Seit Jahren regt sich in der Zivilgesellschaft grosser Widerstand gegen den Agrokonzern Monsanto. Am 21. Mai, dem internationalen Protesttag «March against Monsanto», gingen weltweit Tausende auf die Strasse. Mit dem Monsanto Tribunal wird nun öffentlich dem Unternehmen der Prozess gemacht.
Das Karussell der weltweiten Konsolidierung der Agrobusiness-Konzerne dreht sich munter. Im Mai 2015 unterbreitete der amerikanische Konzern Monsanto der in der Schweiz angesiedelten Syngenta eine Übernahmeofferte. Der Deal kam nicht zu Stande. Ein Jahr später legt die deutsche Bayer AG ein offizielles Angebot vor, Monsanto für 62 Milliarden US-Dollar zu übernehmen. Allerdings weiss ihr Vorstandschef Werner Baumann, dass kaum ein zweiter Konzern weltweit so viele Gegner_innen hat und reagiert auf die scharfen Proteste, die durch diese Ankündigung ausgelöst wurden. «Uns ist bewusst, welcher Ruf Monsanto vorauseilt»1, liess er in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung verlauten und forderte die Monsanto-Gegner_innen zum Dialog auf. Das Angebot wurde von Hans Rudolf Herren, Renate Künast, Marie-Monique Robin und Van-dana Shiva aufgenommen.2 In einem offenen Brief forderten sie Herrn Baumann auf, zu mehreren Fragen von öffentlichem Interesse in einem gemeinsamen Gespräch Stellung zu nehmen – unter anderem der Frage, ob die Bayer AG nach einem Kauf der Firma Monsanto gewillt ist, für deren weltweit angerichtete Schäden und Altlasten aufzukommen. Dass es sich bei dem Gesprächsangebot nur um ein medienwirksames Lippenbekenntnis gehandelt hatte, erfuhren die Autor_innen in einem Antwortbrief, der postwendend folgte: «Bis es zu einem tatsächlichen Abschluss kommt, operieren beide Unternehmen völlig unabhängig voneinander. Aus diesem Grund können wir zum jetzigen Zeitpunkt keine Fragen bezüglich des Geschäftes von Monsanto beantworten.»
Die Bayer AG hat allen Grund, sich vor einer Verantwortung bezüglich der Geschäftspraktiken von Monsanto in Acht zu nehmen. Monsanto vermarktet seit Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts verschiedene hochgiftige Produkte, die Krankheit oder Tod von Tausenden von Menschen verursachten und die Umwelt dauerhaft schädigen. Dazu gehören PCB3, 2,4,5-Trichlorphenoxyessigsäure, ein dioxinhaltiger Bestandteil des Entlaubungsmittels Agent Orange 4, sowie Lasso, ein mittlerweile in Europa verbotenes Herbizid. Das zurzeit wohl bekannteste Produkt aus dem Hause Monsanto ist RoundUp, das weltweit am meisten eingesetzte Unkrautvertilgungsmittel und Mittelpunkt des grössten Gesundheits- und Umweltskandals der modernen Geschichte.
Monsanto fördert mit seinen Produkten ein Agrar-Industrie-Modell, welches die natürlichen Ressourcen übernutzt, ein Drittel der weltweiten anthropogenen Treibhausgasemissionen verursacht und mit der Patentierung von Lebewesen und Saatgut die Nahrungssouveränität bedroht. Durch Lobbying bei den gesetzgebenden Agenturen und Regierungen, durch unter Druck setzen unabhängiger Wissenschaftler_innen und durch andere unlautere Machenschaften ist es Monsanto bisher weitgehend gelungen, die Schäden an Mensch und Umwelt zu leugnen und seine verheerenden Aktivitäten aufrecht zu erhalten. Die Geschichte von Monsanto ist ein typisches Beispiel für die Straflosigkeit von transnationalen Unternehmen und deren Führungskräften. Mit dem Monsanto Tribunal, das vom 14. -16. Oktober 2016 in Den Haag stattfindet, wird dem Konzern jetzt öffentlich der Prozess gemacht.
In einem Verfahren, das sich so nahe als möglich an existierenden juristischen Vorgehensweisen orientiert, wird das Tribunal klarstellen, in wieweit Monsanto die Menschenrechte auf eine gesunde Umwelt, auf Nahrung und Gesundheit und das Recht auf Informations- und Pressefreiheit verletzt. Weiter wird abgeklärt, in welchem Masse Monsanto als einer der Produzenten von Agent Orange an Kriegsverbrechen in Vietnam beteiligt war und ob das Unternehmen des Ökozides, eines bisher noch nicht anerkannten Völkerrechtsverbrechens, schuldig ist.
Am Tribunal werden international anerkannte Richter_innen über die genannten Punkte urteilen. Das Monsanto Tribunal geht hier anders vor als beispielsweise das Russell Tribunal über Palästina, bei dem die Jury hauptsächlich aus engagierten Mitgliedern der Zivilgesellschaft bestand. Die einzelnen Anklagepunkte werden von Anwält_innen vorgebracht und Zeug_innen dazu angehört. Die Richter_innen werden Gutachten erstellen, die in der Folge den privaten oder auch staatlichen Kläger_innen bei der Erstellung von Anklagen in einzelnen Ländern dienen. Organisiert wird das Tribunal unter anderen von Hans Rudolf Herren, Marie-Monique Robin, Vandana Shiva, Gilles-Éric Séralini, Olivier de Schutter und Corinne Lepage.
Das Monsanto Tribunal wird den Opfern der Machenschaften von Monsanto weltweit eine Stimme geben. Es wird eine Tribüne sein, die aufzeigt, dass und wie transnationale Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen haftbar gemacht werden können und wird auf Rechtslücken in der internationalen Strafverfolgung hinweisen. Das Tribunal soll so zum Präzedenzfall werden, denn Monsanto steht in Bezug auf Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung nicht allein.