Friedenssicherung für wen?

de Bleiberecht-Kollektiv Basel, 30 mars 2015, publié à Archipel 235

Das Bleiberecht-Kollektiv Basel nahm die Konferenz zum Anlass, die Rolle der OSZE in der europäischen Migrationspolitik zu kritisieren. Denn die OSZE trägt wesentlich zum Aufbau des europäischen Grenzregimes bei. Sie stützt damit nicht den Frieden, sondern die Aufrechterhaltung der ausbeuterischen Machtverhältnisse, und ist mitverantwortlich für tausende Menschen, die jährlich auf dem Weg nach Europa sterben.

Helferin bei der Hochrüstung nationalstaatlicher Grenzen Die Rolle der OSZE bei der Sicherung der Grenzen ist alles andere als unbedeutend. Durch die Vermittlung von technischem Wissen wird der Grenzschutz der Nationalstaaten in Osteuropa, im Mittelmeerraum und in Zentralasien auf westeuropäische Standards hochgerüstet. An den OSCE Border Management Staff Colleges werden Grenzpolizist_innen der jeweiligen Grenzschutz-Agenturen ausgebildet. Sie erfahren dabei sowohl die aktuellen und erwarteten Trends in der Migrationsentwicklung als auch die internationalen Standards bei der «Regulation von irregulärer Migration und Menschenhandel». Weiter lernen sie die aktuellsten IT Technologien der EU kennen, mit deren Hilfe u.a. gefälschte biometrische Pässe erkannt werden können. Die Technologien sollen helfen, die «illegalen Bewegungen» von Migrant_innen in den Schengen-Raum abzufangen.
Exporteurin der europäischen Migrationspolitik Das Engagement der OSZE geht weiter als die blosse Hochrüstung der nationalstaatlichen Grenzen. Das vordergründige Ziel ist die Europäisierung der Migrationspolitik: Die Migrationsnormen der EU bzw. des Schengen-Dublin-Raums sollen harmonisiert und deren Gültigkeit und Durchsetzung auf externe Nationalstaaten ausgeweitet werden. Das beschreibt Lamberto Zannier, Generalsekretär der OSZE, in «Ein neuer Schwerpunkt: Grenzmanagement und Grenzsicherheit». Das «sehr weit fortgeschrittene Grenzregime» des Schengen-Dublin-Raumes könne nicht die Ursachen aller «grenzbezogener Probleme» lösen. Des Weiteren könne man die Lösung der Probleme nicht von den «Ursprungsländern, aus denen die illegalen Waren oder auch Migranten» kommen, erwarten. Es brauche vielmehr eine Zusammenarbeit zwischen den Nationalstaaten und Institutionen. Mit der Zusammenarbeit sollen also primär die Probleme der westeuropäischen Nationalstaaten gelöst werden, wobei die OSZE die Plattform für eine solche Zusammenarbeit ist. Der Generalsekretär untermauert in seinem Text, dass mit dem euphemistischen Begriff Border Management («Management von Grenzen») der OSZE in erster Linie die Interessen der westeuropäischen Nationalstaaten verfolgt werden.
Bekämpferin der «illegalen Migration» Das Grenzmanagement und die Sicherheit der Grenzen sollen soweit verbessert werden, dass sie einerseits den «Bedrohungen illegaler grenzüberschreitender Aktivitäten» angemessen ist, andererseits gleichzeitig den «legalen grenzüberschreitenden Reiseverkehr und Handel» erleichtert. Hinter der Ausgestaltung des Border Managements stecken vorwiegend wirtschaftliche Interessen der westeuropäischen Nationalstaaten. Als Bedrohungen der europäischen Sicherheit werden seitens der OSZE neben Terrorismus und Menschenhandel auch die «illegale Migration» genannt. Zu deren Bekämpfung vermittelt die OSZE die Migrationsnormen des Schengen-Dublin-Raumes an Nationalstaaten in Osteuropa, Zentralasien und in den Mittelmeerraum. Im Mittelmeerraum gibt es Kooperationen mit Algerien, Ägypten, Israel, Jordanien, Marokko und Tunesien. Migrant_innen werden durch die Ausweitung der Grenzen Westeuropas bereits vor der Ankunft in Westeuropa «illegalisiert» und damit auch der Repression der Grenzpolizei, Lager- und Ausschaffungsregimes ausgesetzt. Die Nationalstaaten des Schengen-Dublin-Raumes unterscheiden zwischen Migrant_in-nen, die für ihre Wirtschaft nützlich sind und einreisen können, und solchen, die nicht nützlich sind und denen der Weg nach Westeuropa verwehrt wird. Die OSZE ist ein Vehikel, um diese Normen zu verbreiten und die «illegale Migration» bereits vor der Entstehung zu verhindern oder als solche zu kategorisieren.
Feigenblatt für die repressive Migrationspolitik Der Menschenrechts- und Sicherheitsaspekt sind zentrale Elemente im Border Management der OSZE: Migration wurde in den Begriffen der organisierten Kriminalität und des Terrorismus neudefiniert. Ein Beispiel dafür ist der «Anti-Trafficking-Diskurs», in dem eine Fokussierung auf Schlepper und Schleuser auf der einen Seite und auf deren Opfer, die Migrantinnen und Migranten, auf der anderen Seite stattfand. Lamberto Zannier, Generalsekretär der OSZE, begründet in seinem Text «Ein neuer Schwerpunkt: Grenzmanagement und Grenzsicherheit» die neu gewonnene Bedeutung des Border Managements mit Terrorismus bzw. mit den Anschlägen von 9/11. Die OSZE bedient sich derselben Diskurse wie die Grenzschutz-Agentur Frontex, um ihre Aktivitäten zu begründen. Es ist kein Zufall, dass die OSZE Teil des Consultative Forums der Frontex ist. Auf ihrer Webseite ist die OSZE als Partnerin aufgelistet. Die OSZE und andere Organisationen, die das Consultative Forum bilden, legitimieren die Repression von Frontex und sind dabei ein Feigenblatt für die repressive Migrationspolitik Westeuropas. Denn an Europas Aussengrenzen wehrt Frontex «unerwünschte» Migrant_innen in erster Linie mittels Militarisierung der Grenzen, Überwachungstechnologien und Abschottungsmassnahmen ab. Das Engagement bei Frontex und anderen Grenzschutzagenturen rechtfertigt die OSZE mit Wahrung der Menschenrechte und Friedenssicherung durch vermeintliche Bekämpfung von Terrorismus und Menschenhandel. Sie stigmatisiert Migrant_innen als Opfer und gewinnt damit auch die Unterstützung von Nichtregierungsorganisationen.
OSZE als Teil des Status Quo Das Border Management der OSZE unterstützt vor allem die Sicherheits- und Wirtschaftspolitik der Mächtigen. Gesichert werden müssen die imperialen Interessen der Weltmächte und des globalen Finanzkapitals. Vergessen wird, dass viele Menschen aufgrund dieser herrschenden Ausbeutungsverhältnisse nach Westeuropa migrieren müssen: Märkte werden liberalisiert und grosse Teile der westlichen Industrie in ehemals kolonialisierte Niedriglohnländer verlagert. Damit sind Landenteignungen von Millionen Kleinbäuer_innen sowie die Zerstörung lokaler Märkte und Sozialstrukturen verbunden. Der Status Quo und die Abschottung Europas fordern jährlich tausende Menschenleben. Die OSZE verteidigt das fremdenfeindliche europäische Migrationsregime und weitet dieses über die Grenzen der EU aus. Dagegen regt sich unser Widerstand!

Quellen: OSZE Homepage; URL: http://oscebmsc.org/en/news-29 [15.1.2015] «Ein neuer Schwerpunkt: Grenzmanagement und Grenzsicherheit»; URL: http://ifsh.de/file-CORE/documents/jahrbuch/03/Zannier.pdf [15.1.2015].