GESTERN - HEUTE - MORGEN : Simon Bolivar, «El Libertador»

de Gérard Chaupin (FCE-France), 19 janv. 2004, publié à Archipel 111

Bolivar, ein Name, der in der Geschichte der Freiheitskämpfe ein Idol verkörpert, stößt in den Schulbüchern auf wenig Beachtung, obwohl sein Mut, seine Weitsichtigkeit und seine Ausdauer Grenzen umgestoßen und die koloniale Vorherrschaft zurückgedrängt haben.

"El Libertador" wurde vor 220 Jahren, am 24.7.1783 in Caracas (Venezuela) geboren, am Vorabend der französischen Revolution und im Jahr der Anerkennung der Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten durch die europäischen Großmächte.

Simon Bolivar stammt aus einer Familie reicher venezuelanischer Großgrundbesitzer baskischen Ursprungs und wird von seinen Onkeln und Hauslehrern erzogen. 1799 unternimmt er seine erste Reise nach Europa, zuerst nach Spanien und dann nach Frankreich, wo er studiert und häufig Pariser Salons aufsucht. Im letzten Moment beschließt er, der Krönung Napoleons I. in Notre Dame beizuwohnen. Von diesem Tag an betrachtet Bolivar Napoleon als einen "falschen Tyrannen", nicht weil dieser sich die Krone selbst auf den Kopf setzt, sondern weil das ganze Volk mit seiner Krönung einverstanden zu sein scheint. Aber er entschließt sich erst 1805 in Rom auf dem Heiligen Berg, sein Leben der Befreiung eines Kontinents zu widmen: "Ich schwöre, dass ich weder meine Hände noch meinen Geist ruhen lassen werde, bevor ich nicht die Ketten der spanischen Vorherrschaft gesprengt habe." Bolivar kehrt 1807 nach Caracas zurück, stark beeindruckt von der Französischen Revolution, der Erklärung der Menschenrechte und der Abschaffung der Feudalherrschaft.

Venezuela wird unabhängig

In Caracas schließen sich intellektuelle zum "kreolischen Kongress" zusammen. 1810 wird Venezuela durch einen Staatsstreich unabhängig und die Junta, die Waffen und Hilfe braucht, betraut Bolivar mit der Aufgabe, mit England Verhandlungen zu führen. In London trifft er Miranda, einen Venezuelaner, der für die Französische Revolution gekämpft hat, siegreicher Brigadegeneral bei Valmy war und dann aus Frankreich ausgewiesen wurde. Bolivar überzeugt ihn, mit ihm nach Caracas zurückzukehren. Miranda wird ein triumphaler Empfang bereitet. Zu diesem Anlass hat er seine französische Generalsuniform angelegt. Er wird zum Generalleutnant ernannt und bald mit dem Kommando der militärischen Operationen betraut.

Die Junta bleibt in sich gespalten und zögert die Ausrufung der Republik hinaus. Ein Klub der patriotischen Kräfte Venezuelas wird gegründet und Bolivar ergreift vor diesem "Forum" das Wort. Er fordert die Junta auf, "ohne Furcht den Grundstein für die südamerikanische Freiheit" zu legen und endlich die Republik auszurufen. Zwei Tage später, am 5. Juli 1811 wird die Unabhängigkeit (Erste Republik) verkündet. Auf der Gegenseite schreitet die Konterrevolution voran: Spanien ist nicht gewillt, ein Kolonialreich aufzugeben, das seit 300 Jahren unter seiner Kontrolle ist und bewaffnet die Aufständischen. Der Himmel scheint die Royalisten zu unterstützen, als am Gründonnerstag 1812 ein Erdbeben das Land heimsucht und hauptsächlich die republikanischen Städte zerstört. Dieser Vorfall gibt den Prälaten die Gelegenheit, vor Tausenden von Gläubigen, die in den Kirchen beten, die Republik zu verfluchen. Bolivar lässt sich nicht so leicht verunsichern: "Wenn sich die Natur gegen uns stellt, werden wir so lange gegen sie kämpfen, bis sie uns gehorcht."

Nach mehreren militärischen Niederlagen, die Miranda der Unentschlossenheit der Kämpfer zuschreibt, verlangt er einen Waffenstillstand, der durch die Vermittlung Englands zustande kommt. Bolivar ist entrüstet und lässt Miranda verhaften. Er selbst geht nach Neu-Grenada, dem heutigen Kolumbien, ins Exil. Auch dort kämpfen Befreiungsbewegungen erfolgreich gegen die spanische Vorherrschaft. Bolivar schreibt dort das "Manifest von Carthagena", in dem er bereits den Plan entwickelt, für den er sich später einsetzen wird: die militärische Eroberung von Caracas. Die Drohung einer spanischen Invasion von Venezuela her bewegt die Junta von Neu-Grenada, Bolivar zu beauftragen, eine Armee zusammenzustellen, um zum Gegenangriff überzugehen. Er überschreitet die Anden und siegt. Seine List: Er schickt Kuriere aus, die erzählen, dass er über eine Armee von 17.000 Männern verfügt. Während dieses Feldzuges wird er von der enthusiastischen Bevölkerung "El Libertador" getauft.

Später wird die Begeisterung der Bevölkerung durch die Verbrechen und Greueltaten der royalistischen Truppen gedämpft. In Europa zeichnet sich durch den misslungenen Russlandfeldzug die Rückkehr Ferdinand VII. auf den spanischen Thron sowie die Entsendung eines Expeditionskorps zur Befriedung "Indiens" ab. Bolivar erlässt ein Dekret über den "Vernichtungskrieg", weil er es bevorzugt, lautstark zu drohen als hinzurichten. Nach 2000 km siegreichen Marsches endet der "bewundernswerte Feldzug" 1813 mit der Ankunft in Caracas, wo der Befreier von einer jubelnden Menschenmenge begrüßt wird. Eine provisorische Regierung wird eingesetzt. Aber der Krieg ist noch nicht beendet. Royalistische Gruppen beginnen erneut zu kämpfen, und Spanien schickt ihnen Verstärkung.

Die Revolte der Llaneros

Zu dieser Zeit bricht die Revolte der Llaneros aus, Viehzüchter, die im Süden Venezuelas, einer sehr armen Region, wohnen. Sie haben dem Konflikt zwischen den Unabhängigkeitskämpfern und den Royalisten nicht beigewohnt, sind dann aber von dem Spanier Boves aufgehetzt worden und stellen sich nun gegen die neue Regierung, die ihr soziales Gefüge mit neuen Gesetzen durcheinanderbringen will. Die zahlreichen, mit langen Lanzen bewaffneten Truppen der Llaneros liefern den Republikanern verbissene und mörderische Schlachten. 1814 muss Bolivar die Bewohner von Caracas durch die Armee evakuieren lassen, um sie vor diesen Horden, die jeden Tag weiter vordringen, zu schützen. Nur einige Nonnen, die ihr Kloster nicht verlassen wollen, bleiben.

Zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres muss Bolivar nach Neu-Grenada ins Exil.

In Spanien hat Ferdinand VII. den Thron bestiegen, und die Ankunft des Expeditionskorps steht unmittelbar bevor. In Neu-Grenada beschließt Bolivar auf Grund der anwachsenden Bruderkämpfe innerhalb der republikanischen Reihen, seine Funktion als Armeechef aufzugeben. 1815 schifft er sich nach Jamaica ein. Er schreibt dort den "Brief aus Jamaica", in dem er zum ersten Mal die Grundsätze einer großen Idee aufzeichnet, an deren Verwirklichung er bis zu seinem Tod verbissen arbeiten wird: die Gründung eines Bundes freier Nationen.

Zur gleichen Zeit besetzt das Expeditionskorps Caracas, unterwirft das Land einer blutigen Repression und nimmt Carthagena wieder ein. Bolivar bittet den Präsidenten der Republik Haiti, Alexandre Pétion, um Hilfe. Pétion ist Sohn eines Sklaven, der vom Volk gewählt wurde, das seit der Revolution vom französischen Kolonialjoch befreit worden ist. 1816 verlässt Bolivar Haiti mit 300 Männern, hauptsächlich Offizieren, die später die Kader seiner Armee werden.

Er versucht mehrmals zu landen, erleidet aber ständig militärische Niederlagen: Die durch die grausame Repression des Expeditionskorps terrorisierte Bevölkerung schließt sich ihm nicht an.

Hilfe aus England

Bolivar zieht sich nach Guyana zurück und bereitet von dort die Wiedereroberung von 1817 vor.

Zu dieser Zeit entschließt sich England, ihm bedeutende Hilfstruppen, Waffen und Geld zu schicken. Eine Hilfe, die inoffiziell bleibt, da England Spaniens Verbündeter ist. Aber natürlich machen sich die Engländer Sorgen, wie sie im Fall eines Sieges der Rebellen den Absatzmarkt für ihre Industrie, die seit der Kontinentalsperre in einer Krise steckt, erhalten können. Außerdem ist die Armee seit dem Ende der napoleonischen Kriege arbeitslos und eine gewisse Unruhe macht sich auf der Insel breit. Dies ist die Gelegenheit, sich eines Teils der verdienten Kämpfer zu entledigen, die jetzt unerwünscht sind.

Die so verstärkte republikanische Armee kann einige Städte zurückerobern.

In Europa und Amerika überschlägt sich die spanische Propaganda. Die Zeitungen beschreiben Bolivar als blutrünstigen Räuber. Bolivar beruft den "Kongress von Augostura" ein, um der Regierung, die er vertritt, mehr Legitimität zu verleihen. Dieser Kongress wählt ihn zum Präsidenten der Republik und verleiht ihm im Hinblick auf die spanische Bedrohung außerordentliche Vollmachten.

Die republikanische Armee ist bereit und der Zeitpunkt ist gekommen, Neu-Grenada einzunehmen. Zur allgemeinen Überraschung nimmt die 2000 Mann starke Armee den schwierigen Weg über die Anden und erobert Tunja zurück... In Neu-Grenada erwacht der republikanische Gedanke aufs Neue: Das Expeditionskorps hat zu viele Greueltaten begangen. Die Llaneros haben sich der Sache Bolivars angeschlossen und nach nur 2 Stunden Kampf fällt eine ganze spanische Armeeinheit in die Hände der Republikaner: Soldaten, 0ffiziere, Waffen, Munition, Artillerie, Kavallerie und... der Generaloberst.

Der Sieger der Anden schlägt die spanische Armee in die Flucht und gründet 1819 die Republik Groß-Kolumbiens - ein Name, der an den Entdecker Christoph Columbus erinnern soll - mit drei großen Departementen: Neu-Grenada, Venezuela und Ecuador, d.h. ein fast 2 Millionen Quadratkilometer großes Gebiet.

Die Dinge entwickeln sich günstig: In Spanien wird durch eine liberale Revolution die Verfassung von 1812 wieder eingeführt, und die Liberalen schlagen vor, ihre "glorreichen politischen Veränderungen" in die Kolonien zu tragen. So kommt es dazu, dass die Hauptstadt um Feuerruhe und Aufnahme von Verhandlungen zwischen "den Regierungen Kolumbiens und Spaniens" bittet, die mit der Unterzeichnung eines Waffenstillstandes enden.

1821 wird der Libertador erneut zum Präsidenten der Republik Kolumbiens gewählt.

Bolivar und Antonio Jose de Sucre, den manche Historiker als seinen geistigen Sohn bezeichnen, befreien das dritte Departement Groß-Kolumbiens, Ecuador. Die letzte Festung der spanischen Vorherrschaft ist Peru. Sie wird bald von einer 4000 Mann starken republikanischen Armee gestürmt.

Diese Ereignisse finden natürlich auch in Europa einen gewissen Widerhall. Nach einigen Jahren revolutionärer Unruhe haben die napoleonischen Kriege wieder für eine königliche Ruhe gesorgt. Frankreich ist bereit, Spanien in seinem Bestreben zu unterstützen, in Amerika die Ordnung wieder herzustellen. England und vor allem die Vereinigten Staaten widersetzen sich dem, weil sie bei der Eroberung der neuen Märkte nicht abseits stehen wollen. Die europäische Intervention bleibt daher aus.

Intrigen

Kaum hat der Libertador in Peru gesiegt, erfährt er, dass ihm der Kongress von Kolumbien alle militärischen Vollmachten entzogen hat. Das ist das Ergebnis der Intrigen Santanders, eines republikanischen Generals, der die Hauptverantwortung für den Misserfolg des großen bolivarischen Vorhabens, einen Bund der amerikanischen Staaten zu gründen, trägt. Trotzdem ist das Kolonialreich gefallen, 20 Jahre nach dem Schwur Bolivars in Rom. Er hat Groß-Kolumbien gegründet und ein Staat, Bolivien, trägt seinen Namen. Er hat Peru befreit und andere Nachbarstaaten sind ebenfalls unabhängig geworden: 1824 schließen sich Mexiko, Panama und Zentralamerika Großkolumbien an. In Chile und Argentinien siegen die Libertadores und Brasilien erlangt seine Unabhängigkeit von Portugal.

Aber zu dieser Zeit sagt Bolivar: "Ich fürchte den Frieden mehr als den Krieg." Eine schwierige Aufgabe wartet auf ihn: Aufbau der verschiedenen Staaten, Bruch mit dem Kolonialsystem, Errichtung demokratischer Strukturen, Festigung des Prinzips der Gleichheit zwischen Klassen und Rassen und hauptsächlich die Definition einer gemeinsamen internationalen Politik all dieser Staaten, damit sie gemeinsam die riesigen potentiellen Reichtümer, die sie besitzen, verteidigen, die sowohl von den Europäern als auch von den Nordamerikanern begehrt werden.

Von 1826 an arbeitet er an der Erstellung der bolivianischen Verfassung, deren Grundsätze von den anderen jungen Republiken übernommen werden könnten. Er bereitet auch den Kongress von Panama vor, auf dem er den Grundstein für eine Vereinigung der Länder, die aus dem spanischen Reich hervorgegangen sind, legen will: Argentinien, Chile, Großkolumbien, Guatemala und Mexiko sind eingeladen. Aber die Einladungen, die Santander in die Vereinigten Staaten und nach Brasilien geschickt hat, lassen den Kongress zu einem Misserfolg werden.

Amerika den USA

Bolivar misstraut dem großen nördlichen Bruder ungeheuer und wirft ihm Gleichgültigkeit vor gegenüber den Freiheitsbewegungen in ihren schwierigen Momenten und Berechenheit in seinen Beziehungen mit den spanischen Amerikanern: "Die Vereinigten Staaten scheinen dazu bestimmt zu sein, im Namen der Freiheit Unglück zu verbreiten."

Es war damals schon fast wie heute: Amerika den Amerikanern...des Nordens.

Da es keinen größeren Zusammenschluss gibt, versucht Bolivar jetzt, einen Bund der Anden ins Leben zu rufen: Bolivien, Kolumbien und Peru. Außer Antonio Jose de Sucre, der immer Bolivars Vertrauter und Freund bleibt, lassen die Generäle, die an seiner Seite gekämpft haben und nun an der Spitze der neuen Staaten stehen, ihren Ambitionen freien Lauf und unterliegen der Profitsucht. In Kolumbien verschlechtert sich die Situation dermaßen, dass man ihn um Hilfe ruft. Aber er antwortet: "Der Titel ‚Libertador‘ ist der höchste von allen. Ich würde mich nie dazu herablassen, auf einen Thron zu steigen. Ich bin weder Napoleon noch Cäsar."

Als er das Unheil, das die neue Verwaltung anrichtet, sieht, ist er bereits sehr krank und vertraut den Kolumbianern folgendes an: "Mitbürger, ich schäme mich, aber ich muss es sagen: Die Unabhängigkeit ist das einzig Gute, was wir auf Kosten aller anderen Vorzüge errungen haben."

1830 wird Antonio Jose de Sucre, der einzige, der die Nachfolge Bolivars hätte antreten können, ermordet und Bolivar wird aus jeglicher Verantwortung verdrängt. Tief getroffen vom Werdegang der Ereignisse, stirbt Bolivar, der das Unmöglich versucht hat, um sein Ideal zu verwirklichen, am 17. Dezember 1830 infolge einer schweren Krankheit.

Kurz zuvor hat er eine Proklamation für die kolumbianischen Völker geschrieben, eine Art politisches Testament. In der Geschichte bleibt sein ebenso enttäuschter, wie bescheidener Urteilsspruch über sein Befreiungswerk bestehen: "Ich habe das Meer gepflügt und in Sand gesät..."

Quelle:Bolívar, le Libertador , von Gilette