch gewesen wäre: Dieses Landstück im Becken des Flusses Mana im Norden der indigenen Gemeinde von Awala-Yalimapo, erhielt den Namen «Goldberg». Jetzt wurden zwei Grosskonzerne damit beauftragt, Prospektions- und Schürfungsarbeiten durchzuführen, um die dortigen Goldvorkommen auszubeuten. Der erste Konzern Nord-Gold ist ein russisches Minenunternehmen und hat den Ruf, in Burkina Faso, wo er bereits tätig ist, mehr auf Profit als auf Menschenrechte zu achten – genau in demjenigen Land, wo der französische Präsident neulich in seiner Rede «die unbestreitbaren Verbrechen der Kolonisation» zugab. Der zweite Konzern, Columbus Gold, ist ein kanadischer Multi, dessen Name sich ganz offensichtlich mit der jahrhundertealten Kolonisierung Amerikas identifiziert.
Zerstörung der «wasserreichen Erde»
Die Konzession «Goldberg» betrifft 15 km² Wald, der Teil einer Gesamtfläche von 150 km² mit bestehenden Schürfrechten ist, welche noch grösstenteils von der französischen Kolonialregierung vergeben worden waren. Die Konzerne Nord-Gold und Columbus Gold gehören zu den Konzessionären. Um das begehrte gelbe Metall zu gewinnen, wird Frankreich also diese «wasserreiche Erde», wie sie von den Völkern Guyanas genannt wird, aufreissen, um Aushubarbeiten in einer Länge von zwei Kilometern, 500 Metern Breite und 400 Metern Tiefe auszuführen. Diese Mine unter freiem Himmel wird mehrere Millionen Tonnen von Giftschlamm mit Blausäuresalz (Zyankali) produzieren, die in zwei Abfallbergen von über hundert Metern Höhe abgelagert werden. Zusätzlich zum industriellen Goldabbau wird die Goldgewinnung aus Schwemmland zu einer weiteren Zerstörung von sieben Hektar Wald führen.
Der französische Staat mag auf den Bau des Flughafens von Notre-Dame-des-Landes in der Nähe von Nantes verzichtet haben, um seinen guten Willen für den Umweltschutz zu unterstreichen; gleichzeitig stampft er aber «in Frankreich» eine gigantische Industriezone mit grossem Katastrophenrisiko aus dem Boden – und dies auf einer zehnmal grösseren Fläche als die des geplanten Flughafens. «In Frankreich», weil die «wasserreiche Erde» nach französischem Recht zum Staatsgebiet gehört. Die Kolonialgouverneure, die früher die Konzessionen vergaben, wurden in ihrer Funktion durch Präfekte ersetzt. Eine Fläche so gross wie der Wald von Rambouillet oder jener von Darney in den Vogesen steht auf dem Spiel.
Eine vorprogrammierte Katastrophe
Wer würde heute widerstandslos akzeptieren, dass in der Nähe von Paris oder in den Vogesen eine Industriezone dieser Art und Grösse errichtet würde? Wer würde heute akzeptieren, dass man ein Risiko dieses Ausmasses eingeht, allein mit dem Ziel, die gleichen überflüssigen Reichtümer anzuhäufen, die seit fünf Jahrhunderten für die Zerstörung des Lebens auf der Erde in grossem Masse mitverantwortlich sind? Hunderte von Pflanzen- und Tierarten sind bedroht und die Gewässer werden vergiftet zurückgelassen. Man erinnere sich nur an die Verordnung der Präfektur der Region Aude von 1997, die seit zwanzig Jahren regelmässig verlängert wird: Sie empfiehlt den Einwohner·innen von Salsigne, wo bis zum Jahre 2004 die grösste französische Goldmine in Betrieb war, nach wie vor weder das Wasser vom Regen noch von Bächen zu benützen, kein Obst und Gemüse (tödlich!) ihres Gartens zu essen und sich nicht in den Gewässern zu baden – eine Empfehlung, die gemäss den Expert·innen vom Bureau de Recherches Géologiques et Minières (Institut für geologische Forschungen für den Bergbau) bis auf weiteres verlängert werden muss, und dies während noch…. 10‘000 Jahren! Wer möchte heute wissentlich die Menschen in Guyana einer solche Vernichtung jeglicher Zukunft aussetzen?
Es ist skandalös, dass Columbus Gold und Nord-Gold völlig unbehelligt von der französischen Öffentlichkeit ihr zerstörerisches Werk in Guyana angehen können. Sind etwa die bedrohten Tier- und Pflanzenarten in Amazonien weniger wert als die Arten in unseren Wäldern? Das Wasser in Guyana weniger schützenswert als das Unsrige hier? Verdienen die Kinder in Guyana nicht die gleiche Rücksicht wie unsere Kinder? Die Umweltkatastrophe durch den Dammbruch von Rückhaltebecken mit giftigem Schlamm der Minengesellschaft Samarco in Brasilien stiess seinerzeit diesseits des Atlantiks auf viele empörte Reaktionen. Aber wer versucht, eine solche Katastrophe in Guyana zu verhindern? Ist Guyana unter der Schirmherrschaft der Republik dazu bestimmt, eine dieser «geopferten Zonen» zu werden, welche die globalen Abbauaktivitäten verursachen?
Rassistische Unterteilung
Im Becken des Mana-Flusses in Guyana wird Frankreich nicht, wie damals in Salsigne, Arbeiter·innen aus Algerien anheuern – aus einer Kolonie, die es als solche nicht mehr gibt. Hier verfügt der Staat an Ort und Stelle über die Menschen. Die geopferten Einwohner·innen – es gibt keine geopferte Zone, ohne gleichzeitig mit der Natur auch die Menschen zu opfern – sind jene, denen das «Goldberg»-Projekt auf seiner Webseite Arbeitsstellen verspricht: die Hmong-Frauen für das Sekretariat, die Männer afrikanischer Herkunft als Arbeiter auf der Baustelle und die Frauen afrikanischen Ursprungs im Kantinenservice. Das geologische Forschungslabor ist hingegen für weisse Männer reserviert. Nichts jedoch für die einheimischen Frauen und Männer der sechs guyanischen Urvölker, die während der Kolonisation diskreditiert wurden. Vielleicht, weil sie die eigentlichen Besitzer·innen und natürlichen Verteidiger·innen der bedrohten Erde und heiligen Gewässer von Guyana sind, mit ihren alten überlieferten Träumen und ihrem tausendjährigen Leben im Wald. Wird es jemals Minister in dieser Republik der «Grande Nation» geben, die Nord-Gold und Columbus Gold vor Gericht bringen, mit dem Motiv, dass die beiden Konzerne Rassismus betreiben, sowohl auf sozialer als auch auf umweltpolitischer Ebene?
Ein anderes Frankreich?
Suchtverhalten wird durch die Illusion gerechtfertigt, man könne die Auswirkungen kontrollieren. Genauso geschieht es mit der Sucht, Raubbau zu betreiben. Das Goldfieber in Guyana ist ein Beispiel dafür. Der französische Staat behauptet, dass er für eine «nachhaltige Mine» eintritt. Dabei handelt es sich um ein Paradox wie bei dem Gerede vom «grünen Wachstum». Es ist notwendig, dass Frankreich ins Jahrhundert der Verantwortung eintritt und endlich das 20. Jahrhundert hinter sich lässt, das in jeglicher Hinsicht ein Schlamassel war, oder wie der kongolesische Schriftsteller Sony Labou Tansi es ausdrückte, ein «Wegwerfen – Vorwärts hasten, irgendwohin, irgendwie und für irgendetwas». Frankreich hat heute in Guyana die Chance, ein anderes Frankreich als jenes der Arroganz und Eitelkeit zu sein, ein anderes Frankreich, als jenes der fünf vergangenen Jahrhunderte, als es seine Zeit damit verbrachte, die Welt ins Ungleichgewicht zu bringen – im Dienste des Überflüssigen. Frankreich sollte sich bewusst werden, dass seine Jugend, hier und in Guyana, für eine Zukunft mit sauberem Trinkwasser kämpfen wird. Sollte die Regierung diesen Wunsch negieren, wird sie auf einen entschlossenen Widerstand stossen. Der Vertreter der einheimischen Jugend von Guyana, Yanuwana Tapoka, bestätigte dies Anfang November 2017 vor dem «Internationalen Tribunal der Rechte der Natur», das am Rande der UNO-Klimakonferenz in Bonn stattfand: die jungen Indigenas werden – egal was passiert – ihre Rolle als Hüter·innen von Amazonien, dem «Refugium des Lebens und der Menschheit», gerecht werden. Sie werden die wirklichen Hüter·innen des Klima-Abkommens von Paris sein.