Als am 4. Oktober 2018 ein politischer Kreis von Freund·inn·en zu «Es ist wieder Donnerstag» (Do!) aufrief, konnte niemand ahnen, dass dies erneut zu einer der bedeutendsten Protestformen gegen die rechtsextreme Bundesregierung in Österreich werden würde. Unter dem Motto «Wir sind jetzt zusammen» tragen Tausende ihren Protest auf die Strasse und sind auch in den sozialen Netzwerken überaus präsent.
Obwohl hinter den etwa 20 Freund·inn·en (Studierende, Lehrende, Kulturarbeiter·innen, Jour-nalist·innen, Sozialarbeiter·innen) keine Organisation steht, schafften sie es schon zu Beginn der Proteste 20.000 Menschen zu mobilisieren. Am 21. Februar 2019 fand nunmehr die 18. Donnerstagsdemo in Wien statt. Jede dieser Kundgebungen und Routenproteste bietet unterschiedliche thematische Schwerpunkte, die in prägnanten Reden und Musikbeiträgen ihren Ausdruck finden. Und diesmal gelingt, was 2000 anlässlich der ersten ÖVP-FPÖ-Regierung noch nicht gelang, regelmässige Donnerstagsdemos auch in bislang acht anderen Städten Österreichs. Das Konzept wird also viral und hat es bislang zwei Mal auch nach Berlin geschafft, denn auch diese Bundesregierung gibt Vielen Anlass, auf die Strasse zu gehen. Besonders beeindruckend sind auch die jeden Sonntag an einem jeweils wechselnden Ort Vorarlbergs stattfindenden Sonntagskundgebungen. Im Westen des Landes zeigen sich auch innerhalb der zur Personenkultpartei umgebauten und von schwarz auf türkis umgefärbten Österreichischen Volkspartei tiefe Risse in der Erfolgseuphorie.
Einig sind sich die Teilneh-mer·innen an allen Orten in der klaren Ablehnung der Regierungspolitik, es scheint aber darüber hinaus eine Keimzelle für das Aufzeigen gesellschaftlicher Utopien zu sein, die im Demobild auch auffällig sind. Scheinbar mühelos schaffen es die Organisa-tor·innen Woche für Woche zumindest zwei Drittel Frauen und ein Drittel Migrant·inn·en auf die Bühnen zu bringen und halten damit Parteien, Gewerkschaften und anderen etablierten politischen Playern einen Spiegel vor, der sie alt ausschauen lässt. Jene, die von der schamlosen Umverteilung von Arm nach Reich am meisten betroffen sind, sprechen über ihre sich zunehmend verschlechternde Situation: Deutschlehrende und -lernende, Menschen mit Behinderungen, Armutsbetroffene, Pflegekräfte, Geflüchtete oder Umweltakti-vist·inn·en. Der 21. Februar war dem Thema Wohnen gewidmet, der 28. Februar bildete einen Gegenpol zum traditionellen Opernball am Meidlinger Platzl und der März soll bei «Do!» jedenfalls sichtbar feministisch sein.
Nach vier Monaten ist es noch zu früh, klare Entwicklungsperspektiven zu erkennen, eines wird von den Organisator·inn·en immer wieder genannt: Sie wollen es nicht beim Demoformat alleine belassen. Wenn der Frühling und der Sommer kommt, werden Platzbesetzungen und weitere kollektive, partizipative Formate erprobt. Der wöchentliche Termin in Wien bietet einen Rahmen, um sich mit Freund·inn·en zu verabreden, mit Schildern, Liedern oder Performances den jeweiligen Fokus in die Öffentlichkeit zu tragen oder ganz einfach die Leute mit heissen Getränken auf adaptierten Fahrrädern zu versorgen. Das «Punschmobil» spendet dabei seine gesamten Einnahmen der Organisation, denn auch die Kosten für den Demowagen, die Bühnen und das technische Equipment müssen Woche für Woche getragen werden. Um dies zu bewältigen, wird auch über wiederdonnerstag.at und bei jeder Demo «Donnerszeux» vertrieben: Kappen, Schirme, T-Shirts oder Schürzen tragen den Protest in den Alltag und zeigen neben den bereits im Jahr 2000 beliebten Buttons, dass keine·r mit seiner Ablehnung gegen diese Regierungspolitik alleine ist.
Eine neue politische Kraft
Obwohl oftmals Temperaturen um den Gefrierpunkt herrschen, kommen regelmässig 5‘000 Menschen zusammen. Die Organisa-tor·innen gehen davon aus, dass es unter dem Motto «Wir sind jetzt zusammen» im Sommer durchaus 15‘000 und mehr sein werden, die eine neue politische Kraft, eine neue soziale Bewegung bilden. Im Zentrum steht zweifellos die Ablehnung der rechtsextremen Bundesregierung, deswegen lassen sich gerne auch Spitzenpolitiker·innen der SPÖ und der Grünen blicken und Twittern dann, wie toll sie «Do!» finden. Gleichzeitig kritisieren die Demonstrant·innen aber auch die autoritäre Wiener rot-grüne Stadtregierung, die sich etwa in den von der SPÖ forcierten Verboten im öffentlichen Raum (Essen in der U-Bahn, Alkoholkonsum auf öffentlichen Plätzen) und im Autobahnprojekt durch ein Naturschutzgebiet (Lobau) manifestieren. Die Professionalität, die Diversität, die spürbare Leidenschaft der Akteurinnen und Akteure sowie die Verbindung von Aufklärung und Aktivismus zeigen, dass dieser sozialen Bewegung eine breite Mobilisierungskraft inne wohnt. Wer sich hier zusammen bewegt, kann spüren und erkennen, dass Sicherheit vor allem eine starke soziale Komponente benötigt und Care-Arbeiten und die Sorge um einander uns alle angehen. Dem neoliberalen Umbauprojekt der ÖVP-FPÖ-Regierung, den rassistischen Spaltungen und Armut kriminalisierenden Massnahmen setzen die Demonstrant·inn·en ein solidarisches Zusammensein entge-gen und richten Woche für Woche den Regierenden, Nutzniesser·in-ne·n und Mitläufer·inne·n ihre Sicht auf das Thema der Woche aus. Bereits am Beginn stand «Ihr werdet euch noch wundern, wer da aller geht!»
Heide Hammer und Kurto Wendt