GESTERN - HEUTE - MORGEN Bald gibt es kein Zurück mehr...

de Cédric Bertaud , EBF-Frankreich, 8 déc. 2003, publié à Archipel 110

Wenn Sie Atomenergie befürworten, wenn Sie genetische Manipulationen gutheißen, dann werden Sie von Nanotechnologien begeistert sein…

Wir befinden uns am Rande von sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Umwälzungen, deren Auswirkung niemand abschätzen, vielleicht nicht einmal wirklich begreifen kann. Das Bemerkenswerteste an diesen Technologien, ob sie nun funktionieren oder nicht, ist die Tatsache, dass sie ungeheure Gefahren in sich bergen und früher oder später den Menschen zum Verschwinden bringen könnten.

Mitten im Irakkrieg eröffnete der französische Staatspräsident Jacques Chirac das Forschungszentrum über Nanotechnologien von ST-Mi-croelectronics, Philips und Motorola ,"Crolles 2", in Grenoble, ohne dass vorher die Öffentlichkeit darüber informiert wurde, geschweige denn eine öffentliche Debatte darüber stattgefunden hätte. Es handelt sich hier um die größte Investition im Industriebereich seit den Atomkraftwerken (2,8 Milliarden Euros bis 2007, davon 543 Millionen von der öffentlichen Hand), die es Frankreich erlauben soll, bei der Entwicklung der Nanotechnologien tatkräftig mitzuwirken. 1

** Was sind

Nanotechnologien?

** Die Vorsilbe nano bedeutet 10-9, ein Nanometer ist ein Milliardstel Meter. Nanotechnologien sind also alle Technologien, die wir heute kennen, angewendet auf Atome oder Moleküle. Sie sollen in allen Bereichen des täglichen Lebens und der Produktion zum Tragen kommen: Landwirtschaft, Gesundheit, Energie, Rüstung etc.

Das ursprüngliche Konzept wurde in den 1950er Jahren von John von Neuman und Richard Feynman am California Institute of Technology entwickelt. Von Neumann entwarf die Grundidee der Nanotechnologien: Roboter bauen, die nicht nur fähig sind, sich zu vermehren, sondern auch noch komplexere Automaten zu erfinden. In einem Text mit dem Titel "There’s plenty of room at the bottom" fasst Feynmann die Möglichkeit ins Auge, die Materie mittelfristig auf der Ebene der Atome und Moleküle zu manipulieren.

1986 hält Eric Drexler, damals am Massachussets Institute of Technology , die ideologische Grundlage in seinem Text "Engine of creation" fest. Er gründete in Kalifornien das Foresight Institute , das sich zur Aufgabe stellte, die Nanotechnologien durch Kongresse und Publikationen bekannt zu machen. Seit dem Entwurf eines Mikroskops mit Tunneleffekt, mit Hilfe dessen man Atome sehen und bewegen kann, häufen sich ab 1982 dank der Investitionen von Industrieunternehmen die Erfindungen.

Einige Beispiele:

  • Nano-Strukturen aus Kohlenstoff mit einem einheitlichen Aufbau, der auf einem Gitter aus 60 Kohlenstoffatomen in der Größenordnung des Nanometers basiert. Diese Gefüge verbinden sich zu Nano-Strukturen, die es ermöglichen, alle Arten von widerstandsfähigen Materialien zu entwickeln, die leicht und kostengünstig sind, da Kohlenstoff reichlich vorhanden ist.

  • Die Synthese neuer Aminosäuren in der DNS, die es ermöglichen künstliche Proteine herzustellen, die in der Natur nicht vorkommen.

  • Die ersten Schritte in der Quanteninformatik, durch die die Leistungsfähigkeit von Computern gesteigert würde.

Traum oder Alptraum

Die Träume der "Techno-Eliten" sind zahlreich: Nanosensoren für die Messung des Wasser- oder Sauerstoffgehalts des Bodens für die Landwirtschaft, Nahrungsmittel, die dem Geschmack der Konsumenten angepasst werden können, Tapeten oder Farbe, die mit Hilfe von photoelektrischen Nanostäbchen Elektrizität produzieren, Autos, die nur 25 Kilo wiegen, aber sehr widerstandsfähig sind, Schaffung von leistungsfähigeren, bionischen Menschen usw.

Es wurden bereits molekulare Verbindungen zwischen Neuronen und Silikonkabeln hergestellt mit dem Ziel, diese Kabel vom Gehirn aus zu befehligen. Eine bionische Hand für dieses Modell ist in Ausarbeitung. Es ist einigen Forschern gelungen, ein Protein mit einem Nanopropeller zu fusionieren mit dem Ziel, dieses Protein so zu dirigieren, dass es die Zellteilung von Krebszellen blockiert.

Die Unsterblichkeit, von der westlichen Schulmedizin und einer reduktionistischen Wissenschaft zum Mythos erhoben, scheint den Befürwortern der Nanotechnologien zufolge in Greifweite gerückt.

Der Hauptvektor der Veränderung des Menschen wird zweifellos die Armee sein mit Soldaten, die aus mehreren Metern Höhe in die Tiefe springen, schneller rennen, weiter sehen und auf Schlaf werden verzichten können. Ein System, um in der Nacht mittels der Zunge sehen zu können, ist in Ausarbeitung…

Aber das ideologische Projekt von Eric Drexler wird solange nicht Wirklichkeit, als die Roboter sich nicht von selbst vermehren oder komplexer machen. Hier berühren wir sicher den riskantesten Aspekt. In Frankreich sagt man "écophagie ", in den USA "grey goo problem " 2, das heißt die teilweise oder totale Zerstörung der Biosphäre durch den Verbrauch des Kohlenstoffs bei der nicht kontrollierten Reproduktion der Roboter.

Auch wenn die Befürworter dieser Technologien beteuern, dass dieses Risiko minimal ist, so besteht die Gefahr dennoch auf mindestens zwei anderen Ebenen:

  • Angesichts der Vielfalt der Anwendungsbereiche der Nanotechnologien, werden diese in allen Sektoren des täglichen Lebens präsent sein. Ihre Verbreitung wird sie leicht zugänglich machen.

  • Im letzten Jahrhundert beruhte die "Sicherheit" auf einem "Gleichgewicht des Schreckens", zwischen zwei Blöcken, die im Fall eines Atomangriffs der Gegenseite zurückschlagen konnten. Mit den Nanotechnologien ist die Kapazität der gegenseitigen Zerstörung als Grundlage des Gleichgewichts überschritten. Man kann den Gegner völlig vernichten, ohne das Risiko eines Gegenschlags einzugehen. Und wenn die Offensive erst einmal läuft, wird es schwer sein, sie aufzuhalten.

"Ecophagie " kann auch über einen biomechanischen Umweg eintreten. Mit der Fusion zwischen Nanomaschinen und biologischen Elementen (Viren usw.), könnten die "Nanobiomaschinen" jeglicher menschlicher Kontrolle entgleiten, weil sie sich biologisch vermehren.

Abhängigkeit und

Elitismus

So wie bei genetischen Manipulationen kann man die Problematik der Nanotechnologien aber nicht auf die potentielle Gefahr reduzieren, die von ihnen ausgeht. Wir müssen auch in Begriffen wie gesellschaftliche Veränderungen und Autonomie denken, die Menschengruppen entwickeln können oder könnten. Bill Joy, Direktor der "Sun Microsystem", Erfinder der Computersprache Java, ist beileibe kein Feind moderner Technologien. Er ist einer der Leiter der amerikanischen Kommission über die Zukunft der Forschung im Bereich der Informationstechnologien. Er schrieb einen Text mit dem Titel. "Warum die Zukunft uns nicht braucht". 3

"Wir befürchten eine Beschleunigung der Abhängigkeit der Menschen von den Maschinen, deren Entscheidungen sie letzten Endes akzeptieren werden müssen. Je komplexer die Probleme werden, mit denen die Gesellschaft konfrontiert ist und je ‚intelligenter’ die Maschinen werden, desto mehr Entscheidungen werden in ihren Händen liegen.

Der Grund ist einfach:

Die Resultate werden besser sein. Man kann sich sogar vorstellen, dass mit der Zeit die für die Erhaltung des Systems zu fällenden Entscheidungen so komplex werden, dass die menschliche Intelligenz überfordert sein wird. An diesem Tag werden die Maschinen effektiv die Kontrolle übernehmen.

Sie abschalten? Unmöglich. Angesichts unserer Abhängigkeit wäre das selbstmörderisch.

Die Alternative dazu wäre die Kontrolle des Menschen über die Maschinen. Wenn also das Individuum Lambda die Kontrolle über gewisse persönliche Apparate wie sein Auto oder sein Computer behält, so wird die Beherrschung größerer Systeme das Monopol einer kleinen Elite werden, wie das heute schon der Fall ist. (…) Mit der Entwicklung der Technik wird diese Elite eine verstärkte Kontrolle über die Massen ausüben."

Die Nano-Utopisten sprechen auch von einer völligen Umwälzung der Gesellschaft und der Grundlagen, auf denen sie aufgebaut ist. Es würde Überfluss herrschen (dank des Kohlenstoffs als allgegenwärtige Energiequelle), es gäbe keine Arbeit mehr (dank der Roboter). Wer könnte uns dann garantieren, dass die quasi unsterbliche, weil mit Maschinen fusionierte Technokratenelite nicht eines Tages die untätigen, abhängigen Massen einfach vernichtet?

"Wir werden nicht mehr gebraucht (eine von den Techno-Utopisten, die eine ‚rasche Entwicklung‘ hin zu einer ‚post-menschlichen‘ Welt vorhersagen, anerkannte Tatsache). Auf einem solchen Planeten würden auch die ethischen, spirituellen und moralischen Ideen, die sich im Verlauf der Menschheitsgeschichte entwickelt haben, ihres Sinnes beraubt." 4

Entweder werden die Nanotechnologien funktionieren, was bedeuten würde, dass die Zukunft der Menschheit völlig von der Technik bestimmt sein wird, oder sie funktionieren nicht und die Risiken der Zerstörung sind ebenso groß. Sowohl auf Ebene des menschlichen Geistes, als auch der Technologie weigere ich mich, die Formel "entweder es funktioniert, oder es funktioniert nicht" anzuwenden. Wenn man in Begriffen wie totales technologisches Fiasko denkt, dann geht man auf negative Weise vom gleichen Glauben an technische Mängel aus wie die schlimmsten Befürworter. Wahrscheinlich wird es eine Fülle von Erfindungen geben, die mehr oder weniger gut funktionieren werden. Als die Eisenbahn erfunden wurde, war die schlimmste Befürchtung, auf Grund der Geschwindigkeit überfahren zu werden, aber niemand dachte an Entgleisungen. Wie könnte so eine "Entgleisung" der Nanotechnologien aussehen, und werden wir sie überleben?

Quellen: Es war sehr schwierig, für diesen Artikel Informationen oder kritische Texte auf Französisch zu finden. Ich stütze mich hier auf die Nr. 10 des Ecologiste (Juni 2003), vor allem auf den Artikel von Jean-Pierre Dupuy, der gut informiert ist, auch wenn mir einige von ihm angesprochene Aspekte fragwürdig scheinen. Er ist Professor an der Universität von Stanford und am Polytechnikum in Paris