Behörden und Bevölkerung setzten sich in Develier im Schweizer Jura für das Bleiberecht einer bosnischen Familie ein.
Im allerletzten Moment konnte im Schweizer Jura vor kurzem die Ausschaffung der bosnischen Familie Adzemi in den Kosovo verhindert werden. Frühmorgens um 6 Uhr rückten jurassische Polizisten mit einem Ausschaffungsbefehl von Bundesbern in Develier an. Frau Adzemi, Mutter von zwei Kindern, geriet in Panik und wollte sich aus dem Fenster stürzen. Dies wiederum verängstigte die Polizisten, sie getrauten sich nicht, unter diesen Umständen die Ausschaffung fortzusetzen und riefen eine Ambulanz. Nachbarn alarmierten währenddessen den Schuldirektor des Dorfes, der mit der Familie Adzemi befreundet ist. Dieser hatte von Herrn Chèvre, dem Direktor der Fremdenpolizei, eine klare Zusage erhalten, dass die Familie nicht ausgeschafft würde, bevor ihr Rekurs gegen den negativen Entscheid des Asylgesuches geprüft sei. Als der Schuldirektor ihn anrief, musste Herr Chèvre zurückkrebsen und sistierte die Ausschaffung. Weder die Familie noch ihr Anwalt hatten einen Brief mit der Benachrichtigung über die bevorstehende Ausschaffung erhalten. Der Anwalt erhielt die Post von den Behörden erst, als die Familie bereits in Pristina gewesen wäre!
Der Bürgermeister, Herr Antonio Dominguez, berief eine ausserordentliche Gemeinderatssitzung ein. Trotz der Ferien kamen alle Ratsmitglieder zusammen und beschlossen einstimmig, dass der Familie Adzemi das Bleiberecht in der Gemeinde gewährt werden sollte. Sie schrieben einen Unterstützungsaufruf, der innerhalb von vier Tagen 600 Unterschriften bekam – dies in einer Gemeinde mit 1300 Einwohnern! Damit zeigten Behörden und Bevölkerung, dass die Tradition der Gemeindeautonomie und die Bereitschaft zur Aufnahme von Flüchtlingen und Immigranten durchaus existiert.
Die jurassische Bevölkerung hat in den letzten Jahren immer deutlicher als anderswo sämtliche rassistische und fremdenfeindliche Abstimmungsvorschläge von Blochers SVP bachab geschickt. Die kantonale Regierung wäre daher erst recht legitimiert, eine humanere Ausländerpolitik zu führen, als es die Bundesregierung in Bern will. Umso schockierender ist der Übereifer, mit dem die kantonale Fremdenpolizei Ausschaffungsbefehle von Bern ausführt. In ihrer Petition verlangen die Bürger und Bürgerinnen von Develier von der kantonalen Regierung, den Slogan mit dem sich die Region in der Öffentlichkeit gerne präsentiert, "Jura, pays ouvert" in die Tat umzusetzen und dass sie sich für ein Bleiberecht für die Familie Adzemi einsetzen soll.
Der Familienvater lebt, mit Unterbrüchen, seit 1990 in der Schweiz. Als das Saisonnierstatut* abgeschafft wurde, konnte er von einem Tag auf den anderen nicht mehr legal in der Schweiz leben und arbeiten. Tausende und Tausende von Menschen aus dem ehemaligen Jugoslawien mussten dieses Schicksal erleiden, viele wurden dadurch zu Sans-Papiers. Der einzige Ausweg war, auch für Herrn Adzemi, ein Asylgesuch zu stellen.
Er und seine Familie leben nun seit 1999 in Develier, sind geschätzt und integriert und finanziell unabhängig, die zwei Kinder sind eingeschult und sprechen perfekt französisch. Schon alleine die Krankheit der Ehefrau sollte Grund genug sein, bleiben zu können. Sie leidet an einer Krankheit, dessen Behandlung hier fortgesetzt werden sollte.
Der Bürgermeister und die Gemeinde sind entschlossen, sich für die Familie einzusetzen, aber eine Unterstützung von anderswo als der Region zählt in einer solchen Auseinandersetzung auch. Deshalb bitten wir Euch, einen Brief an folgende Adresse zu schreiben:
Monsieur le Maire, Conseil Communal, rue de l’Eglise 8, 2802 Develier und uns eine Kopie zu schicken. Wir werden ihn an die Familie Adzemi weiterleiten.
Claude Braun
EBF Schweiz