Die «Hooligans gegen Salafisten» (HoGeSa) traten das erste Mal Ende September 2014 in Essen im Zuge eines «Kennenlerntreffens» öffentlich in Erscheinung. Vorher hatte sich der rechte Spuk nur virtuell auf Facebook gezeigt.
Es kamen etwa 90 Hools, vorwiegend aus NRW 1 von verschiedenen Fussballvereinen zusammen. Eine Woche später waren es schon 300, die sich in Dortmund versammelten. Organisator dort war Dominik Roesler von PRO NRW, der in seinen Redebeiträgen betonte, keine Nazibewegung sein zu wollen, sich aber deswegen keineswegs an der Anwesenheit freier Kameradschaften sowie Kader der NPD und der Die Rechte störte. Da war zum Beispiel der für Die Rechte in den Dortmunder Stadtrat gewählte Siegfried Borchert, ein wichtiges Bindeglied zwischen Hooligans und Nazis. «SS Siggi» ist Gründungsmitglied der Borussenfront, die schon in den 80er Jahren berüchtigte Nazischläger beherbergte. Borchert trat kurz nach seiner Wahl von seinem Mandat zurück. Sein Nachfolger stellte im November 2014 eine kleine Anfrage an den Dortmunder Stadtrat. Er wollte wissen, wie hoch der Judenanteil in den verschiedenen Bezirken sei. Ein Vorgeschmack. Es blieb jedoch friedlich, Aktionen wurden für ein nächstes Mal angekündigt.
Und die gab es rund vier Wochen später in Köln. Trotz der 7‘000 Menschen, die im Internet ihr Kommen ankündigten, und wiederholten Warnungen aus Anitfakreisen, unterschätzte die Polizei die Teilnehmer_innen-zahl fatal. Schon zu Beginn grüssten sich die Nazis mit Hitlergruss - gut sichtbar für Presse und die sich im Hintergrund haltende Polizei. Hannes Ostendorf, Sänger von Kategorie C 2 - Hungrige Wölfe, einer Bremer Nazi-Hoolband aus dem Standarte-Umfeld, hetzte mit einem für diese Demo geschriebenen Lied gegen alle Muslime, es ging also nie nur um Salafisten. Sein Bruder Hendrik Ostendorf hat lange für die NPD gearbeitet. Er gehört ebenfalls zur Standarte Bremen und gilt als einer der Köpfe der Bremer Naziszene. Ein weiterer Redner war Thorsten de Vries. Er führte einst den verbotenen Deutschen Kameradschaftsbund in Wilhelmshaven an.
Auch wenn am Anfang ein ehemaliger Funktionär von Pro NRW als Kopf der Bewegung auftrat, ist inzwischen klar, dass vor allem bekannte Nazis dahinterstecken.
Ohne Anspruch auf Vollständigkeit, aber dank der Arbeit verschiedener Journalist_innen und Antifagruppen hier eine kleine Aufzählung der gesichteten Gruppen: Es liest sich wie ein «who is who» der extremen Rechten: Die Borussenfront, Nazihooligans aus Kaiserslautern, Berlin, Braunschweig, Bochum, Bremen, Aachen, Polen, von Lazio Rom, aus den Niederlanden und Belgien. Die alte Garde der Löwen Hamburg, Teile der Weisse Wölfe Terrorcrew, Endstufe-Crew Bremen, AG Weserbergland, Identitäre Bewegung, Freies Netz Hessen, German Defence League, zahlreiche Neonazi-Skinheads und auch Rocker der Bruderschaft Nordic 12, sowie der ehemalige Vize-Präsident des verbotenen MC Schwarze Schar aus Wismar, Mitglieder extrem rechter Parteien wie NPD, Die Rechte, Der 3. Weg und der AfD 3.
Eine «aktive Kampfgemeinschaft»
«Hier marschiert der nationale Widerstand» oder auch «Frei, sozial und national», sowie «Deutschland den Deutschen! Ausländer raus!» hallte es durch die Rheinmetropole. Es wurde Journalist_innen unter Rufen wie «Lügenpresse auf die Fresse» Gewalt angedroht und die Drohung nicht selten auch in die Tat umgesetzt. Die grosse Demonstration in Köln ist als Image-Kampagne der Hooligans gedacht gewesen. Sie wollten suggerieren: Wir sind die aktive Kampfgemeinschaft gegen die ausländischen Salafisten.
Es wurde aber schnell der Unterschied zwischen einem Galatasaraytrikot tragenden Menschen und einem Salafisten vergessen und so gegen alles Andere gegiftet. Während eines ganzen Nachmittags konnte der Mob fast ungehindert seine rassistischen Parolen rufen, sich vermummen, einen Polizeiwagen umwerfen und Passant_innen angreifen. Die Polizei sprach von über vierzig verletzten Beamt_innen, andere Opfer wurden im offiziellen Bericht nicht erwähnt.
Diese Machtdemonstration der Neonazis hat ihnen Mythen geschaffen und nicht zuletzt der PEGIDA (Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes) Aufwind gegeben.
Die Tendenz der Mischszenen zwischen Neonazis, Hooligans, Rotlicht-Türsteherszene und Rockermilieu hat alarmierend zugenommen. Das Schlimme ist, dass sie gerade bei Jugendlichen mit diesem nationalen «Widerstandsgebaren» gegen «Gutmenschen» und den demokratischen Staat mit virilem Mackertum Erfolg haben. Es wird zunehmend versucht, eine niedrige Hemmschwelle für einen Erstkontakt herzustellen, auch ausserhalb von Fussballstadien. Hierbei spielt Musik eine herausragende Rolle. Vor allem Grauzonenbands, wie zum Beispiel die Böhsen Onkelz, bieten einen Platz für Menschen, die zwar faschistoides Gedankengut pflegen, dieses aber nicht offen formulieren. Laut Google waren 2014 die Böhsen Onkelz der drittmeist gesuchte Begriff in der Kategorie Musik.
Da liefen also Patriot_innen wie die Sarrazin 4 -Leser_innen, die Pirincci 4 -Verehrer_innen, die «das wird man ja wohl noch sagen dürfen»-Stammtischler_in-nen, vermeintlich «unpolitische Fussballfans» und die als harmlos eingeordneten AfD-Wähler_innen Seite an Seite mit gewaltbereiten Neonazis und Hooligans, und die deutsche Medienlandschaft war betroffen und überrascht. Dabei ist eine Presse wie die von Springer sicherlich massgeblich an der aufgeheizten Stimmung gegen Muslim_innen, Asylsuchende oder Flüchtlinge beteiligt. Rechte Hooligans betonen zwar immer wieder, dass Politik im Stadion nichts zu suchen hat, leider gehören aber rassistische, homophobe und antisemitische Pöbeleien zum Alltag in allen Ligen. Und werden nur selten offen bekämpft. Dagegen gehen seit Jahren linke Ultragruppen in den Fussballstadien vor. Ich will an dieser Stelle zwei erwähnen. Einmal eine Erfolgsgeschichte aus Hamburg, wo linke Autonome in den 80ern den Hamburger Sportverein (HSV) verliessen, um einen kleinen Stadtteilverein zu kapern, wo bis heute linke Gruppen wie die USP (Ultra St. Pauli) klare Antifapositionen vertreten und wichtige Arbeit im Viertel leisten. Die antirassistische Ultragruppe Aachen Ultras (ACU) haben es da schwieriger. Sie will bis auf Weiteres keine weiteren Spiele ihres Vereins Alemannia Aachen besuchen. Dies ist die Konsequenz aus nicht abreissenden gewalttätigen Übergriffen von rechten Fans und Hooligans innerhalb der Aachener Fanszene im Stadion, aber auch in privaten Wohnungen. Weder der Verein noch die restlichen Fans sind dagegen aktiv geworden.
PEGIDA
Wohl durch in diesen Bewegungen fehlende medial verwertbare Gewalt sind die PEGIDA sowie Mahnwachen für den Frieden, Friedensbewegung 2014 oder Montagsmahnwachen im Schatten der HoGeSa-Aktivitäten geblieben. Diese zeigen aber spätestens seit den 15‘000 Spaziergänger_innen vom 15.12. 2014 in Dresden, dass es nicht nur den extremen rechten Rand auf der Strasse gibt, sondern dass in Tausenden von «doitschen» Köpfen ein manifester Antisemitismus und Antiislamismus herrscht und eine grosse Bereitschaft vorhanden ist, um dem Internet so allerhand krude Verschwörungstheorien zu glauben, die zum Beispiel Kapitalismuskritik auf einen tumben Antisemitismus reduzieren. Tragende Persönlichkeiten der PEGIDA sind vor allem dubiose Verschwörungstheoretiker wie Ken Jebsen und Jürgen Elsässer. Sie vermitteln den Demonstrant_innen den Eindruck, dass die Ukraine-Krise, sowie eigentlich alle anderen kriegerischen Konflikte und Krisen auf die «Federal Reserve», auch bekannt als amerikanische Zentralbank, zurückführbar seien. Ohne es offen zu sagen, bedienen sie damit das antisemitische Klischee der jüdischen Weltverschwörung bzw. Schattenregierung.
Wie Ismail Küpeli in der ak 5 vom November 2014 schrieb, scheint es «absurd, 2014 immer noch betonen zu müssen, dass antimuslimischer Rassismus in Deutschland quer durch alle Bevölkerungsschichten und quer durch politische Selbstzuschreibungen wie links, liberal, rechts oder konservativ anzutreffen ist und dass in der Bevölkerung eine hohe Zustimmung für rassistische Äusserungen, die sich gegen Muslim_innen richten, existiert. Als habe in den letzten zehn Jahren keine Debatte stattgefunden, als seien nicht durch zig Studien konkrete Formen und Ausprägungen von antimuslimischem Rassismus analysiert worden.»
Wahr ist aber, dass es in Deutschland zahlreiche rechte Aufmärsche gibt. Dass immer wieder Anschläge auf Moscheen und Flüchtlingsunterkünfte verübt werden, sich Tausende mobilisieren lassen, um zum Beispiel gegen eine Flüchtlingsunterkunft zu protestieren. Darüber berichtet wird meist nur noch in der Lokalpresse.
In Dresden sind 0,1 Prozent der Menschen Muslime, 4,4 Prozent nicht passdeutsch. Daraus kann also nur schwerlich die Angst vor «Islamisierung» erwachsen sein. Sind es nicht eher die von der Bewegung so gegeisselten «Systemparteien» und «-medien» die in Wahrheit hier Geburtshelferinnen sind? «Niedrige Abschiebezahl lockt Flüchtlinge an», ist so eine typische Schlagzeile. Sie stammt aus Springers Welt und könnte auch anderswoher sein. Es geht hier gegen solche, die «nur» aus ökonomischen Gründen nach Deutschland kommen. Es hat sich nämlich in der Welt herumgesprochen, dass es sich hier in Saus und Braus leben lässt.
AfD biedert sich schon hündisch an die «Wutbürger» an. Die Sorgen der Dresdner_innen müssen «ernst genommen» oder gar «verstanden» werden. Die CDU ringt um eine Position, sieht aber schon einen Teil ihrer Wählerschaft sich der «Alternative» annähern. Mit diesem Plebiszit der Strasse, mit den «berechtigten Sorgen der Menschen», werden auch die nächsten Attentate auf das Asylrecht begründet werden, und Faschist_innen fühlen ihren Rücken gestärkt, um wie in der Nacht auf den 20.12. in Nürnberg Flüchtlingsunterkünfte anzuzünden. Dort wurden keine Personen verletzt - die sich in Bau befindenden Gebäude wurden aber unbrauchbar.
Die Ignoranz der Bedeutung des antimuslimischen Rassismus in Deutschland und die Ausblendung der eigenen rassistischen Vorurteile scheint mir der Schlüssel zu sein, um zweierlei erklären zu können: erstens, warum sich so wenige für die Gegenproteste zur HoGeSa-Demo mobilisieren liessen, und zweitens, warum manche sogar eine Haltung entwickelten, die bisweilen darauf hinauslief, dass sie es gar nicht so schlimm finden, wenn sich Rechte (Hooligans) mit anderen Rechten (Salafisten) prügeln.
- Nordrhein-Westfalen
- In der Polizeisprache: Besonders gewaltbereite Fussballfans
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