«Tschernobyl und Fukushima, welche Warnung braucht es noch? Ehe die letzten es begreifen, dieser Preis ist viel zu hoch! Ausstieg! Jetzt! Ehe es zu spät ist! Gemeinsam könn‘ wir’s schaffen und zeigen, dass es geht!»*
Seit 1977, der ersten Standortverkündung seitens der Regierung Niedersachsens, nimmt der Widerstand gegen den Bau des Endlagers in Gorleben kein Ende. 1978 schaffte es die Bürgerinitiative der Kreisstadt Lüchow-Dannenberg innerhalb von sieben Tagen 800 000 DM zu sammeln, um der DKW (Deutsche Gesellschaft zur Wiederaufarbeitung von Brennstoffen) zuvor zu kommen, ohne Erfolg, denn das Grundstück ging an die DKW. Die ersten Mahnwachen folgten, Bauern blockierten mit ihren Traktoren die ersten Bauarbeiten. Unter massivem Polizeiaufgebot begannen 1979 die ersten Bohrungen. Gorleben lag damals nur 20 km von der deutsch-deutschen Grenze entfernt, das erhöhte nicht nur die Spannung, sondern erschwerte auch die Anreise für viele AKW-Gegner vor allem aus Berlin. Die erste gewaltsame Räumung des Hüttendorfes «Freie Republik Wendland» fand im Jahre 1980 statt. Doch der Widerstand brach nie ab. Im Jahre1986 protestierten 5'000 Menschen gegen den Bau einer Konditionierungsanlage. Auch auf Seiten der DDR gab es Grenzbesetzung mit Sitzblockaden. Bio-Bauern besetzten das Kreishaus aus Protest gegen die Unterbindung von unentgeltlichen Messungen und 1990 protestieren zum ersten Mal 5'000 Bürger_innen aus Ost und West gegen den ersten Schacht und gegen Atomenergie in Ost und West, wiederum gefolgt von einer gewaltsamen Räumung des Hüttendorfes. Der erste Castor-Transport wird erwartet, doch die Bevölkerung will nicht aufgeben, Demonstrationszüge nach Hannover, Blockaden vor den Toren, einmal sogar unterstützt von einer Schafherde. Die Polizei brauchte drei Tage länger für die Räumung, sie wussten nicht, wie man Schafe evakuiert. Das Beispiel Asse, wo für 100'000 Jahre Atommüll gelagert wurde, und nach 40 Jahren schon radioaktive Flüssigkeit gemessen wird, beweist, dass der Salzstock für die Lagerung von radioaktivem Atommüll ungeeignet ist. Obwohl in Gorleben nur Erkundungsarbeiten genehmigt sind, wurden die Arbeiten nach 10 Jahren wieder aufgenommen, weitere Castor-Transporte zwischengelagert, um diese Stätte endgültig als Endlager zu zementieren.
«Erheben wir gemeinsam die Stimme für die Vision einer atomkraftfreien Zukunft …» stand in der Einladung zum Kommune-Chor-Treffen, an dem Singbegeisterte aus Kollektivprojekten und deren Freundeskreis vom 25. -28. Mai 2012 teilnehmen konnten.
Den Kommune-Chor gibt es in Deutschland schon seit einigen Jahren, diese schrägen Vögel treffen sich zwei bis drei Mal im Jahr in einer der Kommunen oder alternativen Projekte. Für Unterbringung, Verpflegung und musikalische Leitung wird gesammelt und jeder zahlt so viel, wie es sein Budget hergibt. Der Chor hat inzwischen ein vielseitiges Repertoire erarbeiten. Neben thematisch bezogenen Stücken, hat man Gesänge von Kulturen aus aller Welt einstudiert. Am Ende eines jeden Workshops wurden die erarbeiteten Werke in einem Konzert öffentlich aufgeführt. Zu Pfingsten war ein besonderes Singwochenende vorgesehen: Wir wollten unsere Stimmen für eine gewaltfreie Aktion, für die Intiative «X-Gorleben365» erheben. Diese ruft auf, vom 14. August 2011 bis zum 13. August 2012 an möglichst vielen Tagen mit gewaltfreien Blockade-Aktionen den Baustellenverkehr zum Endlagerbergwerk zu behindern und Teile unserer Lebenskultur vor die Tore von Gorleben zu bringen. Konzerte finden statt, Bäuerinnen und Bauern bringen ihre landwirtschaftlichen Produkte, ReiterInnen oder RadfahrerInnen verweilen mit ihren Pferden und Drahteseln, Geburtstagsblockaden und «Traum»- Hochzeiten sollen vor den Toren gefeiert werden, Ausstellungen, Lesungen, Theater und vieles mehr.
In der Tagesstätte Lomozil, die schon seit Beginn des Widerstands gegen den Standort Gorleben von Aktivisten vor allem aus Berlin geleitet wird, konnte unser Schwarm sich für wenige Groschen niederlassen, ungestört zwitschern und trällern. Wir, fast dreißig schräge Vögel, übten hier unsere Lieder ein. Wir wurden trainiert und beraten, damit die Aktion gewaltfrei über die Bühne gehen konnte. Auch die Polizisten waren nicht mit Schlagstöcken und Visieren verkleidet. Leider gab es im letzten Moment, entweder auf Grund der Feiertage oder zu offensichtlich zirkulierender Informationen noch Änderungen. Die Baustellenarbeiten wurden für ein paar Tage eingestellt. So konnten wir nur den Schichtwechsel der Wache am Nachmittag zwischen 15h30 und 16h30 bei strahlendem Sonnenschein blockieren, auch zogen es viele Besucher vor, im Ahrendsee zu baden. Doch die Schwarm-Aktion fiel nicht ins Wasser, denn wir waren zahlreich genug, um die Tore singend zu blockieren. Auch die Räumung einer Gruppe der Singvögel ging nicht klanglos vorüber, denn wir waren die Attraktion für das japanische Fernsehen, das uns für eine Reportage über die Anti-AKW-Bewegung in Deutschland filmte.
Mehr Infos: www.365gorleben
www.x-tausendmalquer.de
* The Wall, Pink Floyd, Text und Arrangement:
M. Schneider