Monsanto, dem grössten Agrochemie -Unternehmen der Welt, soll in Den Haag der Prozess gemacht werden. Inzwischen wurde Syngenta, der drittgrösste Konzern der Branche, in Brasilien wegen einem Massaker an landlosen Bauern verurteilt. Während des Weltklimagipfels COP21 in Paris sorgte eine vom EBF mitinitiierte Pressekonferenz für Aufsehen. Am 3. Dezember 2015 trat eine Gruppe von Umweltschützer_innen mit dem Projekt an die Öffentlichkeit, den Agrochemie-Konzern Monsanto wegen «Ökozids» – wegen vorsätzlichem Mord an Ökosystemen – in Den Haag vor ein internationales Gericht zu stellen. Ein solcher Straftatbestand existiert bisher nicht, und das Gericht, welches eine derartige Anklage behandeln könnte, muss erst noch erfunden werden. Die Initiative «Monsanto Tribunal»1, in der bekannte Persönlichkeiten2 aus verschiedenen Bereichen mitarbeiten, hat sich zum Ziel gesetzt, «die Verbrechen an Umwelt und der Gesundheit 3, die von diesem amerikanischen Multi begangen werden, zu verurteilen und so die Anerkennung des Ökozids als Verbrechen im Völkerrecht zu erreichen.» Der symbolische Prozess, der vom 12. bis zum 16. Oktober 2016 in Den Haag stattfinden wird, soll die Rechtslücke in der internationalen Strafverfolgung aufzeigen und zu einem Präzedenzfall auch für andere Konzerne werden. Die Teilneh-mer_innen am Tribunal sind mehr als symbolisch: Staatsanwälte, Richter_innen und Rechtsanwälte werden mobilisiert und Dutzende Zeuginnen und Zeugen aus aller Welt eingeladen. Nur der Angeklagte wird fehlen. Monsanto hat schon im Vorfeld alle Anschuldigungen als «absolut unzutreffend» zurückgewiesen und wird vermutlich versuchen, das Tribunal in der Öffentlichkeit zu diskreditieren. Trotz seiner Lobbyarbeit und seinem enormen Werbebudget wird es dem Konzern jedoch schwerfallen, die Vorwürfe zu entkräften. Denn die Initiant_innen des Tribunals können alles bestens belegen.
Ein Blutbad in Brasilien
Der Fall liegt mehrere Jahre zurück: Am 21. Oktober 2007 besetzten rund 150 Bäuerinnen und Bauern von der Landlosenbewegung MST und Via Campesina ein Versuchsgelände des Basler Konzerns Syngenta im Dorf Santa Tereza do Oeste im brasilianischen Bundesstaat Parana. Die Besetzer_innen wehrten sich gegen illegale Experimente mit gentechnisch verändertem Mais und Soja. Die von Syngenta angeheuerte private Miliz «NF Segurança» richtete beim Versuch, das Gelände zu räumen, am selben Tag ein Blutbad an. 40 Bewaffnete der Miliz gaben über 300 Schüsse ab, wobei der Bauer Valmir Mota de Oliveira (genannt Keno) getötet und mehrere Besetzende, darunter die Landarbeiterin Isabel Nascimento dos Santos, schwer verletzt wurden. Syngenta stritt in der Folge jede Verantwortung ab und erklärte den schwerwiegenden Vorfall als private Konfrontation zwischen den Landbesetzer_innen und der Miliz, die angeblich von Grossgrundbesitzern angestellt gewesen sei. Eine internationale Welle der Empörung über das Verhalten des Konzerns führte schliesslich dazu, dass sich Syngenta ab Oktober 2008 von dem Gelände in Brasilien zurückziehen musste. Der Staat Parana übernahm das Grundstück und gründete eine Forschungsanstalt zur Förderung der ökologischen Landwirtschaft. Eine breite Mobilisierung vor dem Firmensitz in Basel, die im April 2008 vom EBF mitorganisiert worden war, hatte sicherlich zu diesem positiven Resultat beigetragen.
Syngenta verurteilt
Der Konzern hatte sich zwar von dem Gelände zurückgezogen, wies aber nach wie vor jede Verantwortung für die blutigen Ereignisse sowie Forderungen nach Wiedergutmachung zurück. So reichten die Geschädigten im Jahr 2010 mit Unterstützung der Menschenrechtsorganisation «Terra de direitos»4 Klage gegen das Unternehmen ein. Fünf Jahre später hat nun ein brasilianisches Gericht Syngenta im Verfahren um die Ermordung von Valmir Mota de Oliveira und den Mordversuch an Isabel Nascimento dos Santos schuldig gesprochen. Das Urteil des Ersten Zivilgerichts von Cascavel (Parana) wurde am 17.11. 2015 publiziert. Es sieht Entschädigungen für die Familie des Ermordeten und für die verletzte Frau vor. Der Richter hält in dem Urteil fest: «Das damalige Geschehen als Konfrontation zu bezeichnen, bedeutet, die Augen vor der Realität zu verschliessen. Es gibt keinen Zweifel daran, dass es sich um ein Massaker handelte, unter dem Vorwand, Eigentum zurückzuerlangen. (…) Egal wie verwerflich und illegal die Besetzung gewesen sein mag, nichts rechtfertigt, das Gesetz in die eigene Hand zu nehmen und an den Besetzern die Todesstrafe zu vollstrecken.» Das Urteil ist noch nicht definitiv. Syngenta wird voraussichtlich Rekurs einlegen. Doch es gilt als wahrscheinlich, dass die höhere Instanz das Urteil bestätigen wird. Damit würde ein Präzedenzfall geschaffen, der auch ein Vorgehen gegen Verbrechen ähnlicher Konzerne erleichtern könnte.
- www.monsanto-tribunal.org: Informationen, Unterzeichner_innen-Liste, Crowdfunding.
- Eine Auswahl: Hans Rudolf Herren (Insektenforscher, Präsident Millennium Institute und Biovision Foundation), Florianne Köchlin (Biologin), Marie Monique Robin (Dokumentarfilmerin und Autorin von «Le monde selon Monsanto»), Olivier De Schutter (Rechtsprofessor und ehem. Sonderbeauftragter für das Recht auf Ernährung bei der UNO), Vandana Shiva (Navdanya).
- Seit Jahren werden schwere Gesundheitsschäden z.B. durch das Herbizid Roundup mit dem Bestandteil Glyphosat vermutet. In Frankreich wurde im September 2015 Monsanto erstmals für erlittene Gesundheitsschäden eines Landwirtes auf Grund eines Produktes des Konzerns für haftpflichtig erklärt.
- Informationen in mehreren Sprachen unter: www.terradedireitos.org.br