«Ramona lebt, der Kampf geht weiter!» Ein Slogan am Ersten Treffen zapatistischer Frauen und der Frauen der Welt, das in Garrucha in Chiapas (Mexiko) vom 29. bis 31. Dezember 2007 stattfand.
«Ramona lebt, der Kampf geht weiter!» Ein Slogan am Ersten Treffen zapatistischer Frauen und der Frauen der Welt, das in Garrucha in Chiapas (Mexiko) vom 29. bis 31. Dezember 2007 stattfand.
Seit dem Beginn des Aufstandes im Jahr 1994 sind die zapatistischen Gemeinschaften ständig mit einer brutalen, diffusen Repression konfrontiert. Sie sahen Helikopter und Panzer nach dem letzten Schrei der nordamerikanischen und europäischen Waffenindustrie vorbeiziehen, mussten rassistische und verleumderische Pressekampagnen über sich ergehen lassen und vor allem, seit über 10 Jahren, die Überfälle und Provokationen paramilitärischer Gruppen, die von den Behörden unterstützt werden.
Diese Unterstützung drückt sich in Form von Straffreiheit, Waffenlieferungen und vor allem finanzieller Hilfe aus. Die aufständischen Gemeinschaften ihrerseits lehnen jede materielle Hilfe der offiziellen Behörden ab; gewisse Nachbarn hingegen lassen sich manchmal durch solche «Hilfeleistungen» verführen.
In einer seiner letzten Erklärungen, am 16. Dezember 2007, schrieb Subcomandante Marcos: «Die Vorzeichen des Krieges sind unmissverständlich. Der Krieg, wie die Angst, hat einen Geruch. Und heute spüren wir den Geruch von Fäulnis in unserem Land.»
In den letzten Monaten häuften sich die Berichte von Aggressionen und Einschüchterungsversuchen in Chiapas. Kürzlich standen die EinwohnerInnen der autonomen Gemeinde Vicente Guerrero, die zum Zeitpunkt des Aufstandes Ländereien besetzt hatten, den Mitgliedern der paramilitärischen Gruppe OPDDIC (Organisation für die Verteidigung der Rechte der Indigenas und der Bauern) gegenüber, die «Besitzurkunden» über die 1994 besetzten und seither kollektiv bearbeiteten Parzelle vorwiesen. In anderen Teilen des Landes kämpfen die Indigena-Gemeinschaften gegen die Politik der «Zertifizierung des Bodens», die darin besteht, die kollektiv arbeitenden Bauern zugunsten von gefügigen Kleinbauern zu vertreiben. Die «Umweltpolitik» der Lokal- und Bundesbehörden in den Territorien der Indigenas zeugt vom Willen, deren Lebensformen zu zerstören, sei es durch den Tourismus, die industrielle Landwirtschaft oder die Ablagerung von giftigen Stoffen.
Die zapatistischen Frauen warfen diese Fragen unter anderen am 1. Treffen zapatistischer Frauen und der Frauen der Welt auf, wie uns in der Folge Josie Riffaud* berichtet, die an dieser Zusammenkunft teilgenommen hat.
Das Treffen
Es war eine außergewöhnliche Veranstaltung, zu der mehr als 200 Frauen aus fünf Caracoles 1 zusammenkamen, um sich über ihre Erfahrungen auszutauschen in ihrem Kampf beim Aufbau von Autonomie in den Gemeinden und den Schwierigkeiten, denen sie dabei als Frauen begegnen. Weitere 3000 Menschen, AmerikanerInnen, EuropäerInnen, AsiatInnen, allerdings kaum AfrikanerInnen, haben an diesem Treffen teilgenommen. Sie kamen als Delegierte verschiedenster Organisationen oder als Einzelpersonen. Eine festliche Kampfstimmung verbreitete sich trotz des Bewusstseins jedes/r Einzelnen über die Verschlimmerungen der Spannungen und Aggressionen der paramilitärischen Gruppen.
Seit ihrer Entstehung hat die zapatistische Bewegung gute Kontakte zur Bevölkerung aufgebaut, obwohl die Strategien und Prioritäten sich immer wieder änderten. Im Jahr 2005, nach dem Aufbau der Unabhängigkeit der Gemeinden (Bildung, Gesundheitswesen,…) beschloss die zapatistische Bewegung, ihren Aktionsradius zu vergrößern und sich mit anderen Widerstandsbewegungen in Mexiko und aus anderen Teilen der Welt zu verbinden. Das ist auch das Ziel der «6. Deklaration» und der «anderen Kampagne» aus dem Jahr 2006. Seither wurden die Treffen mit den Völkern der Welt organisiert.
An dem 2. Treffen im Juli 2007 nahm auch eine Delegation von Via Campesina 2 teil, um neue solidarische Verbindungen zu knüpfen. Die Erfahrungen mit Selbstverwaltung, welche die Zapatisten gemacht hatten, sowie ihre Analysen und ihr globalisierungskritischer Kampf nahmen unsere gesamte Aufmerksamkeit in Anspruch.
Seit dem Beginn der zapatistischen Bewegung sind die Frauen überall gegenwärtig. Die Feministin Comandante Ramona, die dabei eine wichtige Rolle spielte, ist letztes Jahr im Alter von 36 Jahren an einer Krankheit gestorben. Viele andere Frauen übernehmen die von ihr bearbeiteten Aufgabenbereiche. Dieses Treffen war zum einen eine Hommage und zum anderen eine weitere Etappe des Kampfes um die Anerkennung der Rechte der Frauen und des Platzes, der ihnen in der Gesellschaft wie in der zapatistischen Bewegung zusteht.
«Das ist ein historische Ereignis», erklärt uns eine der Frauen, die die Delegation begleitet. Die Anstrengungen, die diese Frauen vollbringen, sind indes wirklich unglaublich. Sie kommen geradewegs aus einem geschichtlichen und kulturellen Hintergrund der Repression, der Misshandlungen; der größte Teil von ihnen sind Analphabetinnen, die nur wenig spanisch sprechen und sie sind es nicht gewohnt, in der Öffentlichkeit zu reden.
Kollektive Vorbereitung
Dieses Treffen ist der Erfolg monatelanger kollektiver Arbeit. Während drei Tagen tragen die Frauen Comandantes , die lokalen Verantwortlichen, die Ratsmitglieder, aber auch die Ehefrauen der aufständischen Gruppen ihre Geschichte und somit auch die Reflexionen der einzelnen Frauen aus den fünf Caracoles zusammen.
Chiapas ist groß, und die Erlebnisse können sehr unterschiedlich sein. So stellte jedes Caracol das Leben der Frauen vor der Revolte am 1. Januar 1994 dar. Die indigene Bevölkerung befand sich in einem Knechtschaftsverhältnis, in einer Situation der Unterernährung, der Unterdrückung und extremer Armut. Die Frauen wurden zusätzlich vergewaltigt, misshandelt, erniedrigt und zwangsverheiratet.
«Seit 1994 existieren wir» erklärt die Großmutter Elisal des dritten Caracol in der Eröffnungsrede. «Wir kennen unsere Rechte. Ich habe meine Jugend wie ein Stück Vieh verbracht, jetzt da wir im Widerstand sind, werden wir bis zum Sieg kämpfen. Es ist nicht möglich, rück-wärts zu gehen. Auch wenn ich schon lange kämpfe, bin ich noch nicht müde.»
«Dank des zurückgewonnenen Landes können wir unseren Hunger stillen. Endlich wissen wir, was Würde bedeutet. Weil wir nichts von einer schlechten Regierung erwarten konnten, haben wir uns unsere Autonomie aufgebaut. Wir nehmen das Schulwesen in die Hand, für das wir LehrerInnen ausbilden, die unsere Kinder zu einem kritischen, analysierenden und freiheitlichen Handeln anregen. Wir haben ein Krankenhaus, das unter anderem die Geburtenprobleme reduziert.»
Zum ersten Mal haben die Frauen die Gelegenheit, sich über ihre Erlebnisse und ihre Perspektiven auszutauschen, um die bestehenden Verhältnisse weiter zu verbessern. «Die Männer sind nicht immer damit einverstanden, wenn wir weggehen. Einige sind eifersüchtig, andere verstehen nicht, warum sich auch Frauen engagieren sollen, gerade wenn die Kinder noch klein sind; es ist wirklich nicht einfach!»
«Es fehlen Frauen jeden Alters an der Basis. Um diese Welt voller Ungerechtigkeit zu verändern, brauchen wir jedermann aber auch jederfrau.» Auch sehr junge Frauen, die wir als treibende Kraft bei der Umsetzung der Rechte der Frauen und der Entwicklung sozialer und politischer Verant-
wortung wahrgenommen haben, nahmen aktiv an dem Treffen teil.
Auf die allgegenwärtige Frage: «Was können wir tun, um Euch zu unterstützen?» antworten die Zapatistinnen, dass ihnen jede Form von Solidarität willkommen ist. Als wichtigsten Punkt sehen sie jedoch, dass jede/r den Widerstand im eigenen Land und auf seine/ihre Art und Weise vorantreibt, damit der gemeinsame Kampf zusammen geführt wird und man sich der «schlechten Regierungen» und des Neoliberalismus entledigt. «Wir können weder von den politischen Parteien noch von der Regierung, die nie aufgehört haben uns zu betrügen, etwas erwarten. Ya basta! Wir ganz alleine, die Menschen von unten, können das verändern.»
Wir haben sehr viel Kraft aus diesem Treffen gezogen, welches jede Einzelne von uns dank der Dynamik und Entschlossenheit der Zapatistinnen als Bereicherung empfunden hat.
Zu den folgenden Themen wurden uns spannende Erfahrungsberichte und Reflexionen geboten:
- Aufbau von Autonomie als Mittel des Widerstands
- Schaffung einer Macht, die vom Volk ausgeht
- Erfahrung der Untergrundtätigkeit und bewaffneter Kampf der EZLN
Als Delegierte von Via Campesina und dem MMdF haben wir unsere Bereitschaft erklärt, die Bewegung zu unterstützen, indem wir Informationen verbreiten und unseren Widerstand globalisieren.
Der Hintergrund
Der Mexikaner Alberto Gomez, Delegierter des Komitees für internationale Zusammenarbeit, erklärt uns in einer Telefonkonferenz, dass die Probleme Mexikos sehr komplex und gegenwärtig durch großes Chaos geprägt sind. Denn die Regierung ist dabei, ein Programm zur Neuverteilung des Bodens zu verabschieden, das einen neuen Gewaltausbruch provoziert. Das Ziel dieses Programms ist es, Eigentumsurkunden für die Ländereien auszustellen, die seit 1994 von den Zapatisten und der indigenen Bevölkerung bearbeitet werden. (Annahme von mir: Die neuen Bodeneigentümer sollen Mitglieder paramilitärischer Gruppen werden, welche die Regierung unterstützt.)
Von Ernesto, der für die NGO KPC im Bereich der Überwachung der Militärs arbeitet, erfahren wir, dass 56 Einheiten sowie Spezialkräfte wieder eingesetzt wurden.
Im Dezember inszenierte die Regierung ein Friedensangebot. Es wurde zu einer Pressekonferenz geladen, bei der die paramilitärischen Einheiten ihre Waffen ablegten. Diese sind Ernesto zufolge alte Bestände, die nicht mehr benutzt werden.
Bei der internationalen Konferenz «Andree Aubry» am 16. Dezember vergangenen Jahres erklärte Subcomandante Marcos, dass er sich eine Zeit lang aus der Öffentlichkeit zurückziehen werde. «Die Angriffe und die Repressionen zwingen uns dazu, uns wieder auf unseren bewaffneten Kampf zu konzentrieren.»
Daher sind viele Leute in Chiapas sehr besorgt. «Das riecht nach Krieg», sagen einige. «Wir werden nicht einen Schritt zurückweichen», «wir gehen bis zum bitteren Ende», haben uns die Frauen erklärt. Das Wichtigste ist es, Lösungen zu finden, um die Eskalation des Konfliktes zu vermeiden. Die Mobilisierung der Zivilgesellschaft und der internationale Aufschrei haben 1994 geholfen, die Gewaltübergriffe zu vermindern.
Indem wir uns mit den Chiapas-Komitees oder anderen Gruppen zusammenschließen und Anfragen an die
mexikanischen Botschaften stellen, können wir die Schäden vielleicht begrenzen. Darum bitten uns zumindest die Zapatistinnen. Durch die Stärkung lokaler Widerstände handeln wir für alle.
Josie Riffaud ist Bäuerin in Gironde (Frankreich) und Mitglied der Gewerkschaft Confédération Paysanne sowie Delegierte des internationalen Koordinationskomitees von Via Campesina
Seit August 2003 sind die Caracoles (Schnecken, Spiralen) Beratungszentren für gerechtes Regieren. Die etwa 30 selbsternannten «autonomen, zapatistischen» Gemeinden haben seit 1994 regionale Regierungen. Die fünf Regierungszentren sind für die Bereiche Bildung, Gesundheit, Justiz und Entwicklung zuständig (ndlr).
Internationale Bauernbewegung, die sich für Nahrungsmittelsouveränität einsetzt
Illustration: El Circulo en la Ronda, Jean Willi, 1983