Udi Segal, 19 jähriger, jüdischer israelischer Staatsbürger, sollte am 28. Juli 2014 seinen Militärdienst antreten. Obwohl es für alle jüdischen Israelis (Frauen und Männer) gesetzliche Pflicht ist, nach dem Gymnasium zur Armee zu gehen, verweigerte Udi. Er wird jetzt, sowie die anderen jungen Menschen, die sich weigern im Tzahal1 zu dienen als «Refuznik» bezeichnet, auf hebräisch: «Sarvan» was soviel heißt wie «Er hat verweigert».
Einige Soldat_innen weigern sich, in den besetzten palästinensischen Gebieten zu kämpfen, andere gehen gar nicht zum Heer, so wie Udi. 2005 wurden über 1'000 Refuzniks gezählt – in einem Land mit acht Millionen Einwohner_innen, zerrüttet vom andauernden Krieg und dem automatisch daraus folgenden Patriotismus, welcher die israelische Zivilgesellschaft in zwei Lager trennen möchte.
Udi erklärt sich
«Ich heiße Udi Segal, bin 19 Jahre alt und komme vom Kibbutz Tuval, im Norden Israels. Vor einigen Monaten habe ich den Brief der Kriegsdienstverweigerer 2014 unterschrieben, der, unterzeichnet von 130 Kriegsdienst-verweiger_innen, an den Premierminister geschickt wurde. In dem Brief erklären wir, warum wir uns weigern, in der israelischen Armee zu dienen. Der Hauptgrund ist die kontinuierliche Besetzung und Unterdrückung des palästinensischen Volkes, die sich ausdrückt in ungleichen sozialen Rechten und den fortwährenden Ermordungen: über 600 Personen bei der letzten Offensive in Gaza2! Abgesehen davon trägt der Heeresdienst zum Militarismus in Israel bei. Ich zum Beispiel komme aus einem sozial besser gestellten Milieu, das sehr zum Militarismus neigt. Ich sollte, als jüdischer Mann der Aschkenasim3, in diesem Sinne Einfluss auf die israelische Gesellschaft nehmen, stelle mich jedoch vehement dagegen.
Selbst wenn es keine Besetzung gäbe, würde ich den Heeresdienst verweigern, weil die Armee ein nationalistisches und kapitalistisches System festigt, das ich ablehne. Es kommt nur Einigen Wenigen zugute und ich weigere mich, davon Teil zu sein. Ich denke nicht, dass die momentane Militäroperation in Gaza mich schützt. Militäroperationen werden mich nicht schützen, sie rufen nur wieder Neue hervor. So war es bei der Operation «Hartes Blei» (2008-2009), die zur Operation «Verteidigungspfeiler» (November 2012) geführt hat und heute ihre Fortsetzung in «Schützender Rand» findet und wahrscheinlich zu anderen Militäreinsetzen führen wird.
Ein wirklicher Schutz wäre ein gerechter Frieden, in dem die Ungerechtigkeit, die dem palästinensischen Volk zuteil wurde, anerkannt wird. Es kann keinen Frieden geben, solange ein Volk unterdrückt, belagert und von einer Mauer umgeben wird. Die Bevölkerung hat den Wunsch nach Freiheit nicht aufgegeben und gibt sich nicht zufrieden mit dem eventuellen Mitgefühl derer, die sie belagern. Erwartet also nicht in so einer Situation in Sicherheit zu leben! Denen, die trotzdem denken, dass sie mich verteidigen: Wenn die Sicherheit mit 600 Toten in Gaza bezahlt wird, bin ich an dieser Art von Sicherheit nicht interessiert.
Meine Verweigerung wird schwierig für meine Familie sein. Mein Bruder ist in der Armee und er könnte in Gaza sein während ich im Gefängnis bin. Ich hoffe, dass das keine unlösbaren Konflikte zwischen uns auslöst… Abgesehen davon sehen die Leute meine Eltern und meine Brüder jetzt mit Misstrauen an. Ich denke, dass ich einen Beitrag zur israelischen Gesellschaft leiste, aber es scheint mir wichtig, klar zu stellen, dass meine Aktion nichts mit einer patriotischen oder zionistischen Vision zu tun hat, sondern mit einer globalen Vision, einer Globalität zu der auch Israel gehört. Ich denke dass die Besetzung ein Hindernis ist und den Israelis schadet.
Viele meiner gleichaltrigen Freunde haben sich von der Armee anwerben lassen. Ich komme selber aus einem militaristischen Milieu; meine Schule hat den höchsten Prozentsatz an Rekrutierungen im Land. Ja, sehr viele Leute reden nicht mehr mit mir und haben mich auf die schwarze Liste gesetzt, seit ich diese Wahl getroffen habe. Vielleicht ist das aber auch eine gute Auswahl meiner Freundschaften – ich habe auch Freunde, die zur Armee gingen und trotzdem zu mir halten.
Ich habe gewählt ins Gefängnis zu gehen, weil die Israelis leider eher denen zuhören, die zu Opfern bereit sind und den Preis dafür zahlen. Das Gefängnis wird mir meine Freiheit rauben – das ist eine schwierige Vorstellung, da ich bis jetzt nur das Draußen kenne, die, wenn auch sehr relative, Freiheit. Noch dazu können die Haftbedingungen für die, die sich gegen die Besetzung stellen, besonders hart sein, wie im Fall von Uriel Ferera, der vor kurzem eingesperrt wurde. Er weigerte sich, die Uniform zu tragen und muss nun, aufgrund seines traditionellen Milieus Erniedrigungen ertragen.4
Das eigentliche Ziel meiner Kriegsdienstverweigerung ist das Ende der Besetzung. Angesichts der momentanen Realität, ist es zurzeit das Wichtigste, dass die Israelis ihre Augen öffnen, dass sie über den Sinn der Besetzung nachdenken und darüber, was es bedeutet, in der Armee zu dienen. Ich möchte insbesondere die Jungendlichen ansprechen, für die sich der Einberufungsbefehl nähert.
Was die laufende Operation in Gaza betrifft, appelliere ich an alle Soldat_innen und an die Reservist_innen, die Befehle zu verweigern und nicht am Massaker teilzunehmen.»
Udi hat mit «ich verweigere» auf den Einberufungsbefehl am 28. Juli 2014 geantwortet. Er wurde von ca.70 Juden und Arabern begleitet und wird seitdem in einem Militärgefängnis festgehalten.
- Armee Israels
- Im Juli 2014 wurden bei der Wochen andauernden Offensive der israelischen Truppen weit über 600 Menschen, darunter Kinder und Jugendliche, getötet.
- die Aschkenasim: die ost- und mitteleuropäischen Juden
- Uriel Ferera, 19-jähriger Wehrdienstverweigerer, seit April 2014 bereits zum fünften Mal inhaftiert. Ihm wird sowohl verweigert zu telefonieren,unter anderem mit seinem Anwalt, als auch die zahlreichen Unterstützungsbriefe zu empfangen.