Über die Ausbeutung der Migranten in der «green economy» Apuliens
Dieser Skandal flog auf, als Hunderte von Arbeitern, hauptsächlich aus Afrika, vom 22. bis zum 30. März 2011 die Straßen der Kleinstadt San Pancrazio in der Provinz Brindisi besetzten. In Kürze weitete sich der Protest auf andere Gebiete des Salento, den südlichen Teil Apuliens, aus.
Insbesondere betroffen waren die Städte Taurisano, Galatina und Lecce. Die Migranten protestierten vehement gegen die Nichtbezahlung der Löhne durch das spanische Unternehmen Tecnova Ltd. sowie die sklavenartigen Bedingungen, unter denen sie zu arbeiten hatten. Viele Arbeiter von Tecnova Ltd. hatten schon langjährige Erfahrung in der Ausbeutung auf den Feldern von Foggia, Castelvolturno und Rosarno gemacht. In den letzten Jahren wurden diese Städte bekannt als Orte, in denen die Ausbeutung die Form moderner Sklaverei annahm. Obwohl es dieses Mal auch um die Ausbeutung von Migranten im Salento ging, war der Rahmen anders: Keine Orangen, Wassermelonen oder Tomaten waren zu ernten, sondern Solarpanele zu montieren. Arbeitstage von zwölf Stunden waren die Norm. Sehr oft aber mussten Migranten 24 bis 26 Stunden am Stück arbeiten, ohne Pausen, ohne Essen, ohne Wasser, ohne angebrachte Kleidung und bei schlechten Wetterbedingungen. Gearbeitet wurde auch samstags und sonntags. Da die meisten von ihnen illegal immigriert waren, hatten sie keine Arbeitsverträge, keine Versicherung und zahlten keine Abgaben. Bei Krankheit wurden sie fristlos entlassen und bei Arbeitsunfällen zog man ihnen die Arbeitsuniform mit dem Firmenlogo aus und deponierte sie vor der Notaufnahme des Spitals. Die Arbeiter hatten nie die Möglichkeit, direkt mit den spanischen Vorgesetzten zu reden, um ihre Rechte einzufordern. Viele Migranten wurden während mehreren Monaten nicht ausbezahlt, andere erhielten einen Hungerlohn, der oft nicht einmal einen Euro pro Stunde betrug. Spanische, kubanische, mexikanische und italienische Arbeiter waren verantwortlich für die Organisation und die Durchführung der Arbeiten an Photovoltaik-Anlagen. Nach Angaben der Polizei haben 440 ausländische Arbeiter für den spanischen Betrieb Tecnova Ltd. Photovoltaik-Anlagen installiert. Diese Angabe ist aber ungenau, da viele Migranten, die für kurze Perioden Photovoltaik-Anlagen in Salento installiert haben, heute nicht mehr auffindbar sind. Nach den Protestaktionen der Migranten ist das spanische Unternehmen Tecnova Ltd. physisch wie auch legal aus der Region Salento verschwunden: Alle Niederlassungen, sowie auch die Zentrale in San Pancrazio (Brindisi) wurden innerhalb von ein paar Stunden geräumt. Tecnova Ltd. arbeitete als Subunternehmer für eine «temporäre Geschäftsvereinigung» namens U.T.E. Finanziert wurde das Ganze von einem Investitionsfond mit Niederlassung in Luxemburg der «GSF Capital» hieß. Global Solar Fund (mit Niederlassungen in Luxemburg, Madrid, Rom, Shanghai, Athen und Singapur), hat eine Milliarde Euros vorgesehen, um Hunderte von Solaranlagen im südlichen Apulien, zwischen Brindisi, Lecce und Taranto zu bauen. Geld und Technologie von «GSF Capital» kommen direkt aus China. Das Kapital kommt von der «China Development Bank Corporation» und die Solarpanele sind alle «made in China». Tecnova Ltd. ist eines der vielen ausländischen Unternehmen, die auf dem Gebiet der «Green Economy» arbeiten und die dank eines Systems von finanziellem Anreiz auf nationaler sowie regionaler Ebene, in Apulien investieren. Um Arbeitsplätze zu schaffen, gibt die italienische Regierung große finanzielle Unterstützung an Betriebe, die auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien arbeiten und die sich an gewisse Vorgaben halten. Auf regionaler Ebene gibt es auch viele bürokratische Bevorzugungen beim Bau von Photovoltaik-Anlagen. Es gibt in Apulien keine Richtlinien für den Bau von solchen Anlagen und es ist extrem einfach, die nötigen Baubewilligungen zu erhalten. Darüber hinaus werden keine Angaben über das Subunternehmen eingefordert, das schlussendlich den Vertrag ausführt. Aus diesem Grund ist es schwierig, das genaue Ausmaß dieser Anlagen in Apulien zu erfassen und sich ein Bild über die entsprechenden Arbeitsbedingungen zu verschaffen. Da die spanische Firma sich vertraglich verpflichtet hatte, mehrere Anlagen vor Ende Dezember 2010 fertig zu stellen und eine Nichteinhaltung dieser Frist eine Kürzung der Fördermittel bedeutet hätte, kann behauptet werden, dass die erschöpfenden Arbeitsschichten von 24 bis 26 Stunden, die den Migranten während den Monaten November und Dezember 2010 aufgezwungen wurden, direkt in Verbindung mit der öffentlichen Subventionspolitik gebracht werden müssen. Mit anderen Worten kann man sagen, dass es dieser Zeitdruck war, der die Bedingung schuf und verantwortlich war für die physische und psychische Gewalt, der die Arbeiter von Tecnova Ltd. ausgesetzt waren. Dadurch dass der Staatanwalt von Lecce die Telefone der spanischen Firma hat abhören lassen, können diese Verhältnisse nicht mehr geleugnet werden. Einer der Vorarbeiter von Tecnova Ltd. gab im Gespräch mit einem seiner Kollegen zu: «Das ist ein Vietnam, wir haben täglich Schlägereien mit Schwarzen». Viele afrikanische Arbeiter berichten, dass sie ähnliche Erfahrungen von Ausbeutung nur aus den Erzählungen ihrer Großväter aus den Baumwollplantagen in den Vereinigten Staaten her kennen. Im April 2011 hat der Staatsanwalt von Lecce, der die Vorfälle vom Oktober 2010 untersucht, fünfzehn Personen verschiedener Nationalitäten (Spanier, Kolumbianer, Kubaner und Italiener), die in der Firma arbeiteten, verhaften lassen. Der Staatanwalt erhebt Anklage wegen schweren Verbrechen, unter anderen wegen Sklaverei (Artikel 600 des Strafgesetzbuches).
In der Zwischenzeit haben Hunderte von illegalen Migranten Klage gegen die spanische Firma eingereicht. Die Entscheidung, Strafanzeige einzureichen, war meistens motiviert um dadurch der Illegalität zu entrinnen. Normaler-weise hätten diese Arbeiter kein Anrecht auf eine Aufenthaltsbewilligung in Italien. Da sie aber Opfer internationaler Verbrechen sowie von Ausbeutung im Arbeitsverhältnis sind, gilt eine Ausnahmeregelung und so haben sie Anrecht auf eine solche. Dieses Gesetz, das ursprünglich vorgesehen war, um Frauen zu helfen, die durch illegale Netzwerke in die Prostitution gezwungen wurden, schien geeignet, um Migranten zu helfen, die von Tecnova Ltd. ausgebeutet wurden. Sie konnten auf diese Art eine Aufenthaltsgenehmigung beantragen. Eine solche Bewilligung garantiert ihnen ein Minimum an Rechten.
Die Ausstellung von Aufenthaltsgenehmigungen geht bis heute sehr langsam voran. Bürokratische Verzögerung sowie die (unberechtigte) «Angst» der regionalen Behörden, dass durch Bekanntwerden der Vorfälle die lokale Wirtschaft Schaden nehmen könnte, haben dazu geführt, dass nur 50 solcher Bewilligungen ausgestellt wurden.