DEUTSCHLAND: Rechtsextrem und öko

de Anna Rosga, Witzenhausen *, 12 juin 2020

Verschwörungstheorien und Antisemitismus haben eine lange Tradition. Gerade jetzt in der Corona-Krise haben sie wieder Aufwind. Dass sie auch die Basis von esoterischen und ökologischen «Zurück-aufs-Land»-Bewegungen sein können, zeigt das Beispiel des»patriotischen Widerstands» der Anastasia-Bewegung. Naturschutz, Nachhaltigkeit und ökologisches Denken werden oft mit alternativen Lebensweisen und einem emanzipatorischen politischen Weltbild verbunden. Betrachten wir die Geschichte der Ökologie-Bewegung, trifft diese Annahme jedoch nur bedingt zu, denn die Verbindung ökologischer Themen mit einem rechten Weltbild hat in Deutschland eine lange Tradition. Die Naturschutz- und Lebensreform-Gruppen, die vor rund hundert Jahren hierzulande entstanden sind, waren geprägt von der völkischen Bewegung, die Naturschutz mit Heimatschutz verband und sich gegen Gleichberechtigung, soziale Rechte, Migration und nicht zuletzt gegen das Judentum und seinen angeblichen Einfluss auf die Zerstörung der Heimat und der Natur zur Wehr setzte. Seit einigen Jahren lässt sich beobachten, dass immer mehr völkische Frauen und Männer im ländlichen Raum siedeln, wo sie jenseits grösserer Städte eine unabhängige, rückwärtsgewandte Lebensweise führen. In den Kontext der rechten Landnahme lässt sich auch die Anastasia-Bewegung einordnen.

Aus der Taiga in die Welt

Die in den 1990er-Jahren im russisch-sprachigen Raum entstandene Anastasia-Bewegung basiert auf der zehnbändigen Bücherreihe mit dem Titel «Die klingenden Zedern Russlands» des Autors Vladimir Megre. Zuerst in Russland und Osteuropa, später auch im deutschsprachigen Raum entstand eine Bewegung, welche die in diesen Büchern verbreiteten Ideen umzusetzen versucht. Das Buch soll 11 millionen-mal verkauft und in 23 Sprachen übersetzt worden sein. In den Büchern beschreibt Megre seine Begegnung mit einer Frau namens Anastasia, die ihr geheimes Wissen mit ihm teilt. Sie soll einem uralten Volk, dem Volkstamm der Wedrussen, angehören, dessen Nachkommen von der Zivilisation unbeeinflusst und im Besitz paranormaler Kräfte bis heute in der Taiga leben. Der Inhalt der Bücher ist ein Mix aus Naturromantik, Verschwörungstheorien, Antisemitismus und Esoterik. Im wedischen Zeitalter, so Megre, hätten die Menschen 990‘000 Jahre lang in direktem Kontakt mit Gott in einem Paradies gelebt. Heute sei jedoch die Gesellschaftsordnung der Gegenwart völlig vom Bösen durchdrungen. Der einzige Ausweg: Die Gründung von Familienlandsitzen. In ländlichen Gegenden sollen Familien (bestehend aus Mann, Frau und Kindern) auf einem Hektar Land eine autarke Lebensweise führen und unabhängige Strukturen aufbauen. In Deutschland soll es bisher siebzehn, in der Schweiz bisher zwei Familienlandsitze geben.

Rechte Akteure der Bewegung

Eine dieser Siedlungsprojekte liegt im Dorf Grabow in Brandenburg. Seit 2014 leben hier Iris Wetzig und Markus Krause auf ihrem Familienlandsitz. 2015 organisierten sie auf ihrem Familienlandsitz das überregionale Vernetzungstreffen der Bewegung, das «Anastasia-Festival». Nur wenige Wochen später fand auf demselben Grundstück das Sommerlager des «Deutschen Jugendbundes Sturmvogel» statt, einer rechtsextremen Jugendorganisation. Als 2015 zahlreiche Flüchtlinge nach Deutschland kommen, luden die beiden die Dorfbewohner·innen zu einem Vortrag ein, in dem sie gegen Geflüchtete hetzten und mit der Gründung einer Dorfwehr drohten, damit ihr Dorf «frei von illegalen Einwanderern» bleibe. Wenige Kilometer entfernt wohnt Frank Willy Ludwig auf seinem Familienlandsitz in Liepe. Er ist Begründer des «Urahnenerbe Germania», einer rechts-esoterischen Organisation, dessen Ziel «das Erforschen und Praktizieren der Lebensweisen unserer Urahnen, der wedischen Hochkultur von Slawen und Ariern» ist. Der Namen der Organisation bezieht sich auf die 1935 von Heinrich Himmler und Richard Walther Darré gegründeten «Studiengesellschaft für Geistesurgeschichte Deutsches Ahnenerbe e. V.», welche die rassische Überlegenheit des «arischen Menschen» wissenschaftlich nachzuweisen versuchte und für medizinische Versuche an Menschen in Konzentrationslagern verantwortlich war. Ludwig nennt die Anastasia-Bewegung neben der AfD, Pegida und den Montagsmahnwachen als Teil einer »patriotischen Widerstandsbewegung». Im Ostharz versuchen Maik und Aruna Schulz, eine Familienlandsitz-Siedlung zu gründen. Bei einem Kennenlernseminar stellten sie klar, dass sie ausschliesslich «deutsches» Brauchtum und «deutsche» Familien in ihrem Siedlungsprojekt wünschen. Einem interessierten lesbischen Paar verweigerten sie die Aufnahme mit der Begründung, ihr Lebensstil wäre nicht mit den Vorstellungen der Bewegung vereinbar. Die genannten Beispiele sind keineswegs Einzelfälle. Da die Bücher Megres nationalistische, emanzipationsfeindliche, antisemitische und verschwörungstheoretische Inhalte aufweisen, liegt es nahe, dass es zahlreiche Verbindungen zwischen der Anastasia-Bewegung und der rechten und völkischen Szene im deutschsprachigen Raum gibt.

Unterwanderung von Rechts

Anhänger·innen der Anastasia-Bewegung treffen in ihrer Umgebung auf Zustimmung, weil sich ökologisch nachhaltige Konzepte in der Gesellschaft zunehmend durchsetzen, während ein kritisches Bewusstsein für problematische Überschneidungen zu rechtem Natur- und Umweltschutz häufig fehlt. Die Anhänger·innen werden oft nur als harmlose alternative Aussteiger·innen gesehen. Dabei handelt es sich um eine Taktik. Dass sie in den oft strukturschwachen ländlichen Gegenden engagiert sind und verschiedene Kulturveranstaltungen organisieren, schafft zusätzliche Akzeptanz. Immer mehr Organisationen, Initiativen und Vereine, gerade im Natur- und Umweltbereich, werden mit Anhänger·inne·n der Anastasia-Bewegung und anderen völkischen Siedler·inne·n konfrontiert. 2018 setzte sich das Permakultur-Institut intensiv mit den Inhalten der Bewegung auseinander, nachdem in den letzten Jahren zunehmend Anhänger·innen Permakultur-Kurse besuchten. In einer Stellungnahme distanziert sich das Institut und stellt fest: «Es braucht keine Feindbilder und keine völkischen Ideen, um für zukunftsfähigen Wandel aktiv zu werden.»

Anna Rosga ist Bachelor-Absolventin an der Universität für Ökologischen Landbau in Witzenhausen. Der dieser Veröffentlichung zugrundeliegende Text ist als Bachelorarbeit im Kernfach Agrargeschichte an der Universität Kassel entstanden. Zum Weiterlesen: https://www.nf-farn.de/rosga·anastasia-bewegung