Im Mai berichteten wir über Buzuruna Juzuruna, ein landwirtschaftliches Projekt im Südlibanon, das von Libanes•innen, syrischen Geflüchteten und Französ•innen betrieben wird. Heute veröffentlichen wir Auszüge aus dem Interview mit Faika, einer mutigen jungen Syrerin, die dort lebt und arbeitet.
Mein Name ist Faika und ich komme aus Syrien in der Nähe von Aleppo, vom Land. Ich bin 29 Jahre alt und habe zwei Kinder, einen Jungen und ein Mädchen. Nach Beginn des Krieges bin ich noch mehrere Jahre in Syrien geblieben, bis der Krieg bei uns auf dem Land angekommen war. Ich musste während des Krieges in Syrien mehrmals umziehen. Ich wollte so lange wie möglich in der Heimat bleiben, da ich überhaupt keine Lust hatte, im Libanon als Geflüchtete zu leben.
Den Tod erlebte ich täglich unter den Flugzeugen am Himmel, aber ich wollte lieber mit dieser Gefahr leben, als dann als Flüchtling auszuwandern und in Lagern zu leben. Schliesslich musste ich gehen, weil die Truppen des Regimes von Baschar al-Assad zu uns kamen und alles töteten, was ihnen über den Weg lief. Weil ich zwei Kinder habe, musste ich die Entscheidung zu gehen in Absprache mit deren Vater treffen. Er war damals bereits seit zwei Jahren im Libanon, weil er sonst in den Krieg eingezogen worden wäre. Ich habe die Schule früh abbrechen müssen, heiratete früh und bekam zwei Kinder – alle meine Träume zerbrachen mit diesem Krieg.
Ich bin Ende 2019 mit meinen Kindern im Libanon angekommen und bin mit meinem Mann zusammengezogen. Ich kannte niemanden und mein Mann und ich hatten nicht die gleichen Vorstellungen vom Leben. Wir konnten die Miete für das Haus, den Strom und alle Ausgaben im Libanon mit dem einzigen Gehalt meines Mannes nicht mehr bezahlen. Ein Jahr lang stritten wir uns, weil er wollte, dass ich wie andere Mädchen und Frauen auf einem Bauernhof unter dem Befehl eines Mannes arbeiten sollte. Ich wollte nicht unterwürfig sein und arbeiten, während ein Mann hinter mir steht und nichts tut. Ich weiss, dass ich viel mehr tun kann, dass ich die Fähigkeiten habe, genauso viel zu tun wie ein Mann. Daher weigerte ich mich, diese Arbeit zu machen.
Später habe ich versucht, dann trotzdem mit den Mädchen im Garten zu arbeiten, in der Hoffnung, dass es gut gehen würde. Die ganze Zeit über habe ich gedacht, dass ich etwas anderes machen könnte ... Ich hätte sogar Lehrerin für Kinder werden können – das war mein Traum in Syrien gewesen. Doch ich habe es nicht geschafft. Ich habe 25 Tage gearbeitet und konnte den Monat nicht beenden. Ich konnte nicht unter dem Befehl eines Mannes arbeiten. Ich konnte ihn nicht mehr ertragen, zumal er nicht die gleichen Ideen und die gleiche Offenheit hatte wie ich. Am letzten Tag, als ich beschloss, nicht mehr zu arbeiten, sagte ich dem Mann, der mir Befehle gab, dass wir beide Menschen seien und dass er nicht das Recht habe, so mit mir zu reden. Ich habe jeden Tag gearbeitet und wir wurden sehr schlecht bezahlt.
Dann lernte ich Lara und Ferdi [von Buzuruna Juzuruna] kennen. Lara spürte, dass ich etwas anderes anbieten konnte. Lara arbeitet mit Saatgut und verwendet natürliche Behandlungsmethoden. Also bot sie mir an, das Kindermädchen für ihre eineinhalbjährige Tochter zu sein. Sie hatte gesehen, dass ich eine gute Art habe, meine Kinder zu erziehen, also vertraute sie mir. Die kleine Maonie nahm ich wie meine eigene Tochter auf. Ich brachte ihr bei, Arabisch zu sprechen, und das erste Wort, das sie sagte, war «Mama». Dann wurde Lara mit ihrem zweiten Kind schwanger und ging mit Maonie für sechs Monate nach Frankreich. Da ich kein Gehalt mehr bekommen würde, beschloss sie, mir ihren Platz als Saatgutbeauftragte zu überlassen. In dem Jahr, in dem ich mich um Maonie gekümmert hatte, verbrachte ich viel Zeit mit Lara und Ferdi und wir unterhielten uns viel. Sie boten mir also genau diese Stelle an, wo mir niemand Vorschriften machen würde und ich so arbeiten konnte, wie ich wollte. Den ganzen Tag über war ich sehr konzentriert bei der Arbeit, ich dachte nicht einmal mehr ans Essen oder an zu Hause. Ich wollte alles lernen, was ich konnte. Auch am Abend arbeitete ich weiter. Die Leute verstanden mich nicht und sagten, dass es als Frau nicht möglich sei, nicht nach Hause zu gehen und die Hausarbeit zu erledigen. Es sei auch nicht anständig, abends länger zu arbeiten, denn das machen nur Ausländer.
Nach und nach gelang es mir, das Richtige zu lernen. Am Anfang half mir Ferdi, dann schaffte ich es, alleine zu arbeiten, ohne dass mir jemand sagte, was ich zu tun hätte. Für mich war es am Anfang sehr schwierig, weil alles auf Französisch geschrieben war und ich nicht einmal die Samen kannte. Wenn die Bestellungen kamen, hatte ich grosse Angst, das falsche Saatgut zu verkaufen. Heute kann ich es mit geschlossenen Augen tun. Ich erledige die Gartenarbeit allein, kann mit Excel arbeiten und alle Sorten eintragen. Ende 2023 ist die Saatgutkammer mein Ort geworden und ich kann alles allein verwalten.
Faika, Saadnayel