Eines der allerersten Gesetze, das so genannte Bossi-Fini-Gesetz, das von der neuen Regierung der italienischen Rechten vor etwa drei Jahren verabschiedet wurde, betraf die Ausländer. Keine Papiere zu haben wurde von da an zu einem Delikt, für das man mit strafrechtlicher Verfolgung zu rechnen hatte. Die Verfahren zur Abschiebung wurden beschleunigt, und die Abschiebegefängnisse, die von der Linken errichteten Centri di Permanenza Temporanea (CPT), begannen auf vollen Touren zu laufen.
In den letzten Monaten haben vor allem in den Großstädten und im Süden zahlreiche Aufstände und Demonstrationen stattgefunden, die diese CPT und die Migrationspolitik, die sich ihrer bedient, in Frage stellen. Wir veröffentlichen im Folgenden umfangreiche Auszüge aus einem in Indymedia Piemont erschienenen Artikel.
April 2005
Ein Hungerstreik im CPT Corelli-Straße in Mailand verwandelt sich rasch in einen Aufstand, der von der Polizei äußerst brutal niedergeschlagen wird.
- April: Aufschriften und Transparente in Solidarität mit den aufständischen Einwanderern und gegen die CPT tauchen in Turin auf. Ein wenig später verteilen Teilnehmer in den Straßenbahnen Flugblätter gegen die Kollaboration der städtischen Transportgesellschaft GTT mit den Ordnungskräften in Sachen Abschiebungen.
1.-3. Mai
Die Häftlinge des CPT Brunelleschi-Platz (Turin) beginnen einen ersten Hungerstreik, den sie am Tag darauf unterbrechen. Dieses CPT ist eines der „effizientesten“ in Italien: Seine Aufnahmekapazität beträgt nur 70 Personen, doch trotz der andauernden Polizeirazzien in der Stadt ist es dank der extremen Geschwindigkeit der Abschiebungen fast nie voll. Und die, die zum Abschiebungsstopp aufrufen, sind meist immer schon abgeschoben, bevor sie gehört wurden.
Die Aktionen zur Störung der Kontrollen in den Straßenbahnen werden weitergeführt, Flugblätter gegen die GTT werden in der ganzen Stadt verteilt.
10.-13. Mai
Tagesanbruch: Die Polizei dringt in ein Roma-Camp am Nordrand der Stadt ein. Unter dem Vorwand, die Zahl der Bewohner zu erfassen, nehmen sie ungefähr 20 Personen fest. 14 werden abgeschoben. Am Abend wird ein junger Senegalese, der gerade erst in der Stadt angekommen ist und keine Papiere besitzt, von den Carabinieri im Lauf einer Razzia in einem Park verfolgt. Er versteckt sich am Fluss Po, fällt jedoch ins Wasser und ertrinkt.
Am 11. Mai abends hält die Polizei einen Wagen mit vier jungen Senegalesen an. Einer von ihnen flüchtet, ein Polizist nähert sich dem Fahrzeug, ein Schuss fällt: Ein Senegalese stirbt kurz darauf. Am gleichen Tag wird im Turiner Gefängnis der Leichnam einer Inhaftierten slawischer Abstammung, die sich das Leben genommen hat, gefunden.
Am 12. Mai bei Tagesanbruch Durchsuchung von drei Häusern von Aktivisten zwischen dem Aosta-Tal und dem Piemont, während in Lecce die Verhaftungen im Rahmen der Operation Nottetempo 1 beginnen.
Am 13. Mai Aktion vor dem Sitz der GTT. In der Zwischenzeit wird bekannt, dass die Zentrale der GTT die Chauffeure beauftragt hat, die an den Autobussen angebrachten Flugblätter „Stell den Kontrolleuren ein Bein“ zu entfernen, selbst wenn dazu angehalten werden muss und der öffentliche Verkehr behindert wird.
14. Mai
Am Vormittag finden am Markt der Porte Palazzo zahlreiche Versammlungen statt, um über den Tod zweier von Ordnungskräften getöteten Senegalesen zu informieren. Ein großer Teil der Italiener zeigt sich gleichgültig, sogar feindselig; die Ausländer, im Gegensatz, sind interessiert und haben alle zumindest eine persönliche Geschichte über die Gewalttätigkeiten der Polizei oder der Kontrolleure der GTT zu berichten. Am frühen Nachmittag beginnt sich eine Menschenmenge anzusammeln, darunter sehr viele Immigranten, vor allem Senegalesen, und zahlreiche solidarische Italiener. Es wird beschlossen, zu einer Demonstration aufzubrechen. Auf dem Transparent an der Spitze der Gruppe steht geschrieben: „Carabinieri, Polizisten, Ordnungsleute: Mörder“ , ohne irgendein Siegel einer spezifischen Gruppe. Am Weg schließen sich viele dem Zug an. Ungefähr 400 Personen ziehen „Polizei mordet“ schreiend dahin, die Immi-granten an der Spitze des Zuges bestimmen die Strecke.
Die Zeitungen sprechen von einem pazifistischen Aufmarsch, der von der senegalesischen Gemeinschaft organisiert und nur durch die Provokationen von „anarchistischen Aufständischen“ gestört wurde. Seit diesem Zeitpunkt, mit seltenen Ausnahmen, singen die Turiner Zeitungen immer das gleiche Lied: Die Immigranten haben überhaupt keinen Grund, wütend zu sein, während, im Gegenteil, die Umstürzler immer die Scheisse aufwühlen, um Spannungen aufzubauen.
16.-18. Mai
Eine Strassenversammlung eröffnet die Diskussion über die Mittel zur Verteidigung gegen die Gewaltakte der Polizei in den Vierteln.
- Mai: Im Viertel San Salvario, in dem zahlreiche Immigranten leben, erscheinen Aufschriften und hunderte von Plakaten gegen Abschiebung und Polizeiterror. Die Zeitungen berichten von Schäden am Sitz der „Chronik von Turin“, der rassistischen Turiner Tageszeitung, sowie am Sitz der Lega Nord2 des Viertels.
In der Zwischenzeit gibt die Polizei bekannt, dass sie Drogen im Magen des in der Vorwoche getöteten jungen Senegalesen gefunden habe: Viele, in Politik und Presse, nützen diese Neuigkeit, um die Tötung zu rechtfertigen.
19. Mai
Die Gefangenen des CPT Burnelleschi-Platz revoltieren, zünden Matratzen an und beschädigen das Gebäude. Viele verstümmeln sich selbst. Die Polizei greift ein. Ein Hungerstreik beginnt. Ein Gefangener zertrümmert eine Fensterscheibe und schluckt Glasscherben, nachdem er von seiner bevorstehenden Ausweisung erfährt. Er verbringt den Vormittag im Krankenhaus und verpasst dadurch das Flugzeug für seine Abschiebung. Zurück im Gefängnis wird er krumm und lahm geschlagen und isoliert. Alle diese Informationen erreichen am Ende des Vormittags Radio Black Out, das freie anarchistische Radio von Turin.
Seit einigen Tagen ist Tareq, ein Freund des Radios, Gefangener im Abschiebegefängnis, selbst dort hört er weiterhin das Radio und macht es unter seinen Zuchthauskameraden bekannt. Die Antenne von Radio Black Out wird demzufolge wesentlich zur Mobilisation inner- und ausserhalb des Gefängnisses beitragen.
Am gleichen Tag, gegen 18 Uhr, versammeln sich ca. 150 Personen vor dem CPT. Einige öffnen mit Hämmern ein Loch in der Einfriedungsmauer des CPT. Nach kurzem Zögern greift die Polizei ein, wird jedoch zurückgedrängt. Die Demonstranten zerstreuen sich nach und nach, ein Teil bricht zu einer Demonstration auf; einige Gefährten werden in der Folge festgenommen, und eine Person wird in Polizeigewahrsam genommen.
20. und 21.Mai
Der Hungerstreik im CPT wird vereint und solidarisch (68 Streikende unter 70 Gefangenen) fortgesetzt, viele hören auch auf zu trinken. Manche derer, die sich am Vortag selbst verstümmelt und im Krankenhaus geendet haben, kehren ins Gefängnis zurück.
Am 21. Mai bei Tagesanbruch revoltieren die Gefangenen des CPT Burnelleschi-Platz erneut, um die Abschiebung von einem unter ihnen zu verhindern, viele drohen damit, sich das Leben zu nehmen, einige schlucken Batterien und Glasscherben. Ein illegal Eingewanderter schneidet sich den Bauch so heftig auf, dass er an Ort und Stelle genäht werden muss: Das Rote Kreuz und die Polizei beschließen, ihn freizulassen, um weitreichenderen Schäden aus dem Weg zu gehen.
Am Nachmittag wird ein neuer Auflauf vor dem CPT organisiert. Während einiger Stunden steigen die Gefangenen auf die Dächer, es findet ein reger Austausch zwischen ihnen und den Demonstranten statt. Die Geschichten zahlreicher Gefangener gelangen nach aussen, und es wird deutlich, dass oft das Rote Kreuz die Befreiung derer, die das Recht hätten zu gehen, verhindert. Das also die schreckliche Lehre eines solchen Tages: Das einzige wirksame Mittel für einen illegal Eingewanderten, der Deportation zu entkommen, ist ein Selbstmordversuch.
Die lokalen Tageszeitungen sehen sich gezwungen, vom CPT zu berichten. Keine einzige erwähnt den laufenden Hungerstreik, und die angespannte Situation wird der Überfüllung des Abschiebegefängnisses, den hygienischen Bedingungen oder im besten Fall einer äusserst restriktiven Auslegung des Gesetzes zugeschrieben.
23., 24., und 25. Mai
Am Morgen kursieren Gerüchte von neuerlichen Abschiebungen.
Die Immigranten sind erschöpft und unterbrechen ihren Hungerstreik. Das Gefängnis wird eingekreist und die Polizei durchgehend vor dem Eingang postiert.
Am Abend findet eine Versammlung im Gedenken an zwei Senegalesen, die von Ordnungskräften getötet wurden, statt. Trotz der massiven Polizeipräsenz nehmen zahlreiche Personen - Italiener und Ausländer - an der Diskussion teil.
Am 24. Mai werden acht rumänische Gefangene des CPT abgeschoben.
Am 25. Mai weckt die Polizei bei Tagesanbruch sieben marokkanische Gefangene im CPT und teilt ihnen mit, dass ein Flugzeug auf sie wartet. Unter den ausgewiesenen Immigranten befindet sich Tareq, der in der darauf folgenden Woche erneut Kontakt mit seinen Freunden in Turin aufnimmt und erzählt, dass er zwei Tage nach der Ankunft in seinem Land festgenommen wurde und ihm das Geld, das er bei sich hatte, abgenommen wurde. Am selben Vormittag durchsucht die Polizei zehn Häuser von Aktivisten, wobei sie sich besonders auf die Flugblätter bezüglich der GTT stürzt und 1500 Exemplare konfisziert. Der offizielle Vorwand für diese Hausdurchsuchungen ist die Untersuchung zu einem Sprengstoffpaket, das am Morgen zuvor an städtische Polizisten abgegeben wurde.
Am Nachmittag wird im Stadtzentrum eine Versammlung organisiert.
Im Norden der Stadt kreist die Polizei einen Häuserblock, in dem Ausländer wohnen, ein und dringt in die Wohnungen ein. Eddy, ein illegal eingewanderter Nigerianer, der gerade erst in der Stadt angekommen ist, um seiner Verlobten einen Besuch abzustatten, flüchtet sich auf das Gesims, stürzt und stirbt. Das ist der vierte Tote innerhalb von 15 Tagen. Nigerianer des Viertels kommen auf den Platz und stellen sich der Polizei gegenüber.
26. und 27. Mai
Verschiedene linke Organisationen Turins finden sich nachmittags vor der Präfektur ein, um gegen die Gewalt der Polizei zu protestieren. Die anwesenden Nigerianer halten zündende Reden, aber schliesslich wird beschlossen, eine Delegation ins Büro des Präfekten zu entsenden.
Besuch Ghiglias (Nationale Allianz, konservative Partei) im CPT. Beim Herauskommen beklagt er die Arbeitsbedingungen der armen Angestellten und schlägt vor, das CPT an den Stadtrand - weit weg von indiskreten Blicken - umzusiedeln.
- Mai, Vormittag: Organisation einer Demonstration vor dem marokkanischen Konsulat, das gemeinsam mit dem italienischen Staat mitverantwortlich ist für die Abschiebungen von marokkanischen Staatsangehörigen. Nach einigen Stunden ziehen die Demonstranten bis zu dem Ort, an dem im Jahr zuvor Latifa Sdairi, eine junge Marokkanerin, starb, als sie auf der Flucht vor den Kontrollen der städtischen Polizei von einem Dach stürzte. Am Nachmittag wird im Norden der Stadt eine Versammlung organisiert im Andenken an einen getöteten Nigerianer. Die Atmosphäre ist sehr angespannt, die Strasse ist gesperrt, und man entgeht knapp der Konfrontation mit der Polizei.
Den ganzen Tag über werden in den Stadtvierteln weiterhin Flugblätter gegen die Gewalt der Polizei verteilt.
28. Mai
Um 15 Uhr versammeln sich die ersten Demonstranten an der Porta Palazzo; wieder einmal keine Zeichen von Organisationen, nur die Logos einer antirassistischen Organisation. Die Polizei ist in grosser Zahl anwesend, zeigt sich jedoch nicht. Der Zug vereinigt bald 1000 Personen. An der Spitze des Zuges die Freunde von Eddy. Am Megaphon sein Bruder. Rasch - man nimmt von weitem die städtischen Polizisten wahr - steigt die Anspannung. Niemand erträgt die Uniformen. Nachrichten vom CPT treffen ein: Jemand im Inneren möchte, dass die Demonstranten bis vor das Abschiebegefängnis ziehen, um einem neuen Aufstand Elan zu geben.
Die Freunde von Eddy dagegen wollen ihre Wut bis zum Kommissariat tragen. Die Polizei blockiert die Strasse, um den Demonstrationszug am Weiterziehen zu hindern. Die Immigranten sind aufgebracht, viele würden sich gern mit blossen Händen auf die Polizisten stürzen. Die Polizisten ziehen sich zurück und geben die Strasse Richtung Bahnhof frei, blockieren aber den Weg zum Kommissariat.
Nach einem langen Moment der Unsicherheit setzt der Zug seinen Weg in Richtung Bahnhof fort, wo die Bahnsteige besetzt werden: „In einer Stadt, die mordet, darf niemand reisen!“ Es gibt einige Beschädigungen in der Station. In der Zwischenzeit wird bekannt, dass im CPT davon gesprochen wird, den Hungerstreik wieder aufzunehmen.
29. Mai
Die Demonstration des Vortages wird in den Zeitungen als eine schöne antirassistische Kundgebung, die von „anarchistischen Aufständischen“ gestört wurde, dargestellt. Nur Il Manifesto (kommunistisch) und Il Giornale (ultrakonservativ) schreiben vom Zorn und der Spannung unter den Immi-granten.
1. Juni
Die Gefangenen vom Brunelleschi-Platz künden die Wiederaufnahme des Hungerstreiks an. Das Gefängnis ist jedoch in den vergangenen Tagen so gut wie geleert worden: Es sind nur noch ca. 20 illegal Eingewanderte. Die Initiative wird schnell aufgegeben.
Die Polizei durchkämmt die Stadt und nimmt die Razzien in den Bussen wieder auf. Sie dringt in zahlreiche öffentliche Verkehrsmittel ein und stürzt sich gemeinsam mit den Kontrolleuren auf die Ausländer.
Eine Gruppe stürmt in einen Saal, in dem der Bürgermeister versucht, die Bewohner eines Viertels vom Segen der sie betreffenden Projekte zur städtischen Aufwertung zu überzeugen. Transparente und Flugblätter erinnern an die Morde an Immigranten durch die Ordnungskräfte, und man schreit die Verantwortlichkeit der anwesenden Verwaltungsratmitglieder hinaus. Die Gruppe zieht sich schnell „Sklaventreiber, Mörder!“ rufend zurück. Kurz davor hatte eine Gruppe von Arbeiterreferendaren den Bürgermeister mit Schmähungen überhäuft, danach sind die Bewohner, die der genialen städtischen Innovationen unwürdig sind, an der Reihe. Ein „schwieriger Abend für die Stadtverwalter“, kommentieren die Zeitungen.
9. Juni
Bei Tagesanbruch werden neun Rumänen zum Flughafen gebracht; nach der Abnahme der Abschiebungen in der Vorwoche nehmen die Flüge ihren Rhythmus wieder auf.
Am Vormittag demonstriert eine Gruppe mit Transparenten, Flugblättern und Megaphonen gegen die Chronik von Turin und denunziert die Verantwortlichkeit der rassistischen Turiner Tageszeitung bei der Jagd auf Immigranten in den letzten Monaten.
Am Nachmittag versammeln sich ungefähr 30 Personen vor dem CPT. Mit Megaphonen werden die Gefangenen gegrüsst, aber diese werden sehr schnell isoliert und können nicht mehr antworten. Die Polizei und die Carabinieri, in großer Zahl anwesend, sind vor dem CPT aufgereiht.
- Juni
Die üblichen Unbekannten , wie die Zeitungen zu schreiben pflegen, sabotieren etwa hundert von den GTT verwalteten Parkuhren und schlagen eine perfekte Fälschung an, in der das Unternehmen einen ganzen Tag kostenloses Parken ankündigt. Die Tageszeitung, die davon berichtet, stellt die Verbindung zur Kollaborationspolitik der GTT mit den Ordnungskräften her.
Turin, am 15. Juni 2005
Indymedia Piemont
Anm. d. Red.: Am 30. Juni erschien in Il Manifesto ein Text von Nichi Vendola, Präsident der Region Apulien, mit dem Titel „Wir können nicht gehorchen“, der von 14 von 20 Regionspräsidenten mit unterzeichnet wurde und zur Schliessung der CPT und zu Ungehorsam aufruft (siehe Kasten).
„Während der Nacht“: ausgedehnte Operation, gerichtet gegen die Anarchisten Süditaliens, in Folge der Mobilisierung gegen das CPT von San Foca. Sie werden nächtlichen Vandalismus verdächtigt, während sie dagegen tagsüber an legalen Aktionen teilnehmen würden, woher der Name.
Fremdenfeindliche Partei, seit vier Jahren in der Regierung mit Berlusconi und der Rechten
Non possiamo obbedire – Wir können nicht gehorchen
Auszüge aus dem Text von Nichi Vendola:
Wir können nicht gehorchen, weil Gehorsam auf ein Akzeptieren der Brutalität und der Unmenschlichkeit von niederträchtigen Texten hinausläuft, die mit schneller Tinte und einem üblen Sinn für politische Realitäten geschrieben sind. Wir können nicht gehorchen, wenn man uns auffordert, am Rande unserer Städte fahle Bunker zu bauen für ein zusammengepferchtes Menschengeschlecht, Orte ohne Regeln und für Menschen, deren Status dem eines wiederverwertbaren Abfalls gleicht, die also selbst keine Menschen mehr sind, sondern einfach und gehässig – „illegal“.
Die Abschiebegefängnisse (CPT) sind die schwarzen Löcher unserer bürgerlichen Kultur und Rechtsordnung, sie verschlingen Gesichter und ganze Lebensabschnitte im Strudel einer niemals ausgesprochenen Strafe. (…)
Wir können nicht gehorchen, wenn es das Hinnehmen ist von verwaltungsmäßiger Inhaftierung als gewöhnlichem Heilmittel für die Überschüssigen von außerhalb und für die Hysterie innerhalb der Union. Wenn man uns in leicht biblischem Ton sagt, wir würden das Europa von Schengen in Frage stellen, so antworten wir, dass das Schengener Abkommen nicht die Gesetzestafeln und Pisanu* nicht Moses ist, und dass wir in der Tat alles in Frage stellen, weil die Immigrationspolitik weder die öffentliche Ordnung noch eine einzige Sozialleistung erhöht, sondern der Spiegel ist, den man uns hinhält. Es ist die Festung Europa selbst, die wir gern ändern, zerschlagen, niederreißen möchten, aber nicht erfüllt von einem verschwommenen humanitären Gefühl für die Rettung eines Volkes von Gestrandeten, das an unseren seligen Küsten landet, sondern um Europa zu retten. Der alte Kontinent glaubte, mit der Sicherheitspolitik käme die Einheit; aber ohne Seele, stark und kenntlich, ist er gestolpert über Volkes Stimme und hat sich der Gefahr des Zusammenbruchs ausgesetzt. Wir wollen Europa helfen, seine Aufgabe wieder zu finden und die große Vielfalt seiner Wurzeln. In diesem Sinne sind wir für die Schließung der Abschiebegefängnisse.
Nichi Vendola
Rifondazione Comunista
Präsident der Region Apulien
*Giuseppe Pisanu ist Innenminister der Regierung Berlusconi