Zahlreiche Saisonarbeiter in der Provinz von Almeria (Südspanien) wurden in den letzten Jahren Opfer von Übergriffen von Individuen oder Ordnungskräften. In den vergangenen Monaten gingen bei der Gewerkschaft SOC an die hundert Klagen wegen Misshandlungen der Polizei bei Identitätskontrollen sowie wegen Diebstahls ein.
Seit August häufen sich die Einschüchterungsversuche der Guardia Civil in der Region von Nijar, ganz in der Nähe des neuen Lokals der Gewerkschaft, das im April 2007 eröffnet wurde (s. Archipel Nr. 150).
Spitou Mendy, ein senegalesischer Gewerkschafter der SOC, berichtet:
Unter den MigrantInnen im Gebiet von Campo de Nijar hat sich Angst breitgemacht. Vandalenakte wiederholen sich, und der Schaden ist enorm. Am 4. September wie zuvor schon am 7. August 2007 hat die Guardia Civil Angst und Schrecken unter den marokkanischen MigrantInnen verbreitet.
Dieses Mal haben sich Einheiten der Guardia Civil auf die Geldtaschen der Migranten gestürzt, die sie als «schmutzige Mauren» beschimpften und sie bedrohten. Einige Widerspenstige verhafteten sie unter falschen Anschuldigungen. Diese moros de mierda, wie sie beschimpft wurden, wissen nicht mehr, was sie tun sollen und schreien ihre Empörung offen heraus.
Die Szenen könnten in einem Wild-West- Film vorkommen: Am Mittwoch, ca. um halb zwei Uhr morgens, zu einer Zeit also, zu der viele Bewohner dieses Orts sich anschicken, schlafen zu gehen, sind Motorengeräusche zu hören. Alles das trägt sich in einem no man’s land der Gemeinde von Nijar zu, in einem verfallenen Gebäude, das von marokkanischen Migranten besetzt wurde, die zum größten Teil illegalisiert sind. Es handelt sich um eine Einheit der Guardia Civil, unterstützt von der kommunalen Polizei, die da kommt, um über diesen Ort mit Gewalt und Krach herzufallen. «Wir haben Fußtritte an der Tür gehört und Schreie, Beschimpfungen wie moros de mierda, hijos de puta, fuera de aqui! Dann ist Panik ausgebrochen, einige sind ohne Schuhe ins Dickicht geflüchtet. So kamen die leichten Verletzungen zustande», erzählen sie uns bei unserem Besuch vor Ort. Aber was können sie euch vorwerfen, diese Gesetzeshüter, dass sie sich so benehmen? «Nichts. Wir sind ruhige Leute und wir verstehen ihr Verhalten nicht. Sicherlich sind sie von Zeit zu Zeit hier vorbeigekommen, um Kontrollen zu machen und dann wieder abzuziehen. Einmal sind sie dann gekommen und haben zwei unserer Freunde mitgenommen, um sie abzuschieben. Die waren vorbestraft. Bei einer anderen Gelegenheit haben sie von acht unserer Freunde Fingerabdrücke genommen und sie dann wieder freigelassen. Wir sind keine Heiligen und man muss sich der Tatsache bewusst sein, dass es in einer Gruppe von mehr als 80 Personen einige geben kann, die straffällig werden. Unter uns gibt es zwei, die einmal, als sie betrunken waren, in eine Messerstecherei verwickelt waren.» Aber sie werfen alle in einen Topf?! «Mehr als das. Unser Eindruck ist, dass sie uns alle hier loswerden wollen. Auch die Landwirte drehen uns den Rücken zu, sie sagen, sie werden Hilfskräfte aus anderen Ländern rekrutieren. Ein Mal hat die Guardia Civil einen Einbruch in unserer Moschee begangen, und nachdem wir geflüchtet sind, haben sie den Koran zerrissen. Unsere Situation ist unerträglich. Wegen ihnen hat eine Kerze, die wir im Durcheinander brennen gelassen haben, als wir wie so oft flüchten mussten, einen Brand in einem Gebäude verursacht, in dem einige von uns ein kleines Geschäft betreiben.» Was denkt ihr nun zu tun? «Wir, etwas tun? Selbst wenn wir das beabsichtigten, hätten wir dazu die Mittel? Nein. Wir wollen, dass uns die Polizei in Ruhe lässt. Wo sollen wir denn hin? Die Dinge werden für uns immer komplizierter. Diesen Sommer haben wir keine Arbeit gehabt, Verfolgung durch die Polizei, Bedrohung.... Wir wollen, dass die Leute begreifen, dass der Grund, warum wir hier sind, die Misere in unseren Ländern ist.»
Am 4. September ist «nur» die Guardia Civil gekommen, im Gegensatz zum 7. August, als sie durch eine Einheit der lokalen Polizei verstärkt war. Aber die Art, wie sie sich benommen hat, war die gleiche, sogar schlimmer. «Damals im August sind sie um 17 Uhr gekommen und wir waren in ihrer Zange. Sie haben uns gezwungen, unsere Taschen auszuleeren und haben sich dann in ihr Auto zurückgezogen. Einige Augenblicke später sind sie losgefahren und haben noch beim Wegfahren Kleingeld und einige Dokumente aus dem Auto geworfen. Die haben uns unser ganzes Geld weggenommen! Die Beträge, die jeder von uns verloren hat, liegen zwischen 15 und 600 Euro! Bei dieser Gelegenheit zertrampelten die Männer der Guardia Civil auch eine Schachtel mit Medikamenten gegen Hautallergien eines der Migranten. Sie haben drei von uns wegen Aggression und Widerstand gegen einen Polizeibeamten angeklagt, aber das stimmt nicht! Die Typen haben nur zu verstehen gegeben, dass es nicht normal sein kann, dass die Polizei unser Geld wegnimmt, dass das Raub sei. Ein Landwirt, der seit vier Jahren einen der Landarbeiter kannte, dem Geld gestohlen wurde, zeigte den Diebstahl an. Es wurde ihm angedroht, dass er wegen der Anstellung von Illegalen angeklagt würde, falls er den Mund aufmacht.»
Die SOC hat ihren Anwalt in den Dienst der Arbeiter gestellt und einen detaillierten Bericht an den andalusischen Volksanwalt und an den Vertreter der Zentralregierung in Almeria geschickt. Eine Liste von mehr als 30 Personen, die Opfer oder Zeugen dieser Hetzjagd sind, wurde angefertigt.