Anfang Dezember 2008 fand in der Messestadt Poznan/Posen in Polen die 14. UN-Konferenz der Rahmenkonvention zum Klimawandel (UNFCCC) statt. Der indonesische Kleinbauer Sarwadi Sukiman berichtete von Vertreibungen bäuerlicher und indigener Gemeinschaften, die sich noch verschärfen werden, wenn die UN-Konvention ihre neuen Programme umsetzt.
Sawardi Sukiman ist als Mitglied einer kleinen Delegation von La Via Campesina nach Poznan gekommen. Er lebt auf Sumatra in dem Dorf Tanjung Lebar in der Region Muara Jambi. In dieser Region wurden in den 1980er Jahren die Dorfgemeinschaften aus ihren Wäldern vertrieben. Die Regierung vergab das Land an private Firmen, die dort Monokulturen für die Holz- und Papierindustrie anlegten. Sie haben den Wald abgeholzt und das Land rücksichtslos ausgebeutet. Als die Bewilligungen der Regierung ausliefen, sind die Firmen abgezogen und haben ein verwüstetes Gebiet hinterlassen.
Nachdem die Konzession für die Abholzung des Waldes von Sawardis Dorf ausgelaufen war, lag das Land brach. Die Bäuerinnen und Bauern sind zurückgekehrt und haben wieder Reis, Bohnen und Obst angebaut. 1.500 Familien, die in der Indonesischen Bauerngewerkschaft SPI organisiert sind, haben 101.365 Hektar Land besetzt und bearbeitet, Häuser errichtet und ihre Gemeinschaften wieder aufgebaut.
Leider haben dann einige ortsansässige und internationale NGOs eine Firma mit dem Namen PT Reki gegründet. Sie haben von der Regierung einen Pachtvertrag über 100 Jahre für eben dieses Land erhalten, um darauf das Ökosystem wiederherzustellen. Zu dem Konsortium gehören die indonesische NGO Kayasan Burung, die Royal Society for the Protection of Birds RSPB und Bird-Life International.
Als die Firma die Kontrolle des Gebietes übernahm, wurden die Bäuerinnen, Bauern und indigenen Gemeinschaften von ihrem Land vertrieben, eingeschüchtert, verhaftet und verhört. Sie wurden gezwungen, einen Brief zu unterschreiben, der besagt, dass sie einverstanden sind, das Land zu verlassen und niemals zurückzukehren. Einige Bauern steckte man ins Gefängnis, einen Bauern ließ man erst nach 6 Monaten wieder frei.
Für seine Kampagne zur Rettung des Regenwaldes besuchte Prinz Charles Anfang November 2008 Sumatra, um die Aufforstungen der indonesischen Regierung zu besichtigen sowie das Gelände von PT Reki. Dieter Hoffman, der Verantwortliche für das internationale Programm von Birdlife International, nutzte die breite Medienberichterstattung während dieses Ereignisses und kündigte an, dass die Firma nun die Möglichkeiten zur Nutzung des REDD untersuche, dem Programm, das während der Klimakonferenz im Dezember 2007 in Bali verhandelt wurde. Der Wald der Provinz Jambi könne die Menge Kohlenstoff absorbieren, die den jährlichen Emissionen von Manchester entspräche.
Hinter der Abkürzung REDD versteckt sich die Bezeichnung: Reduktion der Emissionen aufgrund der Abholzung und Degradation von Wäldern. In diesem neuen Mechanismus des UNFCCC-Emissionshandels stellen Industrieländer den Entwicklungsländern Gelder zur Verfügung, damit sie ihre Wälder schützen, darin Kohlenstoff binden und so das Klima stabilisieren. So brauchen die großen Verschmutzer und Verursacher der Klimaerwärmung ihre Emissionen nicht zu reduzieren. Sie können sich freikaufen und weiter sündigen, ihre Emissionen sogar noch erhöhen, fast wie beim Ablasshandel der katholischen Kirche im Mittelalter. Ein weiterer Haken: Das REDD unterscheidet nicht zwischen Urwäldern und Monokulturen. Auch Palmöl-Plantagen gelten als Wälder. Außerdem werden die Rechte der dort lebenden indigenen Gemeinschaften nicht anerkannt.
Die Auswirkungen solcher Programme auf Bauern und indigene Völker sind katastrophal. Programme wie das REDD hindern bäuerliche Gemeinschaften daran, das Land für die Ernährung der Bevölkerung zu nutzen.
Industrielle Nutzung, nicht das Wirtschaften der Dorfbevölkerung, verursacht die Entwaldung - eine der Hauptgründe für die Klimaerwärmung. Deshalb sollte der Wald nicht den transnationalen Konzernen zur industriellen Ausbeutung überlassen werden, sondern DorfbewohnerInnen, die ihn auf nachhaltige Weise bewirtschaften.
La Via Campesina lehnt das REDD und ähnliche Programme ab. Wir sind entsetzt, dass bei den Klimagesprächen diesen Programmen so viel Aufmerksamkeit gewidmet wird. Die Verantwortung wird verlagert: Die Industrieländer, die Verursacher der Klimakrise, müssen ihre Emissionen nicht reduzieren, sondern die Entwicklungsländer müssen den Kohlenstoff binden. Die größten Verschmutzer schicken nur einiges Geld in den Süden und machen weiter wie zuvor, business as usual.
Wir sind der Meinung, dass die Klimakonferenz sich nicht im Emissionshandel verzetteln sollte. Sie sollte sich darauf konzentrieren, Initiativen umzusetzen, die andere Wirtschaftsformen unterstützen. Immerhin verursachen die industrielle Landwirtschaft und der globalisierte Handel etwa 40 Prozent der Treibhausgase. Wirtschaftsformen, die wenig fossile Energien verbrauchen, weite Transporte vermeiden, die Dorfgemeinschaften und Ressourcen erhalten, schützen gleichzeitig das Klima. Die lokale Produktion muss ermutigt werden. Der Schutz der Ressourcen muss an die Rechte der Bevölkerung gebunden sein. Weltweit verteidigen Bäuerinnen und Bauern das Recht auf Ernährungssouveränität als einen wichtigen Weg, um die Klimakrise zu überwinden. Ernährungssouveränität ist das Recht der Völker, ihre Landwirtschaftspolitik selbst zu bestimmen und der lokalen Produktion sowie kleinstrukturierter, nachhaltiger Landwirtschaft Priorität einzuräumen.
Die Messestadt Poznan war gut gewählt: Bei den UN-Verhandlungen ging es nicht darum, Treibhausgase zu reduzieren, sondern Geschäfte im Emissionshandel anzubahnen. Die nächste UN-Klimakonferenz findet im Dezember 2009 in Kopenhagen statt. Dort soll ein Vertrag beschlossen werden, der das Kioto-Protokoll ablöst. La Via Campesina zusammen mit dem globalen Bündnis «Climate Justice now!» mobilisieren gegen diese Verträge, da sie völlig ungeeignet sind, um den Klimawandel aufzuhalten, aber massive Enteignungen der Landbevölkerung erwarten lassen.
Tejo Pramono und Sarwadi Sukiman, Indonesien
La Via Campesina