Vom 3. bis 7. Mai fand in Bern eine Sondersession des Nationalrats statt. Ursprünglich hätten sowohl das Asyl- als auch das Ausländergesetz behandelt werden sollen. Doch haben die zahlreichen Änderungsanträge und die vielen Debatten dazu geführt, dass nur Ersteres verabschiedet wurde. Nun muss das Gesetz vor den Zweitrat (Ständerat), und das Ausländergesetz (AuG) kommt in der Sommersession vor den Nationalrat.
«Welche Formen der Kriminalität, an der Ausländer beteiligt sind, bedrohen zur Zeit die öffentliche Sicherheit und Ordnung in ihrem Kanton am meisten?» Mit dieser Frage eröffnete Bundesrat Blocher Ende Februar 2004 einen Suggestivfragebogen an die kantonalen Polizeidirektoren. Wie es in den Wald blochert, so tönt es zurück. Mit den Ergebnissen bestückte Bundesrat Blocher die Nationalratsdebatte vom 3. – 5. Mai 2004 zur Teilrevision des Asylgesetzes: «Die Missstände sind größer als ich gedacht habe», wiederholt er unermüdlich. Das Asylgesetz wurde rigoros verschärft.
Keinen einzigen Antrag der Linken hätte die CVP unterstützt, brüstete sich Nationalrat Ruedi Lustenberger nach der Asylgesetzdebatte am 5. Mai 2004. Selbst die «humanitäre Aufnahme» für Menschen ohne Rückkehrmöglichkeiten, die einzige positive Neuerung im Gesetz, wollte die CVP noch abschwächen, kam aber damit nicht durch, weil die SVP beim Abstimmungspoker auf die falsche Karte setzte. Dabei sind die Verbesserungen für langanwesende Asylsuchende nicht bloß aus menschlicher sondern auch aus finanzieller Sicht gewinnbringend. Wenn die «humanitär Aufgenommenen» neu einen besseren Aufenthaltsstatus erhalten, in der Ausbildung unterstützt und ihre Zugangsbarrieren zum Arbeitsmarkt abgebaut werden, dann gehen die erzwungenen Sozialbezüge zurück. Der Abschreckungseifer verdrängt jedoch wirtschaftliche Überlegungen im Bürgerblock.
Die vom Nationalrat angenommene «humanitäre Aufnahme» bleibt dennoch ein Dauerprovisorium, gibt es doch kein Anrecht auf eine Umwandlung in einen festen Aufenthalt. Der Ständerat könnte die «humanitäre Aufnahme» noch ganz aus dem Gesetz kippen.
Schlag auf Schlag
Ansonsten hat der Nationalrat den Asylsuchenden nur Schläge ausgeteilt. Kernstück der jetzigen Teilrevision ist die Drittstaatenregelung. Auf Asylgesuche von Flüchtlingen, die über einen sogenannten sicheren Staat in die Schweiz gelangen – das sind gegen 98 Prozent - soll nicht mehr eingetreten werden, es sei denn, diese Staaten verweigern die Rücknahme. Bis anhin wurde noch eine Durchreisefrist bis zu 20 Tagen in einem «sicheren» Drittland toleriert. Mit dem Wegfall dieser Toleranzfrist sind nun alle Asylsuchenden von einer Ausgrenzung aus dem Asylverfahren bedroht, die nicht direkt aus dem Verfolgerstaat in die Schweiz gelangen.
Einerseits werden die Verfahren in den Empfangsstellen und Flughäfen beschleunigt, andererseits die Rechtsmittel erheblich eingeschränkt. Beschwerdefristen werden bei Nichteintretensentscheiden von dreißig auf fünf Tage reduziert. Inhaftierung kann unmittelbar nach der Eröffnung des Nichteintretensentscheids erfolgen. Die persönlichen Daten der Gesuchsteller können noch vor dem zweitinstanzlichen Entscheid an den Herkunftsstaat weitergeleitet werden. Dadurch können nicht nur die Betroffenen, sondern auch ihre Angehörigen zu Hause gefährdet werden. Zudem ist eine unentgeltliche Rechtsvertretung nicht gewährleistet. In allen Beschwerdeverfahren soll nur noch ein Richter – statt drei – entscheiden. Die Entwicklungshilfe an Herkunftsstaaten, die bei der Rücknahme von abgewiesenen Asylsuchenden nicht «kooperieren», soll gestrichen werden.
Ächtung von Menschen
Eine neue Verschärfung wurde im Eilverfahren bereits in das bestehende Gesetz integriert. Dabei geht es um mehr als die Entrechtung von Asylsuchenden: Es geht um ihre Ächtung. Wer einen Nichteintretensentscheid erhält, wird entweder inhaftiert oder auf die Straße gestellt. Als Vogelfreie. Als Sans-papiers. Ausgegliedert aus dem Asylbereich ist ihre bloße Anwesenheit ein Rechtsbruch. Gemäß der Bundesverfassung darf der Staat niemanden auf seinem Staatsgebiet einfach verhungern lassen. Das Recht auf Leben ist durch die Verfassung und durch die Menschenrechtskonventionen geschützt; wer verhungert oder friert, dem muss der Staat Nothilfe leisten. Aber wenn eine durch einen Nichteintretensentscheid illegalisierte Person bei den Behörden um Nothilfe bittet, wird sie, das haben wir bereits erlebt, sofort festgenommen. Oder die Nothilfe wird auf wenige Tage beschränkt.
Für Bundesrat Blocher und seine SVP ist das Asylgesetz noch lange nicht genügend verschärft. Die ständerätlichen Kommissionen könnten denjenigen Scharfmacher-Anträgen zum Durchbruch verhelfen, die für die Nationalratsdebatte zu spät eingereicht worden sind.
Anni Lanz
«Ohne uns geht nichts»
«Ohne uns geht nichts»
Am 4. Mai beteiligten wir uns an den Protestaktionen, die zeitgleich wie die Nationalratsdebatte zum Asyl- und Ausländerrecht vor den Fremdenpolizeisitzen und Einwohnerdiensten in der gesamten Schweiz stattfanden. In 15 Ortschaften in allen Landesteilen der Schweiz wurden im Rahmen der Kampagne «Ohne uns geht nichts» 1 der fremdenfeindliche Hintergrund der vorgesehenen Gesetzesänderungen angeprangert. Die Fremdenpolizeien fühlen sich durch den neuen Vorsteher des EJPD 2 und die rechtsbürgerliche Mehrheit im Parlament in ihren Vorurteilen bestätigt, dass die Ausländer und Ausländerinnen dieses Landes durch spezielle polizeiliche Methoden und Dienste behelligt werden müssen.
Das Parlament scheint in seinem vorauseilenden Gehorsam vor dem sogenannten Volkswillen vergessen zu haben, dass alle fremdenfeindlichen Abstimmungen der letzten Jahrzehnte bachab geschickt wurden. James Schwarzenbach scheiterte in den 1970er Jahren ebenso kläglich wie der zum Migrationsspezialisten der FDP mutierte Philipp Müller, Vater der gescheiterten rassistischen 18-Prozent-Initiative. Sowohl das Asyl- als auch das Ausländergesetz (AuG) sind in ihren Grundzügen von der rassistischen Grundstimmung geprägt, dass es in einer Gesellschaft Menschen mit verschiedenen Rechten geben soll. So kommt zum Beispiel das AuG nur für diejenigen Männer, Frauen und Kinder zur Anwendung, die nicht aus der EU stammen.
Deshalb wird die Kampagne «Ohne uns geht nichts» weitergehen. Es kann nicht sein, dass ein Land, das zu den wohlhabendsten dieses Planeten gehört, eine Zweiklassengesellschaft propagiert, in der die Einen alle Rechte haben und die Anderen, die heute in der Schweiz 1,5 Millionen von 7 Millionen EinwohnerInnen ausmachen, nur als Arbeitskräfte und SteuerzahlerInnen geduldet werden.
- mehr dazu in Archipel Nr. 110 vom November 2003
- Eidgenössisches Justiz und Polizeidepartement