AKTUELL: Nicht schweigen

von Constanze Warta, EBF, 14.07.2025, Veröffentlicht in Archipel 349

Während ich diese Zeilen schreibe, findet im Nahen Osten eine neue Kriegseskalation statt. Netanjahu und Trump, beide mit schweren Vorwürfen konfrontiert, mussten ja irgendwie ihr Image wieder auf Vordermann bringen, was immer es (die Menschheit) koste. Und Irans Staatschef reagiert – unter anderem – mit noch mehr Repression im eigenen Land. Wie es weitergehen wird, wissen wir vorläufig nicht.

Aber eigentlich wollte ich einige positive Beispiele von Antikriegsinitiativen und Widerstand nennen. Zusätzlich zu der Friedensflotte, über die ja viele Medien berichteten, wurden weitere Initiativen ergriffen, um die Vernichtung der palästinensischen Bevölkerung in Gaza und im Westjordanland zu stoppen.

Gegen Waffen

Am Mittwoch, dem 4. Juni, verweigerten die Hafenarbeiter von Marseille/Fos-sur-Mer die Verladung von 14 Tonnen Maschinengewehrteilen, hergestellt vom französischen Rüstungsunternehmen Eurolinks, auf ein Schiff mit Ziel Haifa. Am nächsten Tag stellten sie fest, dass zwei weitere Container, dieses Mal gefüllt mit von den französischen Unternehmen Aubert und Duval hergestellten Kanonenrohren, auf dasselbe Schiff geladen werden sollten. Die Docker blockierten auch deren Verladung und erklärten, sie wollten sich nicht «zu Komplizen von Massakern» machen. «Wir sind für den Frieden zwischen den Völkern. Wir sind gegen alle Kriege.» Das Schiff musste ohne das Kriegsmaterial abfahren.

Eine Gruppe genuesischer Hafenarbeiter, die «davon überzeugt sind, dass der Kampf gegen den Waffenhandel in den Häfen nur durch Taten gewonnen werden kann», hat daraufhin angekündigt, den Betrieb des italienischen Hafens in Genua am darauffolgenden Freitag um 15 Uhr lahmzulegen. Und im östlichen Teil Europas: Ein paar Monate bevor in der österreichischen Stadt Graz ein 21-jähriger Mann in seinem ehemaligen Gymnasium neun Jugendliche, sowie eine Lehrerin erschiesst – eine fürchterliche Tat, die ganz Österreich in Trauer versetzt und sehr viele Fragen aufwirft – wird der Schiessunterricht an Polens Gymnasien zum Pflichtfach. Argument der polnischen Regierung: «Sich gegen einen russischen Angriff wappnen.» Doch die Mehrheit der befragten Bevölkerung ist mit diesem neuen Gesetz nicht einverstanden. Stimmen werden laut, die sagen, dass 14-jährige Kinder prinzipiell nichts mit Waffen zu tun haben sollten. Es sind schon zu viele Tragödien in Schulen passiert!

Marsch für Gaza

Die französische Menschenrechtsliga, mehrere Verbände und Gewerkschaften organisierten vom 15. bis 23. Juni einen «Marsch für Gaza» in zehn Etappen von Paris nach Brüssel, um die Bevölkerung Gazas zu unterstützen. Ziel war es, auf das Schicksal der Bevölkerung in Gaza aufmerksam zu machen und Massnahmen der europäischen Institutionen und Staats- und Regierungschefs zu fordern. Der Marsch kam pünktlich zur Tagung des Rates «Auswärtige Angelegenheiten»beim Europaratssitz in Brüssel an. An diesem Tag sollten, unter anderem, «die jüngsten Entwicklungen im Nahen Osten»erörtert werden. Drei Tage später fand die Sitzung des Europäischen Rates statt, an der die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union teilnehmen. Die Lage im Nahen Osten stand ebenfalls auf der Tagesordnung. Zu Redaktionsschluss kennen wir die Ergebnisse dieser Sitzung noch nicht. Hier die Forderungen:

Stopp dem Völkermord

«Wir fordern von der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten die sofortige Aussetzung des Assoziierungsabkommens zwischen der EU und dem Staat Israel, die sofortige Einstellung jeglicher militärischer Zusammenarbeit und jeglicher Waffenlieferungen an Israel, die Umsetzung aller Massnahmen, welche die Anwendung der am 18. September 2024 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedeten Resolution ermöglichen, um durch Sanktionen gegen Israel ein Ende der Besatzung und der Kolonisierung zu erreichen und die Einhaltung der Entscheidungen des Internationalen Gerichtshofs (IGH) durch alle unsere Regierungen, die darauf abzielen, die Handlungen der israelischen Regierung zu beenden, die Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord darstellen. Lasst uns in allen Sprachen der Europäischen Union unsere Stimme erheben! Die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten haben die Mittel, das Völkerrecht und die Menschenrechte durchzusetzen und sich durch ihr Handeln von den laufenden und künftigen Verbrechen zu distanzieren und ihnen entgegenzutreten!»

Ungarn und die Pride-Parade

Und jetzt noch zu einem anderen Thema: Die für den 28. Juni geplante Pride-Parade in Ungarn wurde von der Regierung verboten. Die reaktionäre Regierung des EU-Mitgliedsstaates versucht die traditionelle Veranstaltung der LGBTIQ+ Community mit der Begründung des «Kinderschutzes» zu unterdrücken. Eine Mitte Juni von der ungarischen Regierung beschlossene Verfassungsänderung enthält die Festlegung, dass es in Ungarn nur zwei Geschlechter – Mann und Frau – gibt.

Der österreichische sozialistische Nationalratsabgeordnete Mario Lindner hat daraufhin begonnen, eine Solidaritätsreise zur «Budapest Pride» am 28. Juni zu organisieren, «die trotz Orbans Verboten stattfinden wird». David Stögmüller von den Grünen ist mit von der Partie. Lindner kritisierte die Verfassungsänderung als «neuen Tiefpunkt im internationalen Kulturkampf gegen vielfältige, offene Demokratien». Die menschenrechtsfeindlichen Verfassungsänderungen auf dem Rücken von LGBTIQ+ Personen «sollen vom wirtschaftlichen Scheitern von Orbáns autokratischem Kurs ablenken und sind ein furchtbarer Ausdruck der blanken Panik des ungarischen Möchtegern-Trump angesichts sinkender Zustimmungswerte und einer immer beliebteren Opposition», kommentierte der Gleichbehandlungs- und LGBTIQ+ Sprecher der SPÖ. Und Stögmüller: « Orbán zeigt eindrucksvoll, dass ihm Menschenrechte egal sind. Hier dürfen wir nicht schweigen. Jetzt braucht es vor allem internationalen Zuspruch für all jene, die in Ungarn Mut beweisen und ihre Rechte verteidigen».

Nein, schweigen dürfen wir weder hier noch gegenüber dem Kriegs- und Vernichtungswahnsinn einiger diese Welt regierenden Mörder und ihrer Komplizen.

Constanze Warta