Emmanuel Mbolela stellte Mitte Oktober sein Buch Mein Weg vom Kongo nach Europa* gemeinsam mit dessen Übersetzer Dieter Behr in Bern, Basel und Zürich vor. Die Lesereihe wurde vom EBF, diversen Flüchtlingsorganisationen und der Shedhalle in Zürich organisiert. In der NZZ vom 17.Okt. 2014 erschien ein Artikel, den wir mit der freundlichen Genehmigung des Autors hier wiedergeben.
Seine eigene Odyssee begann 2002, als der damalige Wirtschaftsstudent wegen seiner politischen Aktivitäten in der Demokratischen Republik Kongo verhaftet und gefoltert wurde. Mbolela sah sein Leben in Gefahr und entschloss sich zur Flucht. Über Kamerun, Nigeria, Benin und Burkina Faso gelangte Mbolela nachMali.
Das grösste und mit Abstand gefährlichste Teilstück seiner Reise stand ihm aber noch bevor. Die Passagen im Buch über die ungeheuren Strapazen während der Fahrt durch die Sahara sind beklemmend. «Was zählt, ist einzig und allein, das eigene Leben zu retten», schreibt Mbolela. Zusammengepfercht auf einem Pick-up in unerträglicher Hitze, werden die Flüchtlinge durch die Wüste gefahren. Sie sind jedoch nicht nur Hitze, Hunger und Durst ausgesetzt, sondern werden oftmals auch noch aller Habseligkeiten beraubt. Mbolelas Gruppe wurde von bewaffneten Männern angehalten, die allen Reisenden befahlen, sich auf den Boden zu legen. Innerhalb von einer Viertelstunde sammelten die Banditen Mobiltelefone und Geld ein und verschwanden wieder. In Europa findet vor allem die gefährliche Überfahrt übers Mittelmeer mediale Aufmerksamkeit, erklärt Mbolela. Es ist ihm wichtig, darauf hinzuweisen, was für Tragödien sich in der Sahara, fernab von westlichen Fernsehkameras, abspielen. Immer wieder betont Mbolela auch die unsäglichen Torturen für die mitreisenden Frauen, die der sexuellen Ausbeutung durch die Schlepper schutzlos ausgeliefert sind.
Nach der strapaziösen Fahrt durch dieWüste schaffte er es, sich über Algerien nach Marokko durchzuschlagen.
Der Kampf für ihre Rechte Im Büro der UNHCR in Rabat stellte er einen Asylantrag und erhielt zu seiner grossen Freude einen positiven Bescheid. Doch auch der offizielle Status als Flüchtling schützt die afrikanischen Migranten nicht vor der Willkür der marokkanischen Behörden. Die Gefahr, bei einer Razzia von der Polizei aufgegriffen und abgeschoben zu werden, ist ständig präsent.
Zusammen mit einigen Landsleuten gründete Mbolela darum die Vereinigung der kongolesischen Flüchtlinge und Asylbewerber (ARCOM). Mit der Unterstützung durch marokkanische Menschenrechtsorganisationen leistete die Organisation wichtige Arbeit im Kampf für die Rechte, die den offiziell anerkannten Flüchtlingen eigentlich zustehen sollten.
Nach vier Jahren in Marokko erhielt Mbolela 2008 Asyl in den Niederlanden. Er sei hin- und hergerissen gewesen zwischen der Solidarität mit ARCOM und seinen Freunden und der Freude über den positiven Bescheid, sagt Mbolela.
Herausforderung Europa Angesprochen auf seine Vorstellungen von Europa, bevor er in die Niederlande übersiedelte, sagt Mbolela: «Europa bedeutete für mich Recht und Freiheit.» Doch er stellte fest, dass es am Anfang für ihn schwierig war, sich an das neue Leben zu gewöhnen. «In Marokko war ich fest in der kongolesischen Community verankert, man traf sich und ass zusammen. In den Niederlanden war ich plötzlich allein.» Besonders schwierig war für ihn die Ar-beitssuche.Was er hingegen in den Niederlanden fand, war der nötige Abstand seine Erlebnisse aufzuschreiben und sein Buch zu beenden. Er habe in Marokko mit dem Schreiben begonnen, doch da sei es für ihn schwierig gewesen, ständig die Erinnerungen der erlebten Grausamkeiten im Kopf zu haben. Das Buch habe ihm auch ein Stück weit geholfen, das Erlebte zu verarbeiten. Mbolela fühlt sich mittlerweile wohl in den Niederlanden, hält aber fest, dass er auf jeden Fall nach Kongo-Kinshasa zurückkehren möchte: «Kongo ist mein Land. Aber die Situation dort ist immer noch unhaltbar.»
*Emmanuel Mbolela, Mein Weg vom Kongo nach Europa - Zwischen Widerstand, Flucht und Exil, Mandelbaum Verlag, 2014, mit einem Vorwort von Jean Ziegler. Das Buch ist bereits in der 2. Aufl. erschienen und kann beim EBF für Fr. 19.- / 14 Euro bestellt werden. Es ist auch im Buchhandel erhältlich.