Himmel und Hölle haben die 350 Familien in Bewegung gesetzt, um ihr Dorf zu retten. Sie wollen Rosia Montana im siebenbürgischen Apuseni-Gebirge im Westen Rumäniens auf keinen Fall verlassen. Insgesamt fast tausend Familien droht die Umsiedlung, falls die Pläne für die größte Goldmine Europas auch tatsächlich umgesetzt werden.
Die 350 Familien, die meisten von ihnen Bauern und Bäuerinnen, haben sich im Verein Alburnus Maior – so lautet der lateinische Name der alten römischen Siedlung nahe des heutigen Rosia Montana - zusammen geschlossen und die größte Umweltkampagne Rumäniens in Gang gebracht. Sie wehren sich gegen die Umsiedlung, gegen drohende Umweltschäden und die Zerstörung der archäologischen Stätten aus der Römerzeit, und auch gegen die Zerstörung von Naturdenkmälern. Eine mobile Ausstellung klärte über die ökologischen und sozialen Folgen des Goldabbaus auf. Tausende Unterschriften wurden in Rumänien für ein Referendum gesammelt. Fast eine halbe Million Menschen in Rumänien unterzeichneten Petitionen gegen die Mine und schickten sie an Parlament, Regierung und Kirchen. Die Unterstützung ist gewaltig, der Erfolg ungewiss.
1997 kam die kanadische Gabriel Resources Ltd. nach Rosia Montana. Gemeinsam mit der staatlichen rumänischen Bergbaufirma Minvest Deva gründete sie die Rosia Montana Gold Corporation (RMGC). Gabriel Resources ist an der Börse von Toronto notiert und wurde von dem aus Rumänien stammenden Frank Timis gegründet. Derzeit hält die Firma 80 Prozent an der RMGC. Dem rumänischen Staat soll aus der Mine lediglich ein Gewinnanteil von zwei Prozent zukommen. In den Bergen von Rosia Montana versprechen sich die Spezialisten ein Goldvorkommen von insgesamt 200 Tonnen Gold und etwa achtmal soviel Silber. Dafür müssen jedoch bis zu 150 Millionen Tonnen Erz bewegt werden.
Das Vorhaben ist gigantisch. Vier Berge sollen abgetragen, das Erz aus den entstehenden Kratern mit Hilfe von Zyanid ausgewaschen werden. Diese Methode verspricht aufgrund geringer Kosten maximalen Gewinn – zugleich ist sie in hohem Maß umweltschädigend. Die Behandlung des zurückbleibenden Giftmülls gestaltet sich schwierig. Deshalb wird der Abfall in riesigen künstlichen Seen gelagert. Für Rosia Montana ist ein Becken von rund 400 Hektaren Oberfläche und einem Volumen von 250 Millionen Kubikmetern geplant, um die angepeilte Jahresmenge von 5000 Tonnen Zyanid aufnehmen zu können. Ein Damm von fast 200 Metern Höhe wäre dann der einzige Schutz vor einer Katastrophe, wie sie vor nur knapp drei Jahren – ebenfalls in Rumänien – Wirklichkeit wurde und das Leben in der Theiß bis nach Belgrad hinunter auslöschte.
Das Unglück von Baia Mare, rund 170 Kilometer nordöstlich von Rosia Montana, löste laut der Umweltorganisation Greenpeace "eine der schlimmsten Fluss-Katastrophen" in Europa aus. Ende Januar 2000 brach der Damm eines Zyanid-Staubeckens. Es dauerte ganze drei Tage, bis der Damm wieder geschlossen wurde. Etwa 100 Tonnen zyanidbelastete Abwässer flossen damals in einer giftigen Welle durch Rumänien, Ungarn und Serbien. Noch im Mündungsgebiet der Donau, nach fast 2000 Flusskilometern, wurden die Zyanid-Grenzwerte deutlich überschritten. Baia Mare mag das verheerendste Unglück seiner Art gewesen sein, doch gab es in den Folgemonaten mindestens ein halbes Dutzend ähnlicher Unfälle. In der Nachbarschaft von Rosia Montana kam es 1998 zu einem vergleichbaren Unglück, das Tausende Hektar Ackerland langfristig schädigte. Die schon bestehenden Goldminen im Apuseni-Gebirge zählen laut Greenpeace zu den "40 bis 60 extrem gefährdeten Regionen mit massiven Grenzwertüberschreitungen, Störfällen und Katastrophenrisiken", deren Schließung rein rechtlich überfällig sei.
Die Rosia Montana Gold Corporation (RMGC) hat mittlerweile einige Schlappen einstecken müssen. Die Weltbank hat sich nach Protesten von Umweltgruppen aus dem Projekt zurückgezogen. Der Firma entging damit ein Kredit von 100 Millionen Dollar. Hoffnungen, dies durch private Investoren wettmachen zu können, haben sich praktisch zerschlagen. Inzwischen raten selbst Goldmarkt-Insider vom Kauf der Gabriel-Aktien ab und empfehlen, die Wertpapiere "wegen der unkalkulierbaren Risiken nicht zurückzukaufen". Das alles hat die RMGC aber nicht aufhalten können. Sie hat in Rosia Montana ein "Bürgerinformationszentrum" einrichten lassen und versucht, EinwohnerInnen und Gäste von den positiven Effekten für die Region zu überzeugen. Dazu zählen neben den finanziellen Argumenten auch die Hoffnungen auf neue Arbeitsplätze. Auch haben erste Umsiedlungen bereits begonnen – obwohl die Anhörungen zur Sozial- und Umweltverträglichkeitslizenz erst diesen Herbst stattfinden. Die Firma selbst muss entsprechende Pläne vorlegen – das ist sowohl nach nationalem als auch nach EU-Recht Pflicht, und auch die Weltbank verlangt ein solches Vorgehen.
Bis jetzt hat die RMGC schon mehr als 250 Häuser im Ort erworben oder Vorverkaufsverträge abgeschlossen. Blaue Schilder markieren ihren Besitz, oft neben einem Symbol, welches das Gebäude als historisch wertvoll auszeichnet. Solche Häuser dürfen nicht abgerissen werden, weshalb die RMGC den Dorfkern zur Schutzzone erklärte. Auf einer Investoren-Konferenz Ende April in Toronto erklärte jedoch einer der Direktoren, Simon Lawrence, es gebe nach einer erfolgreichen Umsiedlung keinen Grund, auch das Gebiet der Schutzzone abzubauen. Die Firma versucht, die Menschen mit Geld zum Verlassen ihrer Wohnungen, Häuser oder Läden zu bewegen, mit Summen, die weit über dem rumänischen Standard liegen. Der Allgemeinmediziner hat sich bereits überzeugen lassen und seine Praxis geschlossen. Im Dorf munkelt man, er habe 30000 Dollar erhalten. Nun sind 1800 Menschen ohne ärztliche Grundversorgung. Wenn Geld nicht zum Ziel führt und sobald sie im Besitz der endgültigen Betriebsbewilligung ist, will die Rosia Montana Gold Corporation den rumänischen Staat einschreiten und die Widerwilligen zwangsumsiedeln lassen. Gleichzeitig macht die RMGC bereits jetzt den DorfbewohnerInnen das Leben schwer. Die Firma hat begonnen, die Seen um Rosia Montana aufzukaufen, die die Wasserversorgung des Viehs sicherstellen. Die Wasserleitungen der Gemeinde kontrolliert die Firma mittler-weile auch. Bezeichnend für diese Vorgänge, so die Alburnus-Maior-Aktivistin Stefania Simion, sei der Verkauf von Gemeindeland wie etwa der Allmend gewesen:"Das Rathaus meldete dafür eine öffentliche Auktion an. Bedingung für die Teilnahme war der Besitz einer Bergbaulizenz. Über eine solche verfügt nur die Rosia Montana Gold Corporation. Schlussendlich war sie der einzige Bieter."
Ein neuer Hoffnungsschimmer tat sich zu Beginn des Sommers auf. Premierminister Adrian Nastase erklärte, die Bukarester Regierung unterstütze den Bau der Mine nicht, obwohl die Firma Rosia Montana Gold Corporation nach eigenen Angaben bereits eine vorläufige Betriebsgenehmigung erhalten hat. Die Mine verursache soziales Leid und ökologische Schäden, so Nastase. Als die Rosia Montana Gold Corporation Anfang Juli einen Parlamentsbericht zu ihren Gunsten auslegte, intervenierte Nastase nochmals. "Ein Teil der Regierung hat realisiert, dass es sich bei der Mine um ein illegales und absurdes Projekt handelt" , sagt Stefania Simion. Wieder einmal sackten die Aktienkurse der Gabriel Resources an der Börse von Toronto ab. "Die Firma Gabriel hat stets und ständig beteuert, die Unterstützung von Regierung und Einwohnern zu haben. Für die Anleger waren die Statements aus Bukarest ein Schock." S tefania Simion und viele andere aus Rosia Montana hoffen nun, dass Nastase bei seinem Wort bleibt und zumindest die Umsiedlungen stoppt.
Der Maler Valentin Costin bewirbt derzeit europaweit die Idee einer Künstlerkolonie in Rosia Montana. "Das soll kein Sommerurlaub werden, sondern eine ständige Präsenz" betont er. Auf den Märkten der Region sollen die Produkte verkauft werden und den Widerständischen so helfen. In Deutschland hat das Europäische Bürgerforum eine Aktion lanciert, um den Kampf gegen die Mine mit Protestbriefen zu unterstützen.
Für den Erfolg der Kampagne von Alburnus Maior ist solch internationale Unterstützung essentiell. Denn im Oktober beginnen die öffentlichen Anhörungen zur Umweltverträglichkeitslizenz, die für einen legalen Fortgang der Umsiedlungen notwendig sind. Die Bukarester Behörden wollen danach nochmals ihre Entscheidung zu der schon erteilten Betriebsgenehmigung überdenken. Rosia Montana Gold** wird dann nochmals die PR-Maschine auf Hochtouren bringen. Aber auch die Mitglieder von Alburnus Maior und ihre Familien wissen um die Bedeutung des Ausgangs der Anhörungen und wollen nichts unversucht lassen.
Informationen unter
www.rosiamontana.org. Eine Vorlage für die Protestbrief-Aktion des Europäischen BürgerInnenforums findet sich auf www.forumcivique.org. Wer sich für die Künstlerdorf-Idee interessiert, kann sich an Valentin Costin wenden: Tel. +49.722.469151 oder Email valentin.costin@web.de